Es ist ZEIT zu widersprechen II
ZEIT weitreichende Nutzungsrechte übertragen sollen: Für ein einmaliges Honorar und – das ist besonders empörend – rückwirkend für alle jemals gelieferten Artikel, ohne Nachzahlung. So begrüßenswert es ist, wenn sich Verlage Gedanken um die Geschäftsmodelle der Zukunft machen, so klar ist auch, dass das nicht auf dem Rücken der Urheber geschehen darf. Die Urheber zu enteignen und mit ihren Werken in Zukunft allein Kasse machen zu wollen, ist kein Geschäftsmodell, sondern eine Zumutung. Das haben inzwischen auch Gerichte festgestellt: Ähnliche Klauseln, wie sie jetzt DIE ZEIT verwendet, wurden dem Springer-Verlag sowie dem Bauer-Verlag gerichtlich untersagt. Wer die Verträge der ZEIT ohne Veränderungen unterschreibt, lässt sich faktisch enteignen. Angesichts der von der ZEIT bisher gezahlten niedrigen Honorare kann eine so weitgehende Übertragung von Nutzungsrechten nicht fair sein – und schon gar nicht rückwirkend ohne jede Nachhonorierung. Es ist also ZEIT, zu widersprechen. Deshalb haben wir für alle Autoren der ZEIT, die sich fragen, was sie mit den Verträgen tun und worüber sie eventuell mit der Redaktion verhandeln sollten, die wesentlichen Fallstricke heraus gearbeitet. Die Numerierung entspricht den im Vertrag farbig unterlegten Passagen. 1. Vergangenheit und Zukunft Habt Ihr wirklich noch nie einen Text, den Ihr an DIE ZEIT verkauft habt, an andere Redaktionen weiter verkauft? Wenn man Rechte auch für die Vergangenheit einräumt, kann man sich selber in rechtliche Schwierigkeiten bringen und sich selbst einer Urheberrechtsverletzung schuldig machen. Aber vor allem: Warum sollte man jetzt plötzlich ohne finanzielle Gegenleistung zusätzliche Rechte für Texte aus der Vergangenheit einräumen, die zukünftig offenbar noch einmal genutzt werden sollen? 2. Alle Nutzungen sind „abschließend abgegolten“ DIE ZEIT möchte von den Autoren eine Flatrate haben: Einmal zahlen, unendlich oft nutzen. Es soll nicht überprüft werden, ob das Honorar später noch mal nachgebessert werden muss, wenn eine Nutzung erfolgt, die weit über den ursprünglichen Honorarumfang hinausgeht. Das ist für den Verlag praktisch, weil er nun alle Texte in iPad-Apps oder was da sonst noch an möglichen Nutzungsvarianten kommen mag schaufeln kann, ohne dass er prüfen muss, ob und in welchem Maße er seine Autoren an eventuellen Erlösen beteiligen muss. Wäre ja auch viel Arbeit. Wenn über die Verträge verhandelt wird, ist dies aber eine Klausel, die man notfalls unterschreiben kann. Denn der Gesetzgeber sieht eine „angemessene Vergütung“ vor, die der Autor auch nachträglich verlangen kann. Sollte der Verlag also mit einem Text tatsächlich einen außergewöhnlich hohen Gewinn erzielen, wäre die einmalige Zahlung unangemessen und das Gesetz geht vor. Das Problem: Wer traut sich schon, für eine Nachforderung von beispielsweise 200 Euro gegen seinen Auftraggeber zu klagen? Bevor aber nun jemand losrennt und denkt: „Die verklage ich, die stellen meine Texte auch online“, bitte Folgendes bedenken: Bei der Frage, ob DIE ZEIT Texte weiterhin oder jetzt erst recht online nutzen darf oder ob sie das schon vorher durfte, ist entscheidend, ob Ihr der Nutzung im Netz jemals widersprochen habt. Wenn man in der Vergangenheit von der Nutzung von Texten für den Onlineauftritt der ZEIT Kenntnis hatte und nicht widersprochen hat, werden auch die Gerichte davon ausgehen, dass diese spezielle Nutzung genehmigt ist. „bei Ablieferung des Beitrags“ DIE ZEIT zahlt bislang nicht bei Ablieferung des Beitrags, sondern in der Regel nach Anstrich, also erst, wenn der Artikel erschienen ist. Es wird interessant sein zu beobachten, ob sich diese Praxis nun ändert. 3. „sämtliche urheberrechtliche Nutzungsrechte“ Alle Nutzungsrechte einzuräumen, ist grundsätzlich nicht schlimm – aber nur dann, wenn man für die Nutzungen auch angemessen bezahlt wird. Die Einräumung sämtlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte bedeutet, dass man selbst diese Rechte trotzdem weiterhin auch selbst ausüben kann. Anders wäre es, wenn man die Rechte exklusiv einräumt. Aber: Zahlt Euch DIE ZEIT jetzt, nachdem die neuen Verträge gelten, wirklich mehr? Wenn nicht, muss zur Sprache kommen, dass man nicht mehr Rechte einfordern, aber auf die angemessene Vergütung verzichten kann. 4. „für die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist“ Die „gesetzliche Schutzfrist“ ist die längste Schutzfrist, die es gibt: Sie endet erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Das ist nur dann nicht schlimm, wenn man dafür entsprechend vergütet wird. 5. „für die Dauer eines Jahres [ …] zur ausschließlichen und weltweiten Nutzung“ Diese Klausel ist ganz entscheidend: DIE ZEIT will die Rechte für ein Jahr exklusiv. Das heißt, dass der Autor in dieser Zeit den Text selber nicht weiterverwerten darf. Während einige ZEIT -Autoren bisher ohne zeitliche Beschränkung Texte an Wochenzeitungen in der Schweiz oder Österreich weiterverkaufen konnten, geht das mit dieser Klausel erst nach einem Jahr. Vielleicht lässt sich DIE ZEIT darauf ein, dass stattdessen ein Erstabdrucksrecht vereinbart wird. Oder man sollte darauf drängen, dass das Honorar wegen dieser Klausel erhöht wird. 6. „in beliebiger Stückzahl und Auflage“ Mit dieser Klausel ist es völlig beliebig, in welcher Zahl und wie oft DIE ZEIT ein Stück abdruckt: Egal, ob der Artikel ein oder zwanzig Mal gedruckt wird, das Honorar bleibt erst einmal gleich. Ob die Angemessenheit zum gezahlten Honorar gewahrt bleibt, kann ein gerichtlicher Streitfall werden. 7. „insbesondere in DIE ZEIT, ZEIT MAGAZIN …“ Die Verlags-Juristen lernen dazu. Während in früheren Verträgen eine globale Abtretung vorgenommen wurde, wird DIE ZEIT hier konkreter, was sie meint. So läuft der Verlag nicht Gefahr, dass mal ein Gericht sagt: So in Bausch und Bogen ist die Abtretung der Rechte gar nicht möglich. 8. „an Dritte lizenzierte Veröffentlichungen“ Das heißt nichts anderes, als dass der ZEIT -Verlag als Agentur tätig wird und die Texte weiterverhökert. Wenn man diese Klausel unterschreibt, gestattet man der ZEIT dies, ohne dass man am Erlös beteiligt wird. Das ist mit die gefährlichste Klausel in den neuen Verträgen. Denn damit würde man sein eigenes Geschäft in Sachen Mehrfachverwertung torpedieren: DIE ZEIT kann einem Autor dann mit seinen eigenen Texten Konkurrenz machen. 9. „in allen unbekannten Nutzungsarten“ Ein nachvollziehbarer Wunsch des Verlags, sich gleich einmal die Rechte für bisher noch nicht bekannte Nutzungsarten zu sichern. Könnte ja sein, dass sich ganz neue Möglichkeiten auftun, Texte zu nutzen. Aber nach einer neuen gesetzlichen Regelung muss ein Autor eigentlich angeschrieben werden, wenn sein Werk auf solchen neuen Wegen verbreitet werden soll, und der Verlag muss sich mit ihm einigen. 10. „auf Dritte zu übertragen oder durch Dritte ausüben zu lassen“ Diese Klausel ist noch weitgehender als das Lizenzieren an Dritte. Nun gibt der ZEIT -Verlag alle Rechte weiter an einen Dritten, der damit machen kann was er will. Und man erfährt im Zweifel noch nicht einmal etwas davon. Anders ausgedrückt: Mit dieser Klausel ist alles weg. Man muss unbedingt einen Zusatz in den Vertrag aufnehmen wie: „Drittnutzungen bedürfen der Zustimmung des Autors.“ Und um das rechtlich noch eindeutiger zu machen, sollte man die entsprechenden vorherigen ungünstigen Formulierungen streichen bzw. abändern. 11. „(1) Multimedia- und Datenbankrecht“ Hier ist noch mal spezifiziert, welche Rechte genau dazugehören. Das kann wichtig sein, wenn ein Autor beispielsweise für die Nutzung seiner Texte als E-Book einen Exklusivvertrag mit einem anderen Verlag gemacht hat. Dann müsste diese Klausel gestrichen werden. Unsere Einschätzung: Insgesamt ist der Vertrag in dieser Form völlig inakzeptabel. Vergleichbare Klauseln haben Gerichte unter anderem in Verfahren gegen die Verlage Springer und Bauer als unrechtmäßig eingeschätzt. Es ist nicht einzusehen, warum sie beim ZEIT -Verlag akzeptabel sein sollen. Es gibt allerdings keinen rechtlichen Automatismus: Nur weil der Springer-Verlag bestimmte Klauseln nicht mehr in seine Verträge schreiben darf, kann es DIE ZEIT trotzdem tun. Man müsste also noch einmal gegen diesen Vertrag und diese Klauseln vor Gericht gehen. Das ist teuer, langwierig und nervenaufreibend. Besser ist es, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen und die Verträge, bevor sie in der Fläche akzeptiert worden sind, zu ändern. Unserer Ansicht nach gibt es genau zwei Lösungen: 1. DIE ZEIT legt bei den Honoraren ordentlich drauf, um damit die von ihr geforderte weitreichende Rechte-Abtretung auszugleichen. Denn die neuen Verträge machen ja sowohl Zweitverwertungen durch den Urheber unmöglich oder verbieten sie sogar und beteiligen ihn andererseits auch nicht an zukünftigen Erlösen durch Weiterverwertungen durch den Verlag. 2. Wenn es nicht mehr Geld gibt, müssen die Rechte dem gezahlten Honorar angepasst werden. Das heißt: Alle Klauseln müssen raus, die uns Urheber unangemessen benachteiligen, unser Geschäft kaputt machen und uns Geld vorenthalten, das mit unseren Inhalten verdient wird. Nachtrag v. 22. April: Hier geht’s weiter in der Sache.