Nordkurier doch nicht so schlimm
Am 8. Mai sorgte ein Artikel auf der Medienseite der Süddeutschen Zeitung für einige Bestürzung nicht nur in der Szene freier Journalisten: Der Nordkurier, eine Regionalzeitung aus Neubrandenburg, habe unter ihrem Geschäftsführer Lutz Schumacher ein neues Honorarmodell für ihre freien Mitarbeiter entwickelt. Sie sollten sich in Zukunft in einer verlagseigenen Online-Börse registrieren, um bei der Vergabe von Aufträgen mitbieten zu können. Wie das so ist in dieser Art von Börsen: Das niedrigste Angebot würde, so schien es, den Zuschlag bekommen. Außerdem bekomme nur einen Auftrag, wer sämtliche Rechte an Texten und Bildern abtritt und sogar die Negative seiner Fotos an den Verlag schickt, schrieb die SZ. Das klang nach einem brutalen Wettbewerb freier Journalisten im östlichen Mecklenburg-Vorpommern. Auch wir waren geneigt, der SZ als Deutschlands führender Qualitätszeitung Glauben zu schenken, und verfassten hier einen – wie wir fanden – recht bissigen Kommentar zu der Unterbietungsbörse. Dass wir Schumacher, der für Hau-Ruck-Aktionen in Redaktionen bekannt ist, diese Maßnahme zugetraut hätten, wollen wir jetzt mal nicht verschweigen. Aber: Wir – und einige andere – waren zu früh aufgebracht, denn in einem Mail-Wechsel mit Schumacher und später auch als Kommentar auf unserer Seite stellte er einiges ganz anders dar. Schumachers Kommentar bei uns lautete so: „Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als geistiger Urheber des von Ihnen und einigen anderen gebrandmarkten Onlineportals für freie Mitarbeiter möchte ich einige Fakten in die Debatte werfen. Richtig ist: Wir haben seit Anfang April eine Internet-Börse für die Beauftragung freier Mitarbeiter. gleichzeitig haben wir mit allen Mitarbeitern neue Verträge über die Verwertungsrechte geschlossen. Vorher hatten wir nur mit einem Teil unserer rund 2.000 Freien Verträge, die allerdings auch vergleichbare Formulierungen enthielten. die Debatte hat sich vor allem an der Falschmeldung hochgezogen, wir würden eine Art Freien-Ebay veranstalten und unsere Aufträge an den jeweils günstigsten Anbieter vergeben. Tatsache ist: Es gibt beim Kurierverlag eine Honorarordnung für freie Mitarbeiter mit festen Sätzen für Texte und Bilder. Es ist für die freien Mitarbeiter gar nicht möglich, sich gegenseitig zu unterbieten. Die Honorare stehen fest. Ausgehandelt werden können wie in den meisten deutschen Verlagen Tagespauschalen und Sonderhonorare. Das war aber auch vor der Einführung des Tools so. In der seit April gestarteten Online-Börse werden Termine und Themen ausgeschrieben. Dies führt zu einer größeren Transparenz für die freien Mitarbeiter, erweitert ihre Möglichkeiten, eigene Beiträge anzubieten und schafft mehr Themenanregungen. Einsparungen bei den Honorarhöhen sind explizit nicht vorgesehen. Der Honoraretat bleibt auch unangetastet, was in einer wirtschaftlich sehr schwachen Region wie der unseren schon ein Wert an sich ist. Der zweite Kritikpunkt ist, dass der Nordkurier das unbeschränkte Nutzungsrecht an den Leistungen der freien Mitarbeiter beanspruche. Der Urheber dieser Behauptung, der Deutsche Journalisten Verband DJV verschweigt jedoch, dass keine Terminexklusivität vereinbart wird. Damit stellt sich die Zweitverwertung in ganz anderem Licht dar. Texte und Fotos, die wir bestellen und bezahlen, werden von uns auch wirtschaftlich ausgewertet. Aber: Ein etwas anders formulierter Text, ein wenige Sekunden später gemachtes Foto des gleichen Motivs kann jederzeit am freien Markt angeboten und verkauft werden. Mit freundlichen Grüßen Lutz Schumacher Vorsitzender der Geschäftsführung Kurierverlags GmbH & Co. KG“ Es gibt also tatsächlich eine Börse, über die Aufträge an freie Mitarbeiter vergeben werden, aber der Honorarsatz steht vorher fest. Und mit dem Erwerb der Nutzungsrechte verhält es sich demnach auch anders. Nun ja, wir müssen unser Bild vom Nordkurier, den mancher von uns zuvor gar nicht kannte, also korrigieren – und den usrsprünglichen Beitrag auch, was hiermit geschehen sei, inklusive der Kommentare, die zum Teil heftig und voller Sarkasmus auf das reagiert hatten, was die SZ über den Nordkurier verbreitet hatte. Offen bleibt allerdings, wie hoch die Honorarsätze des Nordkuriers sind – und ob die Freien sich dort überhaupt hätten unterbieten können. Schumacher wollte uns das nicht verraten. Gegenüber der SZ sagte er aber, der Honorartopf in Höhe von 1 Million Euro pro Jahr werde durch die neue Honorarordnung nicht angetastet. Gleichzeitig spricht er von 2000 freien Mitarbeitern! 1 Million geteilt durch 2000 ergibt 500 Euro Jahres(!)-Einkommen pro Mitarbeiter. Das sind 2 Euro pro Arbeitstag. Man kann den Freien im Nordosten nur raten, dass sie ihre eigene Online-Regionalzeitung aufmachen sollten. Lutz Schumacher schrieb uns dann auch noch von einem Wunsch. Der geht aber nur unsere Mitglieder etwas an, sie finden ihn hier.