[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 23.05.2017

Liebe Freischreiber und Freischreiberinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
ein extra Newsletter! Denn die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung der VG Wort hat in München getagt. Und? Na, es ist in etwa so wie bei Bundestagswahlen: Alle haben gewonnen!

Gelegenheit daher, uns mal die Feinheiten anzuschauen – also die Ergebnisse.
Und ein solches wichtiges ist erst mal, dass die VG wieder einen rechtskräftigen Verteilungsplan hat – beschlossen mit großer Mehrheit. Und dieser Plan sieht vor, dass die Autoren und Autorinnen selbst entscheiden können, ob sie den Verlagen gegenüber, für die sie schreiben und arbeiten, auf die Anteile verzichten, die die Verlage für sich beanspruchen. Anders gesagt: Ist man mit seinem Verlag zufrieden und vielleicht auch mehr als das, tritt man diesem gegenüber Ansprüche ab.
Ist man nicht zufrieden (oder weniger als das), oder ist man grundsätzlich der Meinung, dass die Ausschüttungen der VG allein den Autorinnen und Autoren zustehen und eben nicht den Verlagen, da diese keine Urheber im eigentlichen Sinne sind, dann verzichtet man nicht. Und da das Verfahren weiterhin anonymisiert ist, erfährt auch kein Verlag, wer von seinen Autoren auf seine Ansprüche verzichtet hat oder wer nicht.

„Mit dem neuen Verteilungsplan ergibt sich für Urheber eine ideale Situation“, urteilt unsere neue Freischreiber-Vorsitzende Carola Dorner. Und weiter: „Mit der freiwilligen Abtretung muss sich die behauptete Gemeinschaft zwischen Urheber und Verleger immer wieder aufs Neue beweisen. Eine faire Regelung für beide Seiten.“ Die Freischreiber-Presseerklärung in vollendeter Schönheit gibt es hier.

Und so bewertet die VG Wort selbst in einer Presseerklärung das Ergebnis: „Mit den neuen Verteilungsplanregelungen wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass die VG WORT die gemeinsame – sehr erfolgreiche – Rechtewahrnehmung für Urheber und Verlage fortsetzen kann. Ein wichtiger Schritt in die Zukunft ist gelungen.“ Auf Uebermedien kommt Freischreiber Stefan Niggemeier zu folgendem, etwas anderem Schluss: „Der nun beschlossene Verteilungsplan ist insofern tatsächlich ein drastischer Bruch mit der früheren Praxis: Jeder Urheber in der VG Wort bekommt 100 Prozent dessen, worauf er gesetzlich einen Anspruch hat, es sei denn, er verzichtet einzeln, ausdrücklich und (zumindest formal) freiwillig darauf.“ Und er bietet auch eine schöne atmosphärische Beschreibung: „Hinrich Schmidt-Henkel vom Verband der Literaturübersetzer war ganz ergriffen von dieser Revolution. „Das ist eine unglaubliche Sache“, rief er in den Saal. Der ehemalige Freischreiber-Vorsitzende Benno Stieber wies ihn darauf hin, dass diese unglaubliche Sache schlicht geltendem Recht entspreche, das nun endlich auch der Verteilungsplan widerspiegele. Zu verdanken sei dies Martin Vogel.“ Der äußert sich übrigens auch sehr lesenswert bei übermedien.de in den Kommentaren.
 
Der VG-Wort-kritische Blog vginfo.org bleibt kritisch und schreibt:  „Genauer wollte offenbar kaum einer hinschauen, zum Beispiel auf die konkreten Quoten, nach denen Verlage im Falle einer solchen Zustimmung beteiligt werden sollen. Je nach Ausschüttungsart werden die Verleger dabei in Zukunft bis zu 75 Prozent des auf ein bestimmtes Werk entfallenden Gesamtbetrags erhalten. Auch die an den Verhandlungen beteiligten Vertreter hatten sich, wie sie auf der Versammlung freimütig einräumten, für solche Details nicht sonderlich interessiert. Dass die Urheber zukünftig selbst entscheiden können, ob sie überhaupt etwas abgeben wollen oder nicht, reichte den meisten. Hinzu kam die Sorge, mit einem neuen Streit die geplanten Ausschüttungen weiter zu verzögern.“
 
Nicht uninteressant wie der Börsenverein – grob: die Interessenvertretung der Verlage – die Versammlung bilanziert: „Das heute vorgestellte Ergebnis ist ein starkes Zeichen der Solidarität. Es beweist, wie eng und symbiotisch das Verhältnis von Buch- und Zeitschriftenautoren zu ihren Verlagen ist und wie sehr sie die Leistungen der Verlage schätzen. Die Zahl ist beachtlich, zumal geschätzt nur etwa jeder siebte wahrnehmungsberechtigte Verlag Verzichtserklärungen bei seinen Autoren eingeholt hat bzw. die Möglichkeit dazu hatte“, so Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.
 
„Symbiotisch“ – ob dieses Adjektiv wohl von vielen Autoren und Autorinnen mitgetragen wird? Der Börsenverein argumentiert da wie folgt: „26.079 Autorinnen und Autoren hätten auf Nachausschüttungen von Geldern verzichtet, um ihre Verlage von Rückforderungen der VG Wort aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom April 2016 zu bewahren.“
 
Nun – unser zweiter Vorname ist „Recherche“ und wir haben mal eben recherchiert: Gibt es doch, konservativ geschätzt, aktuell rund 150.000 wahrnehmungsberechtigte Autoren und Autorinnen. Da haben also gut 124.000 nicht auf ihre Ansprüche verzichtet. Oder rechnen wir da irgendwie falsch?
 
Wie auch immer: Es wird noch ein wenig dauern, bis das Geld, das nun nach der erfolgten Einigung ausgeschüttet werden kann, auch ausgeschüttet wird. Für das vergangene Jahr – also 2016 – etwa gilt Folgendes: „Der Übergangs- und Ergänzungsverteilungsplan sieht für die Ausschüttungen in 2017 (für 2016) vor, dass bei gesetzlichen Vergütungsansprüchen die Autoren zunächst eine Abschlagszahlung erhalten. Danach können die Ausschüttungsempfänger bis zum 30.9.2017 entscheiden, ob ihr jeweiliger Verlag beteiligt werden soll und ggf. eine entsprechende Zustimmung gegenüber der VG WORT erklären. Erfolgt keine Zustimmungserklärung, erhält der Autor anschließend noch den zu 100 % fehlenden Anteil auf der Grundlage der neuen Verteilungsplanregelungen. Stimmt der Autor der Verlegerbeteiligung zu, erhält der Verlag seinen Anteil auf der Grundlage der im Verteilungsplan festgelegten Quoten.“
 
Und ansonsten, etwa was die Rückzahlung der jahrelang fälschlich ausgezahlten Ausschüttungen an die Verlage betrifft, die nun den Autoren zustehen: „Detaillierte Informationen u. a. zu den diesjährigen Ausschüttungsquoten sowie zum Stand der Rückforderungen gegenüber Verlagen werden in Kürze auf der Homepage veröffentlicht und mittels Newsletter ausgesandt.“ Es wird also noch etwas dauern, bis der von FAZ prognostizierte Geldsegen von einer halben Milliarde auf uns alle herniederprasselt.

Wer sich übrigens für den aktuellen Geschäftsbericht der VG Wort interessiert, hier findet er sich herunterladbar.
 
Und nun kommt noch ein „Aber“, denn es gibt ein weiteres „Aber“: Es ist zu erwarten, dass die Verlage in Berlin und noch mehr auf EU-Ebene versuchen, die soeben getroffene Entscheidung wieder zu verändern – hin zu einer festzuschreibenden Quote an Ausschüttungsanteilen für die Verlage (die dann nicht mehr freiwillig vonseiten der Autoren wären). Und der Börsenverein klingt da schon ganz rollig, wenn er verkündet:  „Von dem neuen, in München beschlossenen Verteilungsplan werden die Verlage erst dann in vollem Umfang profitieren können, wenn der europäische und der nationale Gesetzgeber die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit einer pauschalen Verlegerbeteiligung an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften korrigiert haben“, so deren Justiziar Christian Sprang. „Damit sei voraussichtlich im Jahr 2018 zu rechnen.“ Und damit wiederum hat die „Revolution“ bei der VG Wort ein eingebautes Verfallsdatum, wie Wolfgang Michal hier treffend beschreibt: „Die Hoffnung mancher Autorenverbände, sie könnten jetzt noch Einfluss nehmen, ist unrealistisch. Ihre Einwände kommen zu spät. Und die zuständigen Gewerkschaften haben die Hände offenbar in den Schoß gelegt. Das ist der Grund, warum die Verleger dem neuen Verteilungsplan der VG Wort (der „VG Wort-Revolution“) am 20. Mai in München mit einem Seufzer der Erleichterung zustimmen konnten.“

Das heißt: Wir Urheber werden verdammt gut aufpassen müssen, was sich in Zukunft bei der VG Wort tut! Und wir Freischreiber werden da streitbar bleiben!
 
Und nicht nur deshalb, sondern überhaupt möchten wir für heute dieses Kapitel VG Wort schließen mit einem großen Dankeschön an Martin Vogel! Denn ihm ist schließlich zu verdanken, dass diese ganz VG-Wort-Chose in Gang kam, und was hat er sich da nicht alles anhören und wie hat er sich beschimpfen lassen müssen!

Daher auch nochmal unsere Aufforderung an alle Wahrnehmungsberechtigten: werdet Mitglied in der VG Wort. Nur als Mitglied seid ihr stimmberechtigt. Einfach jetzt die Mitgliedschaft beantragen.

Und: wer hier mitliest und findet, die :Freischreiber leisten unterstützenswerte Arbeit, dem sein ans Herz gelegt, dass man bei Freischreiber nicht nur als freier Journalist oder freie Journalistin Mitglied werden kann, sondern dass man den Verband auch als Fördermitglied unterstützen kann.

Freischreiberiges und Termine
 
„Schwätzen kann jeder“, heißt es. Und weil das so falsch wie verbreitet ist, gehört das Interview zur schwierigsten journalistischen Darstellungsform überhaupt. Freischreiber Tim Farin und sein Kompagnon Mario Müller-Dofel stemmen sich gegen den Qualitätsabfall bei Interviews und betreiben zusammen das sehr lesenswerte Portal alles-ueber-interviews.de. Da geht es zum Beispiel darum, ob Journalisten nachträglich Interviewfragen ändern dürfen, wie es die Zeitung „Der Freitag“ getan hat

Unsere österreichischen Schwestern und Brüder von FreischreiberAT laden zum Freigrillen auf der Wiener Donauinsel ein: am 21. Juni 2017 ab 18 Uhr. Und wer sich von Wien einfach nicht wegbewegen kann, weil’s da im Sommer so schön ist, kann gleich noch am 26. Juni zum Stammtisch gehen, ab 18.30 Uhr. Ort wird noch bekannt gegeben, sonst hier erfragen

Hurtig sein heißt es für den Willi-Bleicher-Journalistenpreis 2017, dessen Bewerbungsfrist in wenigen Tagen abläuft. Ausgelobt wird er von der Gewerkschaft IG Metall. Sie sucht herausragende Print-, Hörfunk-, Fernseh- und Onlinebeiträge, die sich mit der Arbeitswelt auseinandersetzen. Zum ersten Mal ist auch eine Kategorie für Kurzbeiträge vertreten. Einsendeschluss ist der 31. Mai, Journalistinnen und Journalisten können sich mit zwei Beiträgen bewerben, die in der Zeit vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Mai 2017 veröffentlicht worden sind. Zu gewinnen gibt es ein Preisgeld von 3000 Euro (plus ein Nachwuchspreis mit 2000 Euro). Mehr Infos hier. 

Und auch für das Stipendienprogramm der Right Livelihood Awards Stiftung läuft bald die Bewerbungsfrist ab, nämlich am 15. Juni 2017. Die Stiftung fördert die Berichterstattung über die Preisträger des „Alternativen Nobelpreises“. Auf der Seite der Stiftung heißt es: „Offen für Journalisten weltweit, werden die ,Reporting Right Livelihood‘-Stipendien Reise-, Unterkunfts- und Kommunikationskosten im Zusammenhang mit den ausgewählten Berichten sowie ein bescheidenes Honorar abdecken. Im Jahr 2017 werden insgesamt fünf Zuschüsse ausgezahlt.“ Näheres hier

In Hamburg findet am 30. Mai 2017 von 18 bis 21 Uhr das Forum „Coworking & Collaboration“ statt. Davor, um 13 Uhr, machen einige Betreiber von Coworking-Spaces im Rahmen einer Tour („Learning Journeys“) ihre Räume auf und zeigen ihre Welt der Arbeit. Initiator des Ganzen ist das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Infos zu Themen und Referenten sowie Anmeldemöglichkeiten hier. 

Das war’s schon wieder von uns. Jetzt noch rasch die letzten Tage vom Mai genießen – und dann ist Sommer!
 
In diesem Sinne,
Ihre
:Freischreiber und :Freischreiberinnen!

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Freischreiber-Treffen in Hamburg am 29.5. im Klippkroog. Thema: BRING DEIN LIEBLINGSPROJEKT – Freischreiber stellen ihre publizistischen Babys vor. Infos und Anmeldung hier.


Freischreiber-Treffen am 7. Juni in Berlin. 20 Uhr im Wirtshaus Hasenheide. Zu Gast ist Mark Heywinkel, Thema: „Liebe deine Freien“. Fragen und Anmeldung hier.

12. Juni,19.30 Uhr: Freischreiber-Treffen in Köln. Weitere Infos in Kürze auf freischreiber.de oder bei Interesse hier.


Die beiden Laudationes auf Himmel-Preisträger Konrad Schwingenstein (von Katharina Jakob) und Hölle-Preisträger Süddeutsche Zeitung (von Benno Stieber) hier nachlesen.


Das ist unser neuer Vorstand: Steve Przybilla (Freiburg), Katharina Jakob (Hamburg), Gabriele Meister (Mainz), Jakob Vicari (Lüneburg), die neue Vorsitzende Carola Dorner (Berlin), Andreas Unger (München) und Frank Keil (Hamburg). Nicht im Bild: Peter Neitzsch (Hamburg).

Zur Hölle mit diesen Umgangsformen: die #mediasres-Kolumne von Silke Burmester über unsere Hölle-Kandidaten dpa und SZ vom 27.4.. Und hier für Interessierte nochmal die ausführliche Würdigung unseres Hölle-Preisträgers SZ von Kollege Max Muth vom 27.4.: Süddeutsche Zeitung: „Hölle-Preis“ für das Flagschiff des Qualitätsjournalismus? Das Fragezeichen können Sie dann jetzt weglassen.  

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