[Der :Freischreiber-Newsletter]
vom 13.11.2017
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir reden nicht von November-Blues, wir starten lieber mit Wumms: mit der BurAGENDA-2017. Das ist ein Kampfbegriff, der es in sich hat. Er stammt von Silke Burmester, Kolumnistin des Deutschlandfunks und Freischreiberin der ersten Stunde. Mit BurAGENDA-2017 fordert sie all jene auf, die Finger vom Journalismus zu lassen, die „den Beruf nicht ernst nehmen und/oder auf das Geld, das sie mit ihrer Tätigkeit verdienen, nicht angewiesen sind“. Die sollen bitte etwas anderes machen. Und vor allem aufhören, für 21 Cent die Zeile oder noch weniger den Textnachschub für Regionalzeitungen zu sichern. Oder für „Witzlöhne“ Leichtes und Seichtes zu liefern. Die Rede ist von Freizeitjournalisten, Hobbyschreiberinnen, „Tageszeit-Flaneuren“, von Rentnern. Und, oha, von Berufsanfängern. Weil sie dankbar seien, schreiben zu dürfen, und deshalb alles hinnähmen. Das können wir nicht unwidersprochen stehen lassen. Burmester hat recht mit ihrer Dilettanten-Schelte, aber die Anfänger und Berufseinsteiger sind weder an der Honorarmisere schuld, noch sind sie Dilettanten.
Doch wir unterstützen aufs Wärmste Teil zwei der BurAGENDA-2017: wieder in den Kampf zu ziehen für gute Honorare und gegen Schundverträge. Und verstanden haben wir von Teil eins, dass wir die Berufseinsteiger viel mehr auf unsere Seite bringen müssen. Damit sie eben nicht alles mit sich machen lassen. Daher hat sich der Vorstand gestern in die Hand versprochen: Wir kümmern uns in Zukunft ausgiebig um unseren Nachwuchs. Jetzt sammeln wir Ideen und bitten die Newbies da draußen um Wünsche, Anregungen und Vorschläge. Hierhin bitte.
Sonnige Grüße vom Arbeitsfrühstück in Hamburg #vielzutun ☕️ #vorstandsarbeit pic.twitter.com/BixLJMLRyz
— Freischreiber (@Freischreiber) 12. November 2017
Treffen mit dem Freien-Ombudsmann bei SPON
Die beiden Freischreiber-Vorstände Steve Przybilla und Carola Dorner haben sich in Hamburg mit Jochen Leffers getroffen, dem Ombudsmann für freie Journalisten bei Spiegel Online. Wir erinnern uns dunkel an die Höllepreis-Nominierung für die Redaktion im Jahr 2011. Danach hat SPON die Stelle eines Mittelsmannes für freie Journalisten eingerichtet. Und den Autorenvertrag nachgebessert. Sehr freischreiberig nach dem Motto: Eine Höllepreis-Nominierung kann der Beginn einer guten Zusammenarbeit sein. Hat ja auch „der Freitag“ verstanden und vor Kurzem unseren Code of Fairness unterzeichnet. Jetzt haben wir aber immer mal wieder von unseren Mitgliedern gehört, dass der SPON-Autorenvertrag zwar schön und gut sei, sich die Redakteure aber zum Teil nicht daran halten. Kritikpunkte waren reißerische Teaser, keine Möglichkeit eines „letzten Blicks“ und verspätete Veröffentlichungen. Vor allem aber, Hauptkritikpunkt, das dürftige Honorar: Zwischen 150 und 250 Euro zahlt Spiegel Online für einen Artikel inklusive Fotos. Nach unserem Treffen hat Jochen Leffers die Punkte in der Ressortleiter-Konferenz vorgestellt und alle Redakteurinnen und Redakteure noch einmal an den Autorenvertrag erinnert. Wir bleiben dran.
Wie auch am Dauerbrenner VG Wort. Wo bleiben denn nun – hallo November-Blues – die Nachzahlungen aus den zurückgehaltenen Ausschüttungen? Eine Anfrage bei der VG Wort wurde wie folgt beantwortet: „Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der VG WORT am 26. November 2016 wurde ein Beschluss zur Neuverteilung der von Verlagen zurückgeforderten Summen für den Zeitraum von 2012 bis 2015 sowie zu Nachausschüttungen für das Jahr 2016 gefasst. Dieser ,Korrektur-Verteilungsplan’ sieht vor, dass die Nachzahlungen an die Autoren im Wege einer periodengenauen Zuschlagsverrechnung auf die in den betreffenden Jahren bereits ausgeschütteten Beträge schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2017 erfolgen sollen. Derzeit ist mit dieser Ausschüttung im Dezember zu rechnen, eine genauere Angabe zum Zahlungszeitpunkt ist leider noch nicht möglich. Eine gesonderte Antragstellung ist jedenfalls nicht erforderlich.“ Und hier lässt sich das Börsenverein-Merkblatt für Verlage herunterladen. Darin geht es um Infos, wie Verlage ab 2018 wieder an Ausschüttungen beteiligt werden können, falls die Urheber das wollen. Doch nur mit vorheriger Zustimmung der Autoren, die die VG Wort von ihnen einholen muss.
Vielleicht erinnern Sie sich: Im April haben wir der Süddeutschen Zeitung unseren Hölle-Preis verliehen. Warum? Seit Jahresanfang gibt die SZ Texte ihrer freien Autorinnen und Autoren an den Schweizer Tagesanzeiger weiter, ohne die Autoren dafür zusätzlich zu honorieren. Damit werden freie Autoren schlichtweg enteignet. Die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung verweigert sich bis heute einem Gespräch über die Arbeitsbedingungen ihrer freien Autorinnen und Autoren. In der Zwischenzeit haben wir der Süddeutschen Zeitung ihren Hölle-Preis persönlich nach München getragen. Wieder sah man sich an der Hultschiner Straße zu einem Gespräch außer Stande. Wir bedauern das. Und wir fänden es mehr als angemessen und geboten, mit dem gleichen moralischen Maßstab auf die eigenen Autorenverträge zu schauen, mit dem die Redaktion aktuell völlig zu recht die „nicht illegalen, aber unmoralischen“ Steuervermeidungsstrategien großer Konzerne in den #ParadisePapers anprangert.
Lob und Preis
Es gibt einen „Journalistenpreis Humanitäre Hilfe“ für Journalistinnen und Journalisten zwischen 21 und 35 Jahren. Bis zum 18. Dezember 2017 können sie sich auf Reisestipendien für die Entwicklung von digitalen Geschichten zu humanitärer Hilfe bewerben. Bis zum 15. Dezember läuft die Bewerbungsfrist für den European Press Prize. Und ganz ohne Einsendeschluss kommt ein honoriges Angebot von der „Republik“ aus der Schweiz – Sie erinnern sich: das Crowdfunding-Wunder des Teams um Constantin Seibt. Das honorige Angebot nennt sich „Fonds für grosse Recherchen, grosse Geschichten und grosse Ideen“ und ist eine Einladung, „beste Geschichten bei uns zu erzählen“. Eine Viertelmillion Franken tun die Schweizer dafür raus. Das ist ein Wort. Wir können nur jeden ermutigen, sich zu bewerben.
Die diesjährigen Holtzbrinck-Preise für Wissenschaftsjournalismus gingen allesamt an freie Journalisten. Wir gratulieren aufs Freudigste den freien Kolleginnen und Kollegen Anke Sparmann, Alexander Lahl, Max Mönch und Theodor Schaarschmidt. Außerdem schicken wir einen herzlichen Glückwunsch an die Riffreporter: Am Wochenende ist das Team (zu den Gründern gehören auch die Freischreiber Tanja Krämer und Uwe H. Martin) auf dem VOCER Innovation Day in Hamburg mit dem Netzwende-Award ausgezeichnet worden.
Wir brauchen regenerative Energie im Journalismus. Hier ist ein Modell: @riffreporter sind die Preisträger des #Netzwende Award 2017 von VOCER. Warum die Jury sie ausgewählt hat, erfahrt ihr im Video. #VID17 https://t.co/qfT38KcGIS
— VOCER (@VoiceOfVocer) 11. November 2017
Termine
Der freie Journalist Michael Obert (Reporter-Akademie in Berlin) lädt zum Werkstattgespräch in Berlin ein, und zwar schon ganz bald: am 20. November ab 18.30 Uhr. Es geht um lebensgefährliche Reportagen, organisierten Menschenhandel und die Flüchtlingspolitik der EU. Über Oberts Reise nach Libyen und wie man sich als Reporter in Krisenregionen bewegt. Eine Kooperation mit Amnesty International und den RiffReportern im Foyer des Amnesty-Hauses, Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin. Anmeldung unter info@reporter-akademie-berlin.de.
Am selben Tag findet auch die Konferenz der Initiative Urheberrecht in Berlin statt, von 9.45 Uhr bis 18 Uhr. Lässt sich also beides gut verbinden.
Heißt zwar „Wissenswerte Bremen“, findet aber vom 4.-6.Dezember 2017 in Darmstadt statt. Und da gibt es am 5. Dezember eine satirische Lesung von Leserbriefen, die direkt aus der Hölle kommen: „The Lügenpresse strikes back“, moderiert von Freischreiber Achim Himmelrath.
Lesestücke
Und jetzt haben wir doch noch was Ruhiges zum Ausklang, vier Lesestücke, die wir Ihnen ans Herz legen möchten: Stichwort November-Blues: Was verdient man denn so, wenn man ein Buch schreibt? Der Autor Patrick Spät schont seine Leser nicht. Wer es trotzdem nicht lassen mag: Hier gibt es Tipps für den ersten Verlags-Vertrag. Das dritte Lesestück kommt aus der Schweiz und handelt von der Scham des Mäzens. Zu guter Letzt und so wuchtig wie die BurAGENDA-2017 ist auch diese Reportage in der aktuellen Chrismon über eine Lokalredaktion, die sich auswächst zu einer wahren Hymne auf den Lokaljournalismus. Lustigerweise wird mit keinem Wort erwähnt, was die Leute verdienen, die in der Regel als Freie im Lokalen unterwegs sind: nämlich Zeilensätze um die 30 Cent. Und weniger. Womit wir wieder am Anfang dieses Newsletters wären.
Bis bald,
Ihre :Freischreiber