Passend zum Tag der Arbeit am nächsten Montag geht es heute um einen der umstrittensten Auftraggeber unter freien Journalist:innen: die taz. Von den einen geliebt ob ihres oft mutigen Tons und der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, von den anderen gemieden aufgrund ihrer unterirdischen Honorare.
Im Rahmen unserer #15Prozent-Kampagne war Vorstandsmitglied Katharina Müller-Güldemeister gemeinsam mit der ehemaligen Vorsitzenden Carola Dorner in der Redaktion zu Gast. Chefredakteurin Barbara Junge machte – wie zu erwarten war – keine Hoffnungen auf einen großen Honoraranstieg.
Was die taz allerdings von vielen anderen Gesprächspartner:innen abhebt, ist, dass sie Freie bei Erhöhungen durchaus mitdenkt. Immerhin bekam sie von uns 2020 den Himmelpreis, weil sie in der Coronazeit – neben ihren festen – auch „festen freien“ Mitarbeitenden Extraboni auszahlte.
Auch formulierte Barbara Junge nach unserem Gespräch Richtlinien, die eine faire Kooperation mit Freien zusichern, siehe unten. Sie betonte, dass es sich hier nicht um einen abgeschlossenen Katalog oder eine fertige Maßnahmen-Liste handele.
Was haltet ihr davon? Meidet ihr die taz als Auftraggeberin – oder arbeitet ihr dennoch gern mit diesem Medium zusammen? Wir sind gespannt auf euren Input, schreibt uns via Mail oder (samt anonymer Datenspende) im frisch überarbeiteten Honorartool.
Eure #Freischreiber
Wir verurteilen den Umgang mit freien Mitarbeiter:innen beim Bielefelder Traditionsverlag Delius Klasing (u.a.TOUR, Bike, Yacht). Nach der Übernahme durch die Mediengruppe Klambt (u.a. Petra, Grazia, TV NEU!) behandeln die Verlagsverantwortlichen die Freien der Delius-Klasing-Magazine nach dem Motto: „Friss oder stirb!“
Zum Hintergrund: Kurz vor Weihnachten flatterte eine brisante E-Mail in die Mail-Postfächer aller freien Mitarbeiter:innen. Der Verlag wolle die Zusammenarbeit mit ihnen in einem neuen Rahmenvertrag regeln, so hieß es in dem Anschreiben. So weit, so üblich – doch die Details des Vertrages haben es in sich: Zeitlich und räumlich unlimitierte Nutzung der Werke in allen Medien des Verlags. Exklusive Nutzungsrechte in alle Ewigkeit. Übertragung von Nutzungsrechten an Dritte. Und alles, ohne den Freien, den Lieferant:innen dieser Inhalte, etwas von den Einnahmen abzugeben. Der Vertrag werde zum 1. Januar 2023 wirksam und müsse schnellstmöglich unterschrieben werden. Wer nicht unterschreibe, werde nicht mehr beauftragt.
Delius Klasing (im Folgenden DK) hat in der Vergangenheit ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Freien gepflegt. Seine Magazine sind auf die Rad- und Wassersport-Expertise der Fachjournalist:innen angewiesen. Manche freien Autor:innen und Fotograf:innen arbeiten bereits seit mehreren Jahrzehnten für den Verlag und erwirtschaften dort den Großteil ihres Einkommens. Auch bei DK stagnierten die Honorare seit Jahrzehnten, doch die Tagessätze waren transparent. Das Haus vergütete Mehrfachverwertungen fair. Kaum ein Medium bezahlt Honorare, die exklusive Nutzung rechtfertigen – auch DK nicht. Das Haus gestattete den Journalist:innen, ihre Recherchen auch anderswo zu nutzen. Diese fairen Vergütungsregeln ermöglichten bislang ein verlässliches Einkommen – den Freien und dem Verlag.
Der neue Rahmenvertrag bedroht die wirtschaftliche Existenz der Freien, die von Mehrfachverwertungen innerhalb und außerhalb des DK-Kosmos gelebt haben. Darum wehrten sie sich. Um den Ausverkauf ihrer Texte und Bilder zu verhindern, solidarisierte sich eine Gruppe von etwa 40 freien Autor:innen und Fotograf:innen. Die Mehrheit verweigerte die Unterschrift und sammelte mithilfe des :Freischreiber-Anwalts Argumente für einen neuen Vertragsentwurf. Man traf sich zu Gesprächen. Die Atmosphäre war durchaus freundlich, doch die Verlagsleitung hielt – abgesehen von wenigen kosmetischen Änderungen – am Total-buyout-Vertrag fest. Schlimmer noch: Eine Redaktion beendete sogar die Zusammenarbeit mit den langjährigen Mitarbeiter:innen und beauftragte einen externen Dienstleister mit der Produktion der redaktionellen Inhalte.
„Der Fall Delius Klasing ist ein trauriges Beispiel für ausbeuterische Praktiken von Verlagshäusern – ein neuerliches, muss man leider sagen“, fasst :Freischreiber-Co-Vorsitzender Joachim Budde zusammen. „Statt ihre Freien als Geschäftspartner:innen auf Augenhöhe zu behandeln und ihre journalistische Arbeit, den Garanten ihres geschäftlichen Erfolgs, wertzuschätzen, zerstören sie die wirtschaftliche Grundlage ihrer Fachjournalist:innen – um mit deren Leistung den maximalen Profit zu machen.“ Deshalb müsse DK seinen Freien einen neuen, fairen Vertrag vorlegen.
:Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, kritisiert solche Praktiken seit seiner Gründung im Jahr 2008. Auch seine aktuelle #15Prozent-Kampagne kämpft gegen die Benachteiligung von Freien. Vorgänge wie bei Delius Klasing zeigen: Höhere Honorare sind dringend fällig. Und: Verlage dürfen sich nicht alle Nutzungsrechte unter den Nagel reißen!
Hamburg, 7. März 2023
Der Vorstand von :Freischreiber
Im November 2022 verschickten wir Freischreiber einen offenen Brief an mehr als 370 Tages- und Wochenzeitungen, Online-Medien und Magazine. Unsere Forderung: #15Prozent mehr Honorar für alle Freien. Einige der rund 600 Adressat*innen zeigten Verständnis, manche sicherten gar direkt eine Erhöhung der Honorare zu. Das war, natürlich, die Minderheit.
Die meisten Häuser haben das Schreiben schlicht ignoriert. Das lassen wir nicht auf uns sitzen.
Wie angekündigt haben nun die ersten Gespräche mit Redaktionen stattgefunden. Duette aus Vorstand und Mitgliedern treffen Auftraggeberinnen, diskutieren, verhandeln:
Letzte Woche etwa war Freischreiber in der FREITAG-Redaktion, in einem Monat empfängt uns Moritz Müller-Wirth, der stellvertretende Chefredakteur DER ZEIT in Hamburg. Kommende Woche ist Freischreiber bei der TAZ zu einem Hintergrundgespräch mit der Medienseite eingeladen. Bei den Terminen berichten wir auch davon, wie es unseren knapp 900 Mitgliedern geht. Unser Gefühl: Die Zeiten sind äußerst stürmisch. Nach Corona jetzt die Hyperinflation, der Untergang von Gruner + Jahr, Sparpläne in Redaktionen und Buy-Out-Verträge, die Zweitverwertungen unmöglich machen.
Verantwortliche haben Solo-Selbstständige wie uns oft gar nicht auf dem Schirm:
Denken wir nur an die Corona-Hilfen, die weitestgehend an unserem Bedarf vorbeigingen. Oder an die Inflationsausgleichs-Pauschale in Höhe von 3000 Euro für Arbeitnehmerinnen, die bei uns nicht ankommt; ebenso wenig die Arbeitgeberbeteiligung des 49-Euro-Tickets. Jetzt ist auch noch die 4,8-Prozent-Pauschale abgeschafft worden, wodurch sich unsere Buchhaltung vervielfacht und viele Freie richtig Geld verlieren.
Gern nehmen wir weitere Punkte in die Gespräche mit den Redaktionen auf. Schreibt uns, wie es euch geht. Wird alles immer schlimmer – oder gibt es auch Gutes zu berichten? Schluckt ihr die stagnierenden und teils sogar sinkenden Honorare – oder sagt ihr auch mal nein? Sucht ihr verstärkt nach einem Standbein außerhalb des Journalismus? Ist alles halb so wild?
Erzählt uns davon, schickt eine Mail! Eure Namen werden in Gesprächen natürlich nicht erwähnt.
Dass beim Zeitschriftenhaus Gruner+Jahr die Zeichen auf Krise standen, war schon lange klar. Im Herbst machte Bertelsmann-CEO Thomas Rabe erste Andeutungen, RTL müsse das gesamte Gruner-Magazinportfolio auf den Prüfstand stellen. Kurz vor Weihnachten platzte die Bombe in Form eines Artikels von Anna Ernst in der Süddeutschen Zeitung[1]. Da waren wir als Menschen des Wortes kurz sprachlos: Bis auf den „Stern“ stünden sämtliche Gruner-Titel mutmaßlich zum Verkauf, darunter Traditionsmagazine wie „Brigitte“, „Eltern“, „Schöner Wohnen“ und sogar die sicher geglaubte „Geo“.
Dabei geht es dem Gesamtkonzern wirtschaftlich einigermaßen gut – Krisenzeiten, Papierpreise und Inflation hin oder her.
Die SZ zitiert die Bertelsmann-Geschäftsberichte der letzten Jahre: 143 Millionen Euro Gewinn vor Steuern im Jahr 2021, deutlich mehr also als die 127 Millionen im Corona-Jahr 2020. Aber offenbar zu wenig für die ambitionierten Finanzziele des Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann und Geschäftsführers der RTL-Group.
Was nach der „Portfolioanalyse“ im Lauf der nächsten Wochen ansteht, ist aller Wahrscheinlichkeit nach so düster wie erwartbar: Titel, die direkte Mitbewerber wegkaufen, aber nicht weiterführen; und Titel, die zwar andere Verlage übernehmen, aber aus den eigenen Redaktionspools bedienen und bei denen künftig Renditeziele über allen anderen stehen – also über journalistischer Qualität, Genauigkeit, Originalität in Text und Bild.
Wir wissen genauso wenig wie alle anderen (außer vielleicht Thomas Rabe), wer am Ende den Deal machen wird, aber er wird nur für eine Seite Gewinn bringen: für die kaufmännische Führungsriege und die Aktionär:innen von Bertelsmann. Verlieren werden alle anderen: die fest angestellten Redakteur:innen, die Leser:innen, der journalistische Nachwuchs.
Die freien Journalist:innen – ob Mitglieder der :Freischreiber oder nicht – sind in der Debatte bisher erstaunlicherweise noch gar nicht aufgetaucht.
Viele der Gruner-Magazine verdanken in den letzten Jahren vor allem uns und unserer Arbeit als freie Reporter:innen, Autor:innen, Kolumnist:innen und Service-Journalist:innen, dass der Verlag die Magazine nicht mit leeren Seiten ausliefern musste. In Zeiten ständig schrumpfender Redaktionsteams waren wir Freien über Jahre ein wichtiges und verlässliches Rückgrat des Verlages.
Und auch wenn wir häufig genug Grund zur Klage hatten – etwa über Total-Buyout-Rahmenverträge und seit Jahren stagnierende Honorare – haben wir immer wieder gerne mit dem Verlag und vor allem den Redakteur:innen zusammengearbeitet, weil Gruner einer der letzten Garanten für guten Magazinjournalismus in Deutschland war.
Für viele von uns war und ist Gruner & Jahr journalistische Heimat und wichtigstes Standbein. Das droht uns jetzt gnadenlos wegzuknicken.
Wir sind traurig und wütend über diesen Kurs, der von rein monetären Interessen getrieben ist und nicht einen Funken vom „Bekenntnis zum Journalismus“ übriglässt, das Thomas Rabe auch nach der Fusion von Gruner & Jahr mit RTL häufig und vollmundig geäußert hat.
Wir appellieren an Bertelsmann und Thomas Rabe:
Stoppen Sie den Ausverkauf, erhalten Sie das publizistische Schwergewicht Gruner + Jahr – zugunsten Ihrer Leser:innen, Ihrer Mitabeiter:innen und der freien Journalist:innen, die mit ihren Inhalten die Magazine zu den begehrten Verkaufsobjekten gemacht haben, mit denen der Verlag gut verdient hat.
Medienpolitischer Dialog. Deutschland braucht weiterhin ein duales System mit öffentlich-rechtlichen und privaten Medienanstalten. Dafür braucht es nun mehr Transparenz, mehr Teilhabe und Dialog mit den Nutzer:innen der Angebote der Öffentlich-Rechtlichen. Darin waren sich alle Redner:innen des Medienpolitischen Dialogs einig, zu dem die SPD-Bundestagsfraktion am 22. Septembervor dem Hintergrund der Geschäftspraktiken beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) geladen hatte.
Von einer Vertrauenskrise sprach Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund für Europa und Medien. Dr. Susanne Pfab, Generalsekretärin der ARD, bezeichnete die Vorkommnisse der letzten Monate gar als größte Krise in der ARD. Eine Krise sah auch Prof. Frank Überall, Bundesvorsitzender Deutscher Journalisten Verband (DJV). Es sei zwar eine Krise des Systems, aber keine Systemkrise.
Dr. Sigrid März, Freischreiber-Vorsitzende, wandte sich mit einem Appell an alle Anwesenden: „Es wurde heute viel über Kontrolle, Transparenz und Teilhabe gesprochen. Ich möchte an dieser Stelle eine Gruppe von Menschen ansprechen, die bisweilen unter den Tisch fallen, wenn es um Kontrolle und Teilhabe geht.
Lassen Sie mich dafür ein paar Zahlen nennen. Auf etwa 28.000 Festangestellte bei den Öffentlich-Rechtlichen kommen etwa 18.000 feste Freie. Wie viele – ich nenne sie mal – freie Freie es darüber hinaus gibt, ist unklar, denn die zählt niemand. Beim rbb sind die Zahlen ähnlich, dort kommen auf 2.000 Festangestellte rund 1.500 Arbeitnehmerähnliche.
Diese freien Journalist:innen liefern als freie Autor:innen, Redakteur:innen und Reporter:innen einen Großteil des Programms. Sie machen den kritischen und unabhängigen Journalismus, von dem hier immer wieder gesprochen wird.
Gleichzeitig haben die Freien in einigen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nach wie vor keine Stimme, kein Mitsprache- oder Wahlrecht.
Und gleichzeitig sind die Freien die, die als erste weggespart werden, wenn Sender verschlankt werden oder Kürzungen anstehen. Das bringt die freien Journalist:innen in eine prekäre Situation, abgesehen von den sowieso dringend überarbeitungswürdigen Honorierungsmodellen.
Herr Überall, Sie sprachen es eben an: Die Zahl der Angriffe auf Reporter:innen hat in den letzten Jahren erneut zugenommen. Häufig sind es die Freien, die die Wut der Öffentlichkeit hautnah miterleben, wenn sie auf der Straße oder in den sozialen Medien verbal oder gar physisch angegriffen werden.Um es noch einmal zu veranschaulichen: Im Fall des rbb sind also mehr als 40 Prozent der rbb-Beschäftigten, die gleichzeitig einen Großteil der kritischen Berichterstattung stemmen, stimm- und damit machtlos sowie mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert.
Damit entfällt eine immens wichtige interne Kontrollfunktion, die möglicherweise manch Krise verhindert hätte.
Freienvertretungen in betroffenen Öffentlich-Rechtlichen fordern schon lange Sitze in Personalvertretungen und anderen Kontrollgremien, kurzum mehr Mitbestimmungsrecht.
Wir fordern, wie die Freienvertretungen auch, angemessene Honorare und soziale Absicherung, damit wir von unserer Arbeit leben und weiterhin unabhängig und kritisch berichten können.
Frau Raab, Sie sagten es vorhin: Wir müssen über Kontrolle und Teilhabe sprechen, über Veränderungen der Strukturen. Auch Sie sprachen dies an, Frau Pfab: Teilhabe und Dialog mit den Nutzer:innen der Programminhalte sei wichtig. Ich stimme Ihnen zu, aber erweitern Sie den Kreis der Menschen, mit denen Sie in den Dialog treten, um Ihre freien Mitarbeiter:innen.
Sie können viel über Transparenz und Compliance sprechen. Aber planen Sie Neustrukturierungen und Reformen bitte nicht erneut ohne die Freien!“
Die Medienanstalten haben nicht nur eine Verantwortung den Konsument:innen der Programminhalte gegenüber, sondern ebenso ihren freien Mitarbeiter:innen. Denjenigen, die zu großen Teilen die Programminhalte produzieren. Freischreiber steht für Gespräche zur Verfügung.
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Hintergrund:
Am 22. September trafen sich auf Einladung der SPD-Fraktion Medienschaffende sowie Menschen aus Politik und Medienlandschaft im Deutschen Bundestag zum Medienpolitischen Dialog. Das Thema: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – wie geht es weiter? Transparenz und Compliance für mehr Bürgernähe“.
Der Landesmusikrat Baden-Württemberg hat mit einem Rundschreiben an Zeitungsredaktionen (s.u.) eine Debatte zum Thema Musikfeuilleton angestoßen. Allerdings habe der Musikrat die Perspektive des freien Journalismus und die besondere Rolle des Lokaljournalismus nicht berücksichtigt, sagt Freischreiber Sven Scherz-Schade.
Deshalb hat er eine Antwort verfasst und sie an uns weitergeleitet. Du findest sie in voller Länge als PDF weiter unten. Sven schreibt in ihr unter Anderem folgendes:
„Ich schreibe Ihnen, damit Sie in zukünftigen Debatten über Musikfeuilleton gerne mit beobachten, wie hoch der musikjournalistische Anteil freier Journalist*innen ist. Ich habe kein belastbares Datenmaterial dazu. Ich vermute, dass der Anteil im Print bei bestimmt 30 Prozent liegen dürfte, im öffentlich-rechtlichen Hörfunk dürfte er weit über 50 Prozent liegen.
In der Debatte sollte auch berücksichtigt werden, dass im gleichen Zeitraum der letzten Jahrzehnte, in denen das publizistisch freie Musikfeuilleton immer schwächer wurde, die publizistisch abhängige PR-Arbeit der Musikszene immer stärker geworden ist. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Musikszene haben zugenommen.
Es gibt zahlreiche Publikationen, Spielzeithefte, Magazine, Broschüren etc., in denen durchaus auch Musikjournalismus stattfindet, jedoch immer mit den bindenden Vorzeichen der PR. Auch dadurch droht der Musikszene die kritische Gegenmeinung verloren zu gehen, was ich fürs pluralistisch-demokratische Gefüge und die Willensbildung in unserem Land als schlimmen Verlust empfinde.“
Wir müssen über die Pressefreiheit reden. Ein Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hat massive Einschränkungen von Journalist*innen und eine Enteignung ihres geistigen Eigentums gefordert; das Positionspapier war gut einen Monat öffentlich auf der Webseite des Ministeriums zugänglich. Unbemerkt vielleicht, aber in jedem Fall unwidersprochen. (Mehr dazu hier.)
Es reicht nicht, nun zu betonen, dass hier keinesfalls die Haltung des Ministeriums wiedergegeben worden sei, und das Dokument nun viel zu spät zu löschen. Die Bundesregierung muss endlich damit beginnen, die Belange von freien Journalist*innen zu berücksichtigen.
Deshalb unsere Bitten an die Bundesregierung:
Sprechen Sie mit uns, hören Sie uns zu. Journalismus ist ein Pfeiler der Demokratie, der zwar oft stört, aber dennoch unverzichtbar ist. Setzen Sie einen ständigen Beirat von freien und festangestellten Journalist*innen ein, der Missstände und Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.
Schaffen Sie Rahmenbedingungen, die die Pressefreiheit auch in Krisenzeiten gewährleisten. Journalist*innen müssen berichten können, ohne Angst vor Bedrohungen und kostenintensiven Abmahnungen zu haben. Wir brauchen Bewegungsfreiheit. Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dürfen die Arbeit von Journalist*innen nicht einschränken. Nicht zuletzt benötigen wir ein Urhebervertragsrecht, das freienJournalist*innen ein auskömmliches Einkommen zu allen Zeiten garantiert.
Auch an die Medienunternehmen haben wir eine Bitte:
Stellen Sie sich hinter ihre freien Journalist*innen; verzichten Sie auf Vertragsklauseln, die die Haftung für Berichte vollständig auf die freien Mitarbeiter*innen übertragen.
Denn die Ereignisse der vergangenen Tage sind nur die vorerst letzten in einer immer länger werdenden Serie aus Vorkommnissen, die vor allem freien Journalist*innen die Arbeit schwer machen.
Viel zu oft versuchen Unternehmen, unliebsame Berichterstattung durch die Drohung mit juristischen Schritten zu verhindern. Ohne Rückhalt durch Politik und Auftraggeber*innen verhindert dies auch korrekte, berechtigte Beiträge. Immer wieder berichten Kolleg*innen, dass Polizeibeamt*innen oder Ordnungsbehörden die Privatadresse und den Inhalt der Berichterstattung erheben.
Wer als freie Journalist*in auf einer eigenen Homepage im Netz für die eigene Arbeit werben will, muss die eigene Adresse öffentlich machen, und dies in einer Zeit, in der Bedrohungen zunehmen. Bei der Überarbeitung des Urheberrechts sind indes zwar die Interessen von Presseverlagen umfangreich berücksichtigt worden. Freie Journalist*innen haben aber nach wie vor keine realistische Möglichkeit, auskömmliche Honorare und Verträge auf Augenhöhe durchzusetzen. Deutsche Auslandskorrespondent*innen, deren Berichterstattung eine Basis für die Gestaltung der deutschen Außenpolitik bildet, wurden bei den Hilfsmaßnahmen zur Milderung der Folgen der Corona-Pandemie völlig vergessen.
Journalismus ist kein Luxus, auf den man in Krisenzeiten eben verzichten können muss, sondern eine Lebensnotwendigkeit.
Freischreiber, der Berufsverband freier Journalist*innen, ist jederzeit zum Gespräch bereit.
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Freischreiber setzt sich seit über zehn Jahren exklusiv für die Belange freier Journalist*innen ein. Wir streiten für ein Urheberrecht, das tatsächlich den Urheber*innen dient und nicht den Verwerter*innen, für bessere Verträge und Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Ausfallhonorare zahlen, Ersatzaufträge anbieten, Absicherung freier Journalist*innen verbessern: Freischreiber appelliert an die Solidarität der Redaktionen mit ihren freien Journalist*innen.(mehr …)
Manchmal gibt es das: Redaktionen, bei denen die freien Journalistinnen und Journalisten nicht gesichtslose Zulieferer sind, sondern Teil des Ganzen. Einmal im Jahr lädt die G+J Familienredaktion, zu der u.a. ELTERN, ELTERN FAMILY und URBIA gehören,alle Freien zum Autorentag ein. Zum Austausch, zum Kennenlernen und zum Diskutieren neuer Strategien. „Ohne Freie könnten wir unsere Hefte und Digitalangebote gar nicht herausgeben. Die Freien sind ein sehr wertvolles Kapital“, sagt Bernd Hellermann, Editorial Director der G+J Familienredaktion. Es ist also nur konsequent, dass ELTERN der Zusammenarbeit nun einen festen Rahmen verliehen hat.
Am Freitag, dem 11. Oktober 2018, unterschrieb die G+J Familienredaktion den Code of Fairness von Freischreiber. Der Code ist eine freiwillige Selbstverpflichtung für den fairen Umgang zwischen Redaktion und freien Journalistinnen und Journalisten. Er umfasst zehn Punkte, zu denen unter anderem angemessene Honorare, fristgerechte Bezahlung und die verbindliche Abnahme von Beiträgen gehören.
Zum Unterzeichnungstermin erschien fast die gesamte Führung: Bernd Hellermann, die Redaktionsleiterinnen Rosa Wetscher und Franziska Klingspor sowie Managing Editor Oliver Steinbach. „Wir freuen uns sehr, dass ELTERN sich dazu entschlossen hat, den Code zu unterzeichnen“, sagt Freischreiber-Vorstandsvorsitzende Carola Dorner. „Von unseren Mitgliedern haben wir bislang nur Gutes über die Zusammenarbeit gehört.“
Gegenseitige Wertschätzung ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr freuen wir uns, dass einige Redaktionen mit gutem Beispiel vorangehen. Bisher haben Die Zeit, Krautreporter, Der Freitag und die P.M.-Gruppe den Code of Fairness unterschrieben.
Hier geht es zur Pressemitteilung als pdf, hier zum Freischreiberlogo in der Druck– und in der digitalen Version und hier zum Bild der Unterzeichner.
16. Oktober 2018
Auch eine Ombudsfrau für die Freien wurde ernannt.
Das sind mal richtig gute Nachrichten aus dem Hause Gruner+Jahr: Jens Schröder, Chefredakteur der P.M.-Gruppe (P.M., P.M. History und P.M. Fragen & Antworten) und von National Geographic, hat am 21. August 2018 unseren Code of Fairness unterzeichnet. Damit verpflichten sich die genannten Redaktionen zu einer fairen Zusammenarbeit mit freien Journalisten. Der Code of Fairness umfasst zehn Punkte, darunter: angemessene Honorare, fristgerechte Bezahlung, verbindliche Abnahme von Beiträgen sowie die Beteiligung an Erlösen bei Weiterverkäufen (diesen Punkt regeln übergeordnet die Rahmenverträge des Verlages Gruner+Jahr). Schwergefallen ist Jens Schröder dieser Schritt nicht. Seine Redaktionen halten sich seit Langem an die Vorgaben des Code of Fairness. Nun folgt mit der Unterzeichnung jedoch die Zustimmung ganz offiziell. Wir freuen uns sehr darüber!
Und es gibt noch einen weiteren Grund zur Freude: Sollte es in der Zusammenarbeit zwischen den Redaktion und ihren freien Journalisten doch einmal knirschen, können sich die Freien nun an eine Ombudsfrau wenden: Christiane Löll, Leitende Redakteurin von P.M. Fragen & Antworten. Den Hamburger Freischreibern ist sie noch in bester Erinnerung als ehemalige Regiogruppen-Leiterin. Heute ist sie Freischreiber-Fördermitglied – und nun Ombudsfrau. Eine bessere hätten wir uns nicht wünschen können.
Die Redaktionen der P.M.-Gruppe und von National Geographic gehen nun mit gutem Beispiel voran, wie auch die CoF-Unterzeichner Krautreporter, Die Zeit und Der Freitag. Ombudsleute konnten wir bereits bei Spiegel Online und Die Zeit implementieren. Freischreiber wünscht sich, dass noch viele diesen Pionieren folgen werden. Denn ohne faire Zusammenarbeit zwischen Festen und Freien ist guter Journalismus nicht möglich. Und den brauchen wir in diesen Zeiten mehr denn je.