[Der :Freischreiber-Newsletter]
vom 13.07.2017
Liebe Freischreiberinnen und Freischreiber, liebe Kolleginnen und Kollegen,
erst mal möchten wir ein bisschen Stolz zeigen, weil wir nämlich stolz sind. Denn unsere neue Freischreiber-Vorsitzende Carola Dorner hat es mal eben auf die Titelseite des „medium magazin“ geschafft. Und ist nicht nur Covergirl, sondern gab der Fachzeitschrift ein umfassendes Interview – zur Lage der freien Journalisten und Journalistinnen. Eines ihrer Statements: „Wir müssen uns mit Verträgen beschäftigen, die zum Teil immer unverschämter werden.“ Weshalb wir Freischreiber „perspektivisch auch an das Thema Mindesthonorare rangehen werden“. Und sie rechnet vor, was freie Journalisten auf eben dem freien Markt bezahlt bekommen müssten, sollen sie wie ihre festangestellten Kollegen die ihnen übertragene Arbeit vernünftig erledigen: 461,50 Euro Tagessatz oder 57,40 Euro Stundensatz. Schließlich müssten Freie Kranken- und Urlaubsgeld mitverdienen und zahlreiche Ausgaben selbst tragen. Fazit: „Man muss sich als Redaktion schon entscheiden, ob man einen Experten von außen nimmt – und das sollten die Freien ja sein – oder einen Tagelöhner, den man im Grunde genommen enteignet.“
Wir wünschen inspirierende Lektüre! Übrigens: Freischreiber-Mitglieder bekommen einen Rabatt auf das MediumMagazin-Abo. Und Mitglied bei uns Freischreibern kann man übrigens ganz einfach hier werden.
Und jetzt zu einem anderen Dauerbrenner – der VG Wort!
Denn viele entdeckten in diesen Tagen auf ihren Konten Überweisungen von der VG Wort: Hurra, die Tantiemen sind da! Aber Moment mal, da war doch was mit den Anteilen an Verlagen, einem neuen Verteilungsplan und freiwilligen Abtretungen? Und jetzt übernimmt kurz Henry Steinhau, einer von Freischreibers VG-Wort-Experten:
„Ja, genau, wir hatten darüber in der Vergangenheit nicht nur immer wieder informiert, sondern uns auch hartnäckig eingesetzt, dass – dem Vogel-Urteil des Bundesgerichtshofs entsprechend – die Verteilungspraxis der VG Wort geändert wird. Das hatte sie bei ihrer jüngsten Mitgliederversammlung in München dann auch beschlossen. Und was nun passiert ist und noch passieren wird, hier einmal kurz zusammengefasst (so weit man sich bei der VG Wort kurz fassen kann …): Die Hauptausschüttung für 2016, die es nun gab, ist zunächst „nur“ ein Abschlag der jährlichen Hauptausschüttung an alle Wahrnehmungsberechtigten für alle in 2016 gemeldeten Beiträge. Berechnet ist der Betrag allerdings noch nach dem alten Verteilungsplan, und ist daher als „Abschlag“ zu sehen. Denn der alte Verteilungsplan sah vor, dass Verlage mal 50 Prozent, mal 30 Prozent der Urheber-Tantiemen abbekamen. Dies ist zwar revidiert, aber nach einer Gesetzesänderung und mittels einer Übergangsregelung können AutorInnen freiwillig Tantiemenanteile an Verlage abtreten, wenn sie dies der VG Wort schriftlich und für die Verlage anonym erklären. Hierfür hat die VG Wort eine Frist bis Ende September gesetzt. Daher hält sie einen Teil der eingesammelten Vergütungen noch bei sich. Und schaut dann, wie viele AutorInnen verzichten auf ihren Anteil, wer verzichtet nicht (was wir dringend empfehlen!) – und zahlt dann erneut mit einer zweiten Ausschüttung die einbehaltenen Anteile aus. Und dann müssten 100 Prozent der gesetzlichen Vergütungen bei euch als Urheber*innen eingegangen sein – abzüglich kleinerer Beträge für Verwaltungskosten, Sozialfonds und dem Autorenversorgungswerk der VG Wort. Wohlbemerkt: alles auf das Jahr 2016 bezogen! Rückzahlungen für 2012 bis 2015 kommen extra! Nämlich bestehend aus den fälschlich an die Verlage ausgezahlten Tantiemen aus den Jahren 2012 bis 2015. Diese musste die VG Wort zunächst von den Verlagen zurückfordern. Da diese hierfür noch Zeit, sprich Aufschub erhalten haben, wird die nachträgliche Ausschüttung wohl erst Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres erfolgen. Von daher – das Geld kommt. Es ist nur etwas länger unterwegs.“
Und wo wir gerade mit der VG Wort durch die Welt wandern: hier findet sich eine Zusammenfassung aus der Sicht des Börsenvereins und hier das VG Wort kritische Portal vginfo.org.
Freischreiberiges
„Wie sollen Journalisten mit Menschen sprechen und über sie berichten, denen schweres Leid zugefügt wurde?“ Haben sich Freischreiber Andreas Unger und seine Kollegin Gisela Mayer gefragt. Und sie haben einen Ratgeber geschrieben, in dem Experten aus unterschiedlichen Perspektiven zu Wort kommen: Traumatologen, eine Kriminologin, ein interkultureller Trainer, ein Journalist und die Mutter einer getöteten Tochter: „Die Antworten dienen einem gemeinsamen Ziel: Wege der Recherche und der Berichterstattung zu zeigen, die fair gegenüber unseren Protagonisten sind und zu besserem Journalismus führen.“ Herausgegeben hat den Ratgeber die Deutsche Journalistenschule; finanziert hat ihn die umtriebige Robert Bosch Stiftung. Denn das Gute ist: Es gibt einen kostenlosen Download als e-book und als pdf.
Bleiben wir beim Guten, denn die beiden Hamburger Freischreiber Daniel Hautmann und Bastian Henrichs arbeiten gerade an einem ehrenamtlichen Projekt: NACHTSCHICHT: „In einer Nacht treffen Unternehmen und Selbständige aus der Kreativbranche auf Vertreter gemeinnütziger Organisation und stellen ihr Know-how zur Verfügung. Dabei entstehen strategisch sinnvolle Kommunikationsmaßnahmen (wie z.B. Broschüren, Flyer, Plakate, Info- oder Schulungsmaterialien), eine maßgeschneiderte Corporate Identity, Drehbücher für einen Imagefilm oder Kampagnen. Eben genau das, was von den Non-Profit-Organisationen (NPO) dringend benötigt wird – und wofür allzu oft die finanziellen Mittel fehlen. Und das Beste: Die Aufträge werden während der NACHTSCHICHT in Abstimmung mit den NPO direkt erledigt. Die erste Veranstaltung in Hamburg steigt am 3. November im betahaus in der Schanze. Dafür startet jetzt die Bewerbungsphase. Zeitgleich suchen wir Kreative, die die NPOs am 3.11. betreuen und mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Gehen wir rüber zu Freischreiber Stefan Schomann: Der berichtet seit bald zwanzig Jahren aus China. Nun ist in der Reihe „Lesereisen“ des Picus Verlags ein aktueller Band mit literarischen Reportagen erschienen: „China – Streifzüge durch ein Weltreich“: „Er erzählt, wie Dorfschullehrer Li Jia-hong eine neue Menschenaffenart entdeckte. Oder wie Seilläufer Semaiti Aishan hoch über der Schlucht eine Entscheidung traf. Wie Datong seine Vergangenheit neu erfand und Shanghai seine Zukunft. Oder warum Ferdinand von Richthofen stets einen Bleistift um den Hals trug. Und wie Zhao Tao mit der uralten Kunst des Erzählens nicht nur ein ganzes Dorf in ihren Bann zog, sondern ihren künftigen Ehemann gleich mit.“
Und einmal unterwegs, geht es durch den Iran. Mit dem Fahrrad. Mit zwei Fahrrädern! Unterwegs waren Freischreiber Christoph Borgans und Freischreiberin Katharina Müller-Güldemeister. Und erzählen über ihre Reise mittels eines dialogischen Tagebuchs: „Am Abend brechen wir auf. Katharina fährt komische Schlenker. War sie nicht mal Fahrradkurierin?“, fragt sich Christoph. Katharina hat bald ganz andere Sorgen: „Drei Tage schon unterwegs? Höchste Zeit zum Haarewaschen! Aber wo? Während sich Christoph mit Flusswasser rasiert, bleibe ich noch liegen. Christoph lockt mich mit frisch gebrühtem Kaffee. So lecker, wie es klingt, ist es aber nicht. Das liegt nicht nur am Kaffeesatz. Ich vermisse Espressokocher und Milchschäumer. Immerhin kommt mir das Wetter bei der Frisur zu Hilfe: Nasse Haare sehen besser aus als fettige.“ Und natürlich gibt es auch eine Facebook-Seite.
Venezuela dagegen ist schon lange kein Reiseland mehr. Dort hat sich wiederum Freischreiberin Sandra Weiss umgeschaut und veröffentlicht nun mit „Venezuela – Chroniken einer gescheiterten Revolution“ ihr erstes ebook: „Es ist eine Sammlung meiner besten Reportagen, Analysen und Interviews aus den letzten 18 Jahren. Sie erzählen von Aufstieg und Fall des Hugo Chávez und von einem Land im permanenten Ausnahmezustand. Wichtige Lektüre für alle, die den Hintergrund der aktuellen Krise besser verstehen wollen.“
Dies & Das
“Können freie Journalisten noch vom Schreiben „auf Zeile“ leben?“ hat sich das Medienmagazin „Zapp“ mittels eines Beitrages von Daniel Bouhs gefragt. Und sich beim letzten Freischreibertag in Frankfurt am Main umgehört: „Das Ergebnis ist alarmierend, denn es werden Honorare gezahlt, die den Journalismus ausbluten lassen.“ Sehr schöner Bericht, der ohne großes Jammern vieles auf den Punkt bringt.
Und noch einmal geht es ums Geld – in einem Beitrag von „Impulse“-Blogger Sven Franzen, in dem er sich vom Erstmal-umsonst-arbeiten-und-dann-weitersehen verabschiedet: „Ich frage Kunden: „Würden Sie umsonst arbeiten?“ Neuen Kunden sage ich das ziemlich direkt. Wenn sie im Vorfeld Leistungen sehen wollen, ohne dafür zu bezahlen, hilft mir ein Coaching-Ansatz. Ich frage: „Was genau ist Ihr Job?“ Und dann: „Würden Sie persönlich denn ohne Honorar arbeiten?“ Das verneinen die meisten. Und ich habe einen Anknüpfungspunkt, um meine Position zu erklären. Meine Aufgabe ist es dann, den Kunden an die Hand zu nehmen und zu erklären, was passiert, wenn er uns beauftragt – ohne schon eine konkret ausgearbeitete Strategie zu verraten. Letztlich ist es dann eine Entscheidung des Kunden: Will ich Qualität? Oder will ich einfach nur irgendetwas gemacht haben, um eine Checkbox auf meiner To-Do-Liste abhaken zu können? Wer Qualität will, der muss auch dafür bezahlen.“
Ist der gemeinnützige Journalismus womöglich eine Alternative? Fragt sich das Portal „Redaktionszukunft.de“ und hebt an zu einer Hymne auf den Journalismus, wo es nicht um Profit und wirtschaftlichen Erfolg geht: „ Die erzielten Einkünfte dienen allein dem Projekt. So kann der Fokus der publizistischen Arbeit auf die Recherche gelegt werden und die Themenauswahl ist nicht an Aktualität, Auflage- oder Klickzahlen gebunden.“ Und weiter: „Die meisten Projekte wollen Themen bedienen, für die in den kommerziellen Medien kein Platz ist, und Zielgruppen erreichen, an die der öffentlich-rechtliche Journalismus mit seinen Radio- und Fernsehangeboten nicht herankommt. … Die Projekte finanzieren sich größtenteils durch Zuwendungen von Stiftungen und Spenden von Lesern, aber auch durch Werbeeinnahmen und Abos. Durch die gemischte Finanzierung wird der Abhängigkeit von einzelnen Geldgebern vorgebeugt.“ Aber: „Dass man vom Nonprofit-Journalismus leben kann, stellt dennoch eher die Ausnahme dar. Viele Redakteure und Projektleiter arbeiten nicht nur gemeinnützig, sondern auch ehrenamtlich.“
Seminare, etc.
Da schauen wir in den Oktober, denn vom 16. – 21. Oktober 2017 folgt der 25. Freelens Multimedia Workshop mit Freischreiber Uwe H. Martin/Bombay Flying Club und Oliver Eberhardt an der Akademie für Publizistik in Hamburg. Und dahinter verbirgt sich „ein intensiver sechstägiges Praxisworkshop, in dem neben den Grundlagen der Interviewführung, Ton- und Filmaufnahme und des Videoschnitts vor allem das Storytelling für Webdocumentaries im Vordergrund steht und jeder einen eigenen kurzen Multimediafilm fertig stellt. Informationen und Anmeldung hier. Ergebnisse der im Workshop entstandenen Filme, kann man hier schauen. Es gibt einen Freischreiber Sonderpreis von 980 € statt der normalen 1380 €. Durch Bildungsgutscheine kann der Preis zusätzlich um die Hälfte gesenkt werden. Alternativ gibt das Projekt „Die Halbe Miete“ 250 € dazu.
Und noch ein Seminar: „Von der 4. Gewalt zur Lügenpresse und zurück?! Die Rolle der Medien im Wandel der Zeit“, das vom 4.12.2017 bis 8.12.2017 in der Akademie Frankenwarte in Würzburg ausgerichtet wird. Der Journalist Martin Koch lädt ein, sich mit dem Einfluss der neuen Medien auf das Nutzungsverhalten und Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie der Manipulation durch die Medien näher auseinanderzusetzen.
Und gerne helfen wir auch immer wieder jungen Leuten wie der Masterstudentin Laura Guest an der Uni in Mainz und posten hier ihren Aufruf: „Ich führe für meine Masterarbeit eine kleine Befragung zum Thema „Krisenkommunikation von Unternehmen“ durch und brauche dafür eure Hilfe. Wenn ihr gerade kurz Zeit habt, wäre es super, wenn ihr ein paar Fragen beantwortet, es dauert auch nur fünf bis maximal zehn Minuten. Und ihr könnt den Fragebogen natürlich auch am Smartphone ausfüllen. Vielen Dank schon mal!“ Und hier geht es lang.
So. Das wars schon wieder. Freischreiber-Newsletter wird den Rest des Tages mit Tagträumen verbringen. Sich einfach hinüberbeamen in eine andere Welt, wo es keine G20-Gipfel und keinen Unsinn gibt; keine Rücktrittforderungen, keine Schuldzuweisungen und keine Wahlkämpfe. Und legt dazu ein paar alte Videobänder und neue DVDs ein und schaut sich Filme an, in denen Zeitungen einen Rolle spielen. Denn: „Zeitungssterben hin oder her: Im Kino ist Print noch nicht tot. Die Popkultur hat einige ruhmreiche Blätter zu Tage gefördert. Wie heißt es so schön? Papier ist geduldig. Insbesondere, wenn es auf Celluloid gebannt wurde. Hier sind zehn fiktive Zeitungen, die Filmgeschichte schrieben.“
Und Patrick Torm erzählt uns, wie sich bei “Citizen Kane“ der echte „San Francisco Examiner“ in den fiktiven „New York Daily Inquirer“ verwandelte, wie in „Total Recall“ mit Mister-heute-Klimaschützer Arnold Schwarzenegger die „Mars Today“ gelesen wurde und wie in „Grand Budapest Hotel“ die Hotelgäste zu einem ganz besonderen Blatt greifen: dem „Trans-Alpine Yodel“.
In diesem Sinne und kommen Sie gut durch den Tag
Ihre
:Freischreiberinnen und :Freischreiber!
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