Faire Rechte
29. März 2012

Sehr witzig, Herr Steingart!

Kaum wurde neulich bekannt, dass das Leistungsschutzrecht nach dem Willen der Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden soll, dankte der Chefredakteur des Handelsblatts Gabor Steingart der Konkurrenz von Springer, die dieses Recht fast im Alleingang durchgesetzt habe. Ja, er wollte Döpfner im Namen aller Verlage dafür sogar einen Extra-Obulus überweisen. Bei den eigenen Autoren ist Steingart weniger großzügig und möchte ihnen selbst Rechte abschwatzen, die ihnen eigentlich zustehen. Beim Urheberrechtsexperten und Freischreiber-Mitglied Matthias Spielkamp ist er da an den Richtigen gekommen. Spielkamp hatte neulich im Handelsblatt auf einen Text von Christoph Keese geantwortet, in dem der Außenminister des Springer-Verlags einmal mehr das Leistungsschutzrecht gepriesen hatte. Keese verschweige, schrieb Spielkamp, „dass sein Arbeitgeber, der Axel-Springer-Verlag, seinen freien Journalisten Geschäftsbedingungen diktieren will, die ihnen mehr Rechte abnötigen, als das Gesetz erlaubt. Nach Klagen der Journalistengewerkschaften DJV und DJU hat Springer (…) den Kürzeren gezogen, versucht aber weiterhin, die freien Journalisten, die ein Verlag doch eigentlich als Partner betrachten sollte, mit seiner Verhandlungsmacht zu nötigen, so viele Rechte abzutreten, wie er kriegen kann.“ Nicht nur Springer. Denn nun hat Handelsblatt-Autor Spielkamp Post vom Verlag bekommen. In dem Formschreiben, das offenbar jeder Erstautor erhält und das von Chefredakteur Gabor Steingart unterzeichnet ist, macht der Verlag den Autor darauf aufmerksam, dass er seine Rechte an dem Text in vollem Umfang an den Verlag abzutreten habe. „Im Hinblick auf die multimediale Nutzung aller Beiträge erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass seit jeher mit jeder Honorarzahlung die Einräumung und Nutzung des Printmedien-, des Multimedia-, des Datenbank-, sowie des Werberechts zur ausschließlichen, zeitlich, räumlich und inhaltlichen unbeschränkten Nutzung an allen bekannten, körperlichen und unkörperlichen Nutzungsarten abgegolten wird.“ Sehr witzig Herr Steingart: Buy-Out-Konditionen für einen Beitrag, der die Buy-Out-Praxis geißelt. So viel Ironie hätte man dem Handelsblatt nicht unbedingt zugetraut. Spielkamp konnte darüber nicht lachen und hat Steingart heute einen Antwortbrief geschrieben, der sich – falls ein Brief das kann – gewaschen hat. Darin erinnert er den Handelsblatt-Chef nicht nur an die Aufgaben eines Chefredakteurs, sich für die Rechte seiner Journalisten – ob fest oder frei – einzusetzen, statt ihnen gegenüber fragwürdige Verlagsinteressen durchzusetzen. Im übrigen, schreibt Spielkamp, halte er die Behauptung für falsch, dass „seit jeher“ mit jeder Honorarzahlung alle diese Rechte ausschließlich an den Verlag abgetreten wurden. Spielkamp: „Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass das eine dreiste Lüge ist, denn Sie bzw. Ihr Justiziariat (müssten) wissen, dass das nicht so ist. Die Begründung dafür spare ich mir an dieser Stelle, das können Sie sich bei Bedarf sicher von Ihrer Rechtsabteilung erläutern lassen.“ Wir schließen uns dieser Einschätzung an und sind gespannt auf Steingarts Antwort. Vielleicht fordert er jetzt eine Leistungsschutzabgabe für die Veröffentlichung seines Briefs auf Spielkamps Blog?


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