Visdp – Entgegnung auf die Entgegnung
Auf den Mainzer Medientagen hat Freischreiber-Mitglied Tom Schimmeck eine Rede gehalten, auf die bei Visdp eine Entgegnung erschienen ist. Dies ist eine Entgegnung auf die Entgegnung von Kai Schächtele: Lieber Hajo Schumacher, wenn sich zwei Jungs auf dem Schulhof prügeln, soll man sie ja eigentlich nicht einmischen. Nach Lektüre Deiner Entgegnung auf Tom Schimmecks Rede glaube ich allerdings, dass es sinnvoll wäre, die Prügelei kurz zu unterbrechen, um ein paar Schritte aus dem Schulhof zu tun. Wenn Du mir also bitte folgen willst. Du schreibst: „Eine Internet-Präsenz als Experte, egal für was, bietet Journalisten heute neue Chancen auf ein seriöses Erlösmodell.“ Und Du führst die von mir sehr geschätzten Kollegen Niggemeier, Gehrs und Fischer als Beispiele für diejenigen an, die etwas gewagt und etwas erreicht haben, ohne sich lange mit den Zuständen in unserer Branche aufzuhalten. Und ich wäre der erste, der Dir laut zujubeln würde, wenn es allein um ein flammendes Plädoyer für mehr Mut gegangen wäre. Wenn Du mit Deiner Entgegnung aber einen konkreten Weg in die Zukunft aufzeigen willst, dann musst Du auch die Kehrseite erwähnen. Und die sieht im Moment so aus: Kein Blog in Deutschland, auch nicht der BILDblog, wirft so viel Geld ab, dass davon jemand leben könnte. Auch dummy, so gut es gemacht ist, bringt nicht genug Geld ein, als dass damit jemand seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, die dummy-Honorare gehen kaum über eine Aufwandsentschädigung hinaus. Das liegt nicht daran, dass Oliver Gehrs oder Stefan Niggemeier versagt hätten, sondern allein daran, dass im Moment schlicht nicht mehr herauszuholen ist. Gabriele Fischer spielt mit brand eins in einer anderen Liga, aber sie mit einem freien Journalisten in einen Topf zu werfen, der sich eine „Internet-Präsenz“ (das Wort habe ich ewig nicht mehr gehört) zusammenbasteln soll, ist so seriös, als würde man einem noch so begabten Straßenkicker sagen: Du, trommel ein paar Jungs zusammen, die so gut sind wie du, und dann gründet ihr einen Bundesligaverein. Versteh mich nicht falsch, ich bin ja selbst der Meinung, dass gerade die Freien gerade jetzt voranschreiten müssen mit Kreativität, Mut und Leidenschaft. Aber das ist heute die Realität: Ich habe mich mit einem Kollegen in Slide-Reportagen gestürzt, weil wir sie für eines der Erzählmedien im Internet halten. Dabei ist unter anderem die hier entstanden: Warum St. Pauli? Wir haben sie ins Netz gestellt und den Link an jeden verschickt, den wir kennen, unter anderem an das Portal einer großen Wochenzeitung, das in der Öffentlichkeit gerade ordentlich auf die Trommel haut für seine Qualitätsinhalte im Internet. Der verantwortliche Redakteur schrieb zurück: Schöne Geschichte, wieviel müssten wir dafür bezahlen? Ich habe ihm geantwortet: Wir hätten gern 600 Euro, das ist ein Freundschaftspreis, weil wir das Ding gern bei Euch laufen sähen. 600 Euro! Das ist ein Witz, gemessen an der Arbeit, die wir reingesteckt haben. Zwei Jungs sind auf eigene Kosten nach Hamburg gefahren, waren einen Nachmittag lang im Stadion und haben danach je einen Tag daran gearbeitet, der eine am Ton, der andere an den Fotos. Und nochmal einen Tag hat es gedauert, bis das Ding fertig war. Und weißt Du was? Ich habe auf diese Email keine Antwort mehr bekommen, wohl, weil die Verlage für so etwas im Moment nicht mehr bezahlen wollen als, sagen wir, zweihundert Euro. Und genau darum ging es in Schimmecks Rede: die Bigotterie der Verlage anzuprangern, die in der Öffentlichkeit so tun, als seien allein sie die Garanten für Qualität, die sie aber nicht mehr zu bezahlen bereit sind. Hast Du den Gastbeitrag von Keese in der FTD gelesen? Christoph Keese glaubt, dass Verlage für ihre Inhalte im Netz Geld verlangen können, wenn sie „hochwertige, objektiv recherchierte Informationen statt Massenware“ anbieten. Subjektivierte Themen bringen nichts, da das Netz schon jetzt davon voll ist und „dieser Ich-Kult so nahrhaft wie Zuckerwatte“. Und jetzt schau Dir mal bitte die hochwertigen Inhalte auf den Springer-Seiten an, die ein gutes Beispiel dafür sind, was unten herauskommt, wenn man oben kein Geld reinsteckt. Und wo wir gerade bei Springer sind: In dieser Woche hat Matthias Döpfner verkündet, ein kerngesundes Unternehmen mit einer Toprendite anzuführen. Gleichzeitig hat Springer angekündigt, die Honorare der Freien ab 2010 zum Teil um 25 Prozent zu kürzen. Um ein Viertel, von heute auf morgen. Natürlich haben Verleger die Freiheit, das zu tun. Aber dann muss man auch den Finger in diese Wunde legen. Wie man einen solchen Beitrag dann vergleichen kann mit der Angst der Journalistenverbände vor der Einführung des Computers, das ist mir wirklich ein Rätsel. Wie denken denn die anderen über diese Debatte? Die Diskussion sei eröffnet.