Fair vs. Fies
14. September 2022

Himmlisch!

Wir haben’s getan: uns getroffen. Live! Mit Freischreibern aus ganz Deutschland, Weltreporter*innen und Preisträgern, mit der Sängerin ZUSTRA, froschgrünen Lotsen und Lotsinnen aus dem freien Journalismus. Wir haben Steg und Hausboot zum Schunkeln gebracht, unverhofft mit Sekt getauft, uns und euch gefeiert – und die Freiheit. Ahoi, es war schön: bei der Himmel- und Hölle-Preisverleihung am 3. September in Berlin.

Berlin, 3. September 2022. Freischreiber kürte in diesem Jahr die Engel und Teufel der freien Auslandsberichterstattung. Die himmlische Auszeichnung erhielt die Redaktion „Hintergrund“ des Deutschlandfunks. In der Hölle müssen (fast) alle anderen schmoren. 

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Laudatio Himmel-Preis 2022 als PDF / Dankesrede Preisträgerin Anne Raith als PDF
Rede Himmel-und-Hölle-Preis 2022 als PDF
Alles zum Himmel-und-Hölle-Preis, inklusive Archiv
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Der Himmel-und-Hölle-Preis der Freischreiber 2022 stand ganz im Zeichen der Auslandsberichterstattung. Freischreiber rückt damit Redaktionen oder Einzelpersonen in Rampenlicht, die sich in besonderer Weise um den freien Journalismus verdient machen – oder diesen schädigen. In einer Zeit, die geprägt ist von Kriegen und Krisen in der Welt, wählte der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten den Schwerpunkt Auslandsberichterstattung. Deshalb gehörte in diesem Jahr der Jury neben dem Vorstand von Freischreiber auch Leonie March an, Vorsitzende von Weltreporter, dem größten Netzwerk deutschsprachiger Auslandskorrespondent*innen.

Den Himmel-Preis 2022 verlieh Freischreiber am 3. September 2022 in Berlin an die Redaktion „Hintergrund“ des Deutschlandfunks. Stellvertretend für das Team erhielten die beiden Reaktionsleiterinnen Anne Raith und Ursula Welter die Auszeichnung. Sie verantworten die Sendungen „Hintergrund“, „Europa heute“, „Eine Welt“ und „Gesichter Europas“. 

Der Umgang der Redaktion mit Freien im Ausland sei fair, kompetent und freundlich, lobte Laudatorin Katharina Wojczenko, Vorstandsmitglied bei Freischreiber und selbst freie Korrespondentin in Bogotá (Kolumbien). Die Zusammenarbeit sei eng und intensiv, die Redigatur der Texte stets auf Augenhöhe und die Honorare angemessen. „Was den entscheidenden Unterschied macht – besonders für uns freie Journalist*innen – sind die Menschen, die in diesen Strukturen arbeiten und sich für Fairness und angemessene Honorare einsetzen“, sagte Katharina Wojczenko.

Dass Wertschätzung auf Gegenseitigkeit beruht, machte Redaktionsleiterin Anne Raith in ihren Dankesworten deutlich: „Was wären wir ohne Sie?“ sagte sie mit Blick darauf, dass ein Löwenanteil der Auslandsberichterstattung in deutschen Medien von Freien kommt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehe unter Druck, Arbeitsabläufe würden dichter, die Ausspielwege immer vielfältiger, der Ton in den Debatten rauer, und immer mehr Journalist*innen gerade im Ausland kehrten dem Beruf den Rücken. Die Nachricht von der Auszeichnung sei deshalb genau im richtigen Moment gekommen: „Was ist mehr wert als diese Wertschätzung von den Freischreibern?“, sagte sie. 

Katharina Wojczenko hatte in ihrer Laudatio unterstrichen, der Himmel-Preis solle auch ein Ansporn sein, die Bastion „Hintergrund“ zu verteidigen. Das traf auf offene Ohren, denn Anne Raith schloss mit den Worten: „Wir müssten den Himmel-Preis sofort wieder weiterreichen an die freien Kolleginnen und Kollegen, behalten ihn aber noch einen Moment gepaart mit dem Versprechen, dass Sie und ihr mit uns, mit mir und meinen Kolleginnen weiter hartnäckige und furchtlose Mitstreiterinnen habt – für gute internationale Berichterstattung. Und für ein gutes Auskommen mit den freien Kolleginnen und Kollegen überall auf der Welt.“

„Fehlen die Korrespondent*innen, wachsen blinde Flecken auf der Weltkarte.“

Dr. Sigrid März, Vorsitzende von Freischreiber, betonte die wichtige und wertvolle Arbeit freier Korrespondent*innen. Sie begleiten politische Entwicklungen weltweit und erklären Zusammenhänge. Sie berichten unabhängig und leisten einen essenziell wichtigen Beitrag zur globalen Pressefreiheit: „Fehlen die Korrespondent*innen, wachsen blinde Flecken auf der Weltkarte. Räumen diese Journalist*innen das Feld, entsteht ein Vakuum, in dem sich im schlimmsten Fall Propaganda breit macht.“

Die Arbeitsbedingungen für freie Auslandskorrespondent*innen verschlechtern sich immer weiter: Zeilenhonorare sind seit Jahren auf demselben niedrigen Niveau eingefroren, manche Verlage haben sie sogar gekürzt. Mit Total-Buyout-Verträgen verhindern viele Medienhäuser, dass Freie ihre Recherchen für mehrere Kunden aufarbeiten, wie es wirtschaftlich sinnvoll und notwendig ist. Häufig weigern sich Medienhäuser, Reisekosten zu übernehmen. „Damit entziehen Verlage und Sender den Auslandskorrespondent*innen – und hier vor allem den freien – nach und nach ihre Arbeits- und Lebensgrundlage“, sagte März. 

In der Ukraine etwa könne man sehen, dass freie Journalist*innen teils unter Lebensgefahr berichteten, oft jedoch weder ausreichend abgesichert noch für solche Kriseneinsätze geschult seien. „Während Medienhäuser ihre Festangestellten unterstützen, fehlt es den Freien an bezahlbaren Lebens- und Unfallversicherungen oder elementaren Dingen wie Schutzausrüstung und psychologischer Betreuung.“

Ignoranz, Wegschauen und ein Wird-Schon-Gut-Gehen-Denken sind ein branchenweites Phänomen. Freischreiber hat daher in diesem Jahr entschlossen, den Hölle-Preis nicht einer einzelnen Redaktion zu verleihen. „Einen einzigen Kandidaten, eine einzige Kandidatin mit dem Hölle-Preis zu prämieren, wäre zu kurz gefasst“, so Sigrid März.  „Die Hölle liegt in den Strukturen.“

In der Hölle müssen (fast) alle anderen schmoren 

Freischreiber klagt daher alle Redaktionen an, die sich zu wenig um ihre Auslandsfreien kümmern, sie schlechte bezahlen, sie ausbooten und knebeln. Doch März’ die Kritik richtete sich auch an die Bundesregierung: „Wir klagen die deutsche Politik an, die Auslandsfreien keine rechtliche Sicherheit bietet, wenn es um Altersvorsorge oder Krankenversicherung geht.“ Die Gesetzgeber müssten einen praktikablen rechtlichen Rahmen für Auslandsfreie zu schaffen. Kolleg*innen, die ins Ausland gehen, um für deutsche Medien zu berichten, müssen Zugang zum deutschen Sozialsystem haben, etwa indem sie in der Künstlersozialkasse verbleiben können. Außerdem sollte es ihnen erleichtert werden, sich gegen Krankheit abzusichern und fürs Alter vorzusorgen. 

Noch einmal: Es liegt nicht an den Reportern, es liegt an den Strukturen. Und die gilt es zu ändern. „Wer Anregungen braucht: Wir Freischreiber stehen für Gespräche zur Verfügung.“

Preisverleihung anschauen (Twitter-Stream)

Fotograf: Stephan Obel, ein Video folgt in Kürze.

Über Freischreiber: 
Freischreiber wurde 2008 von freien Journalist*innen gegründet. Heute hat der Verband rund 900 Mitglieder und setzt sich für gute Arbeitsbedingungen und faire Honorare für Freie ein. 2022 erschien mit der Neuauflage der Freienbibel 2 DAS Handbuch für freie Journalist*innen mit 468 Seiten Praxiswissen. Neben kompetenter Rechtsberatung, insbesondere zu Vertragsfragen, steht den Mitgliedern unter anderem ein Tandem-Programm und ein Slack-Kanal für den internen Austausch offen. (Digitale) Workshops und Veranstaltungen ergänzen das Angebot.

Dem Vorstand gehören an: Dr. Sigrid März (Münster), Joachim Budde (Bonn), Regine Marxen (Hamburg), Katharina Müller-Güldemeister (Berlin), Anja Reiter (Bonn), Jan Schwenkenbecher (Gießen) und Katharina Wojczenko (Bogotá). 

………………..

: Freischreiber e. V.  
Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten
Kontakt: Anna Heidelberg-Stein und Yvonne Pöppelbaum 
Telefon: 040 / 22 86 71 52, kontakt@freischreiber.de

Informationen zum Himmel- und Höllepreis unter: 
https://freischreiber.de/ziele/fair-versus-fies/

Allgemeine Infos unter: 
www.freischreiber.de


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