Paten für Fairness: Christian Sauer über das Briefing
Freischreiber Code-of-Fairness, Regel Nr. 1: „Das bedeutet für unsere Redaktion, dass wir Aufträge schriftlich bestätigen durch Nennung des Themas, des Umfangs der Arbeit sowie durch Abgabetermin und Honorarvereinbarung.“ Von Christian Sauer „Alles klar, dann machen Sie mal.“ Ein Redakteur, der ein Briefing-Telefonat mit einem freien Kollegen so abschließt, lebt gefährlich. Könnte nämlich sein, dass gar nichts klar ist. Sicher, man hat über das Thema gesprochen, auch über einen Termin und ein Honorar. Aber schon bei der Themendiskussion hat vor allem der Redakteur geredet: was seine Redaktion sich alles wünscht, wie der Beitrag diesen ganz besonderen Dreh kriegen soll – und der freie Journalist am anderen Ende der Leitung hat im wesentlichen „ja“, „okay“ und „verstehe“ dazu gesagt. Zur Länge hieß es, der Text solle „so circa 8000 Zeichen“ haben. Und als Abgabetermin haben die beiden „um den 15. rum“ vereinbart. Beim Honorar gab es noch eine Rückfrage mit dem Ressortleiter zu klären. Na dann ist ja nun wirklich alles klar. Nein, so absurd geht es natürlich in der Realität nicht zu, denkt man. Dachte ich auch, bis ich anfing die Geschichten zu sammeln, die mir in Seminaren und Coachings erzählt werden – übrigens von beiden Seiten, also von Redakteuren und von Freien. Das Briefing-Chaos existiert wirklich. Über die Gründe kann man spekulieren: Finden die beiden sich zu gut oder zu blöd für klare Absprachen, ist einer von beiden neu im Job oder zu schüchtern oder sonst wie indisponiert? Egal, es passiert dauernd. Dabei schadet ein schlechtes Briefing immer beiden Seiten. Die Redaktion kriegt nicht, was Sie will, und dann holpert es im Produktionsprozess. Der Freie ärgert sich schwarz über die Unprofessionalität der Redaktionen und fällt in Ungnade, weil er der Schwächere und folglich schuld ist. Also noch mal von vorn: Was gehört zu einem professionellen Briefing? Erstens, dass beide Seiten reden. Miteinander. Redakteuren steht diese Äußerung gut an: „Sagen Sie mir bitte mit eigenen Worten, wie Sie den Auftrag verstehen.“ Freie können ebenfalls den Anfang machen: „Ich sage Ihnen mal, wie ich den Auftrag jetzt verstanden habe.“ Paraphrasieren nennt man das. Ein einfaches, sehr wirkungsvolles Hilfsmittel, das Missverständnisse frühzeitig aufdeckt. Zweitens gehört zum Briefing dazu, dass Termine präzise benannt werden. Also mit Datum und Uhrzeit. Dann weiß der Redakteur, ab wann er sich ärgern darf, und der Freie, dass mit „am 15.“ nicht gemeint ist „am 15. um 23.50 Uhr“. Drittens gehört dazu, dass der Freie erst anfängt zu arbeiten, wenn das Honorar geklärt ist. Alles andere ist Kokolores. Viertens gehört dazu, dass die geplante Länge genau benannt wird und zwar ausdrücklich in der üblichen Währung „Zeichen inkl. Leerzeichen“. Diese Zahl ist dann ein Fixpunkt im Schreibprozess, der schon genug Unwägbarkeiten und Durcheinander mit sich bringt. Abweichungen von der magischen Zahl sind bei größeren und besonderen Stücken denkbar, manchmal sogar sinnvoll. Aber ohne die magische Zahl schießen die Phantasien ins Kraut. Fünftens muss das alles aufgeschrieben werden. Am einfachsten stichwortartig in einer Mail, die einer der beiden dem anderen nach dem Briefing zuschickt. Worauf der andere sie ebenso formlos bestätigt, wenn alles stimmt. Es ist gute Übung, dass der Redakteur diese Mail formuliert. Er erkennt damit an, dass ein freier Kollege jetzt ziemlich viel Zeit – zwischen ein paar Stunden und einigen Tagen oder Wochen – investieren wird, um ihm zuzuarbeiten. Der Redakteur zeigt, dass ihm klare Absprachen wichtig sind und dass er etwas Wesentliches begriffen hat: Kreative Höchstleistungen entstehen nur, wenn der Freie sich sicher über die Rahmenbedingungen sein kann. Und wenn er durch anständige Behandlung einen Hauch von Wertschätzung erfährt. Ein paar Zeilen also, die eine Menge bewirken. Christian Sauer ist Journalist, Führungskräftecoach und Redaktionsberater in Hamburg. Er arbeitet als Dozent zu den Schwerpunkten Textqualität und Redaktionsmanagement, u.a. an der Akademie für Publizistik in Hamburg, der ABZV in Bonn und in der internen Weiterbildung von Verlagen. Er coacht Medienmenschen vom freien Journalisten bis zum Chefredakteur. www.christian-sauer.net