[Der Newsletter zum Sonntag]

vom 16.02.2014

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

schwarze Zahlen! Erstaunlich bescheiden verkündete die „Frankfurter Rundschau am Montag „zum ersten mal seit vielen Jahren“ einen operativen Gewinn. „Schwarze Wende“ titelte die „SZ“ freundlich. Hört sich doch auch gut an, so als hätte endlich das finanzkundige Management der „FAZ“, zu der die Rundschau ja jetzt gehört, das Geschäftsmodell gefunden, das passt. Der DJV aber erinnert gleich die „hässliche Seite des Geschäftsmodells“ (zitiert bei kress). Die Zahlen mögen stimmen, doch der Inhalt ist auf der selben Recherchediät wie die Belegschaft: geschrumpft von 450 auf 35 Feste plus 53 Leiharbeiter, darunter die gesamte Lokalredaktion.

Genau… was machen eigentlich all die Freigesetzten von „FR“, „FTD“, „DAPD“? Mit dieser schönen Recherchefrage hat sich Steffi Dobmeier für die Taz aufgemacht. Pesto statt Politik heißt das lesenswerte Ergebnis mit Beispielen von drei Ex-FTDlern: einer verkauft jetzt Feinkost, eine Glücks-Törtchen mit tollen Zitaten aus ihrem Zettelkasten, und der dritte startet nach Umschulung demnächst als Unternehmensberater. Zum Glück haben wir die Freienbibel …

Dies und Das

Eine der euphorischsten Reaktionen auf unser neues Vademecum ist die Rezension von Laura Hennemann auf ihrem Blog „watch-salon“: „Beim DJV hat mich immer wieder ernüchtert, wie stumpf man dort auf die allgemeinen Vergütungsregeln verweist. Dass diese so viel mit den (selbst bei besten Verhandlungskünsten) tatsächlich gezahlten Honoraren zu tun haben wie ein Backofenlämpchen mit einer Stadionbeleuchtung, wird gerne übergangen.“ Lediglich die „Sei froh, das du kein Fester bist und…“-Sprüche fand sie „pietätlos. Vielen Dank. Und für die nächsten Rezensenten, wir vertragen auch Kritik.

Sehr philosophisch dagegen rezensiert Andreas Rosenfelder das neue Buch des britischen Schriftstellers Alain de Button „The News“. Es erscheint demnächst bei „Hamish Hamilton in London. Den Kritiker fasziniert wie Button den Newsroom mit der Aufmerksamkeit eines Museumsbesuchers betritt und einzelne Meldungen so studiert, als wären sie "poetische Verse oder philosophische Sätze". Doch werde sich an der Flüchtigkeit der Nachricht, „die sich anders als das Kunstwerk im Gebrauch auflöst“, nichts ändern. Sie sei der Treibstoff der Gegenwart. „Was bleibt, sollen andere stiften.

Ist ja schon schwierig genug, sie und sich im Tagesgeschäft authentisch zu halten, wie der Zwischenruf von Carmen Epp zeigt. Zum Thema Theorie und Praxis der Journalistenausbildung schreibt sie dass good guys wie Hans Leyendecker und sein dänischer Rundfunkkollege Ulrik Haagerup “ gut fordern haben. Von Jungjournalisten forderten sie mehr „good news“ und weniger Eitelkeit. Höre sich super an, aber was, wenn der Chefredakteur die Richtung vorgibt? Wenn so lange Wahrheiten weggelassen werden, bis sich eine hinreichend griffige, böse Story ergibt? Sie befürchtet Qualitätsjournalismus sei nur noch Privilegierten möglich.

Manche Publizisten ahnen vielleicht nicht, wie sie damit Glaubwürdigkeit und Leser verspielen. Gute Recherche lebt von Kooperation, nicht von Wettbewerb, zeigt der Rechercheverbund von „SZ", „NDR“ und „WDR“. Dessen Leiter Georg Mascolo will nun auch die„ New York Times und den „Guardian ins Boot holen, berichtet „Kress“. Prinzipiell aber ist für Recherche wohl durchaus Geld da. Zum Beispiel in der Tasche von Ebay-Gründer Pierre Omidyar, schreibt die „SZ“. Die NSA-Enthüllungsjournalisten Glenn Greenwald und Laura Poitras starten jetzt mit seinem Geld geht jetzt die schon länger angekündigte Internetseite für Enthüllungsjournalismus „The Intercept“, was etwa abfangen oder abhören bedeutet. Star-Reporter Jeremy Scahill wolle sich zunächst auf Informationen des Whistleblowers Edward Snowden konzentrieren.

Womöglich kriegt der Journalismus dann ja wieder mehr Biss und die Leute ein bisschen mehr Respekt. Wahrscheinlich aber doch nur reflexhafte Beschränkung der Pressefreiheit. Vorletzte Woche jedenfalls wurde heiß darüber diskutiert, warum journalistisch arbeitende Blogger plötzlich keinen Zutritt mehr zum Deutschen Bundestag haben. Auf „netzpolitik.org“ steht, wie die CDU/CSU eine eingeladenen Bloggerin an der Tür abholen musste, um die Wächter zu umgehen. Die kafkaeske Geschichte lässt sich hier nachlesen – und die Geschichte des Presseausweises auf „carta.info“ da. Das Ganze wird nur getoppt von der Nachricht, dass die Pressefreiheit bedroht wird, wenn Zeitungsboten Mindestlohn bekommen sollten.

Österreich

Im Januar rauchten bei der Klausur des Wiener Freien-Stammtischs die Köpfe: Honorare, AGBs, Versicherungen und was Freie sonst noch alles beschäftigt, das waren die Themen. Außerdem laufen die Diskussionen über die Organisation von Freien auf Hochtouren. Wer das nicht verpassen will: Am 19.Februar findet ab 19 Uhr der nächste Stammtisch statt, am 14.März ab 14 Uhr eine weitere halbtägige Klausur. Nähere Infos hier.

Ausgezeichnet

Glückwunsch! Freischreiber, Blogger und „DWL.de“-Autor Peer Schader sowie sein Kollege (und Gründer der „DWDL.de“-Redaktion) wurden mit dem Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet: der mit 5000 Euro dotierte Preis wird von den „Freunden des Adolf-Grimme Preises“ seit 2007 verliehen.

Ach, Pressefreiheit… Wer sie ordentlich nutzt, bekommt meist ordentlich Ärger. Wenn er oder sie noch dazu einen türkischen Namen hat, gerne auch hasserfüllte Leserbriefe. Die krassesten werden jetzt bei „Hate slams“ vorgestellt. Satire pur – der „NDR“ hat schon einen Slam gesendet: hier klicken und gucken – oder hier hingehen, „Hate Poetry“ in Hamburg (18.Februar, 19.30 Uhr 73/ Saal, Schulterblatt 3, Hamburg, „taz-Salon“, Eintritt frei). Eigentlich nicht lustig, aber die verbal Angespuckten reißen an genau der richtigen Stelle das Ventil auf. Wer da nicht lacht….

Eine euphorische Woche!
Ihre Freischreiber

FREISCHREIBER TERMINE

Hamburg

Ein Abend mit Substanz gibt es am 24.Februar um 19.30 Uhr in Hamburg – und zwar im "Oberstübchen", das direkt am Hamburger Fischmarkt über dem Golden Pudel Club liegt. Bei ihrem nächsten Stammtisch befassen sich die dortigen Freischreiber mit der zunehmend wichtiger werdenden Frage: Wie lebt es sich eigentlich als Medienmogul? Auskunft darüber geben Dennis Dilba und Georg Dahm. Die beiden Wissenschaftsjournalisten haben den Untergang der FTD (Georg Dahm), und kurz darauf des New Scientist (beide) miterlebt – und beschlossen sich selbst als Verleger zu versuchen und bereiten gerade via Crowdfunding das Erscheinen des ersten digitalen Wissenschaftsmagazins vor: "Substanz". Wer da zu hören will, möge sich bitte bei Björn Erichsen unter bjoern.erichsen(ät)gmail(dot)com anmelden.

Frankfurt

Am Dienstag, 25. Februar um 19 Uhr findet der nächste Themenabend zum Online-Publishing statt: Einfach selber machen? Lokal-, Stadt- oder Kultur-Magazin Online – was braucht man, was kostet und was bringt das? Diesmal mit zwei Referenten aus den eigenen Reihen: Julian Heck wird seinen Hyperlokalblog vorstellen und Andrea Pollmeier, das Online Kultur-Magazin.
Ort: preiserconsorten – Büro für Qualitätsjournalismus Ostbahnhofstraße 15 60314 Frankfurt am Main
Achtung: Zum Planen wäre es schön, wenn ihr bis spätestens 17.Februar ein kurzes "komme/komme nicht" rückmeldet an Sylvia.Meise(at)t-online.de
Und: Auch (Noch-)Nichtmitglieder sind herzlich eingeladen! Dazu könnt ihr gern diesen Link hier an Freunde oder Bekannte weiter geben.

Berlin

Die Berliner Freischreiber treffen sich das nächste Mal am Mittwoch, 12. März um 19.30 Uhr an Gemmas Wohnzimmertafel. Zu Gast ist diesmal der Arbeitsforscher Prof. Dr. Dr. Ayad Al-Ani mit dem wir über die Zukunft freiberuflicher Arbeit sprechen wollen. Seine These ist,dass Unternehmen immer stärker externe Talente und Fähigkeiten von außen nutzen müssen, um in der globalisierten Wirtschaft zu überleben. Wir wollen deshalb mit ihm diskutieren, was diese Veränderungen der Arbeitswelt für unsere Branche und die Weiterentwicklung des Journalismus bedeutet.Vorstandsmitglied Carola Dorner erzählt außerdem von den jüngsten Freischreiber-Aktivitäten. Anmeldungen an: gemma.poerzgen-at-gmx.net