[Der :Freischreiber-Newsletter]
vom 18.05.2017
Liebe Freischreiberinnen und Freischreiber,
am Wochenende tagt wieder die VG Wort in München: Freitagabend bei der Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten (alle Urheber, die „nur“ einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort geschlossen haben. Mit einem Wahrnehmungsvertrag werden „zahlreiche Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche zur treuhänderischen Wahrnehmung an die VG WORT übertragen“) und am Samstag bei der Mitgliederversammlung (für die Mitgliedschaft muss man einen gesonderten Antrag stellen und eine Aufnahmegebühr bezahlen).
Auf der Tagesordnung am Samstag steht (neben vielen anderen Dingen) die Verabschiedung eines neuen Verteilungsplanes. Dabei als Knackpunkt die Frage: Wie hoch soll der Anteil sein, den zukünftig die Verlage aus den allgemeinen Ausschüttungen bekommen – und soll es überhaupt einen Anteil geben?
Martin Vogel – unser Himmel-Preisträger von 2016 – bewertet auf perlentaucher.de die Ausgangssituation wie folgt:
„Bei der Mitgliederversammlung der VG Wort am 20. Mai geht es für die Urheber um viel Geld, das ihnen eigentlich nach dem Gesetz ohne Weiteres ausgezahlt werden müsste. Doch die Beschlussvorlagen des Vorstandes für diese Versammlung versprechen nichts Gutes.“
Und sehr detailiert führt er in seinem Essay auf, wo die Fallstricke liegen, wer welche Interessen verfolgt und worum es im Einzelnen geht. Sein Fazit: „Wer gehofft hatte, die VG Wort werde sich nach dem BGH-Urteil vom 21.4.2016 eines Besseren besinnen, hat sich getäuscht. Nicht die Interessen der Urheber, die bei ihr Rechte einbringen, bestimmen ihr Handeln, sondern die Interessen der Verleger, denen die einschlägigen Rechte fehlen. Es findet eine Umverteilung statt, die mit treuhänderischer Rechteverwaltung nur sehr bedingt zu tun hat.“
Das der VG Wort kritisch gegenüberstehende Portal vginfo.org legt außerdem besonderes Gewicht auf die Unterscheidung der VG Wort als Verwertungsgesellschaft versus Interessenvertretung. Und kommt zu folgendem Schluss: „Gewerkschaften, Autorenverbände und Autorenvertreter in der VG WORT werben derzeit für Stimmübertragungen mit dem Argument, man müsse in der VG WORT die Interessen der Autoren vertreten und die VG WORT als gemeinsame Interessenvertretung von Autoren und Verlagen erhalten. Das ist Augenwischerei: Die VG WORT ist keine Interessenvertretung, sondern eine Verwertungsgesellschaft. Ihre Kernaufgabe ist die Verwaltung des Treuhandvermögens der Urheber. Ihre Aufgaben sind im Verwertungsgesellschaftsgesetz (VGG) beschrieben.“
Wenig optimistisch schaut „Irights“ nach München und sieht vier oder fünf Fraktionen am Wirken: „Die Situation für die VG Wort bleibt somit verworren. An den zwei Tagen in München – bei der Versammlung der „Wahrnehmungsberechtigten“ und dann der Mitglieder – könnte sich wiederholen, was bereits die letzten Versammlungen der Verwertungsgesellschaft prägte: Streiterei, Abstimmungsärger, vielleicht auch wieder blockierte Anträge, Tohuwabohu, Schuldzuweisungen.“
Nun, wir Freischreiber sind konstruktiv, aber kritisch gestimmt – und wir sind vor allem vor Ort und werden schauen, wie sich Gutes für die freien Autoren und Autorinnen durchsetzen und realisieren lässt. Und wer uns seine Stimme übertragen möchte, weil er sie bei uns gut aufgehoben sieht, wir nehmen sie gerne entgegen. Allerdings müsst ihr euch dann ein bisschen sputen: Deadline heute, 18 Uhr. Das Formular für die Stimmübertragung liegt der Einladung bei.
Freischreiberiges
„Mein Arbeitsalltag hatte mit Journalismus so viel zu tun, wie das Wort Freiheit für die Hühner in der Käfighaltung“, schreibt Freischreiberin Alexandra Borowski. Die gerade ziemlich in Feierlaune ist, denn ihr Portal „Luise von der Pelzwiese“ ist just ein Jahr alt und hat sich ganz prächtig entwickelt: „Ein großer Moment für mich, denn der Weg dorthin war sehr besonders. Ich hatte von Tuten, Social-Media und WordPress-Gedöns null Ahnung, bin jetzt nicht gerade die hellste Kerze am Technik-Leuchter, kein Budget – was für eine Unternehmensgründung auch spannend ist. Aber ich hatte Feuer im Herzen, den unbedingten Willen zur Autonomie und Unabhängigkeit und überhaupt keine Muße, weiter im journalistischen Jammertal zu wandern, um Honorare zu betteln oder meine Wertlosigkeit bescheinigt zu bekommen.“ Und so machte sie sich noch mal anders selbstständig und gründete eben ihr Portal. Und wir gratulieren kräftigst und empfehlen mal bei dieser Luise vorbei zu schauen. Vielleicht ist ja noch ein Stück Erdbeertorte übrig!
Und da es eben quasi raus aufs platte Land ging, nach Neumünster nämlich, schauen wir uns dort um und sehen – Kühe. Ja, Kühe. Und was haben die nun hier zu suchen? Einiges, denn die Freischreiber Jakob Vicari und Björn Erichsen haben ihr Projekt des Sensorjournalismus weitergetrieben und haben Kühe medial verdrahtet. Denn, so ihre These: Wer etwas über moderne Landwirtschaft erfahren will, muss nur die Kuh befragen. Ob das nur irre ist oder ganz im Gegenteil aufklärerisch (natürlich!), zeigt ein kleines Video.
Ab September (schon mal vormerken) ist dann auch die passende Homepage freigeschaltet: www.superkuehe.de
„Die Idee kam ihr am Strand, kurz nachdem sie ihr erstes Studium abgeschlossen hatte und nicht wusste, was sie damit anfangen sollte: Sie wollte reisen, interessante Orte besuchen und ihren Freunden in Briefen davon erzählen. Um davon leben zu können, würde sie sich dem Journalismus zuwenden, beschloss Kelly Toughill, und schrieb sich kurzerhand für einen entsprechenden Studiengang an der San Francisco State University ein“. So das Intro zu dem Interview, das Freischreiber-Fördermitglied Oliver Schrott mit eben Kelly Toughill für seinen Medienblog geführt hat. Nun gibt es dieses Gespräch auch in Buchform – zusammen mit 24 weiteren Interviews. Der lockende Titel: „Übermorgen“.
Dies & Das
Und da wollen wir uns hier mal selbst zitieren, denn wie schrieben wir Anfang dieses Jahres? „Auch das Schweizer Project R nimmt langsam Fahrt auf.“ Nimmt langsam Fahrt auf – was für eine schamlose Untertreibung! Denn kaum auf den Weg gebracht, ist das Projekt einer geplanten Online-Zeitung um den Journalisten Constantin Seibt regelrecht durch die Decke geschossen. Und legt ein Crowdfunding vor, mit Weltrekordmarken! Und so schreibt sein einstiger Arbeitgeber, Der Tagesanzeiger, mit unterdrücktem Neid: „Innert 12 Stunden hat das Genossenschaftsprojekt Project R über eine Million Franken von 5000 zukünftigen Abonnenten gesammelt. Bis heute sind es über 11 000 Mitglieder, die 2,8 Millionen Franken in ein Onlinemagazin investieren, von dem sie kaum mehr wissen als den Namen: «Republik».“
Wir gratulieren einfach und schlicht.
Glückwunsche gehen auch an „Piqd“: Denn das Projekt unseres Himmel-Preisträgers Konrad Schwingenstein, das jeden Tag lesenswerte Beiträge aus verschiedensten Medien vorstellt und empfiehlt (und die dahinter stehenden Kuratoren anständig bezahlt!), ist für den Grimme Online Award nominiert. Voten darf dabei auch das Publikum. Wer Piqd unterstützen will und wer wissen will, wer noch ausgewählt wurde, bitte hier entlang.
Seminare, Termine, Preise
Das SZ-Magazin lobt drei Recherche-Stipendien in Höhe von je 5.000 Euro aus. Besonders und ausdrücklich angesprochen fühlen sollen sich freie Journalisten. Denn wie SZ-Magazin-Chefredakteur Michael Ebert dem Dienst „meedia“ erklärte, beobachte er immer wieder „dass sich Freie mit Themenvorschlägen zurückhalten, weil sie sich nicht sicher sind, ob sich die eigenen Ideen überhaupt realisieren lassen“. Also ran an die Buletten.
Einmal 5.000 Euro hat der Journalistenpreis PUNKT zu vergeben. Und zwar in der Kategorie Multimedia. Worum es geht, wird etwas schwurbelig wie folgt erklärt: „Mit dem PUNKT prämiert acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in diesem Jahr Formate, die die erweiterten Möglichkeiten multimedialer Darstellung im Internet nutzen, um Themen mit Technikbezug verständlich und erlebbar zu machen. Aus dem Zusammenführen verschiedener Kanäle soll ein Mehrwert entstehen, der über die Einzelkanäle nicht realisierbar wäre. Die Jury legt dabei besonderen Wert auf die Integration interaktiver und partizipativer Elemente.“ Einsendeschluss ist der 22.Mai. Und das ist ja bald.
Journalistenpreis Nummero drei: der Salus-Medienpreis 2017. Preissumme? Einmal 6.000 Euro für den Hauptpreis plus 2.000 für einen Nachwuchspreis. Gesucht werden Beiträge in Verlagen, Print- oder Onlinemedien, die sich mit ökologischen Themen beschäftigen: über die Folgen der Gentechnik in der Landwirtschaft, die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft, das Bienensterben bis hin zu Krankheiten bei Mensch und Tier. Und auch: „Der journalistische Einsatz lohnt sich, denn es gibt auch hoffnungsvolle Geschichten – von Natur, die sich mit ökologischer Landwirtschaft regeneriert oder von Wüsten, auf denen Pflanzenanbau möglich ist.“ Einsendeschluss ist der 9. Juni, hier geht’s zum Bewerberbogen.
Und alle guten Dinge sind vier, denn auch die Otto Brenner Stiftung schreibt ihren Preis für kritischen Journalismus aus – ein Klassiker unter den Journalistenpreisen. Das Motto diesmal ist nicht ganz überraschend: „Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten!“. Bewerbungen werden bis zum 30 Juni entgegengenommen. Im Topf liegen 47.000 Euro, darunter drei Recherchestipendien a jeweils 5.000 Euro. Da lohnt sich genaues Schauen, ob man nicht etwas hat, das preis- wie förderungswürdig sein könnte.
Kein Preis, sondern ein Barcamp ist noch zu vermelden. Allerdings für Women only, ist doch Veranstalterin der Journalistinnenbund. Und der schreibt: „Noch gibt es ja – gerade für Frauen – viel aufzuholen und zu ändern bei Aufstiegschancen, Bezahlung und Themensetzung. Ein guter Grund, sich mit dem Journalistinnenbund zu vernetzen. Moderation: Su Steiger vom Netzwerk Digital Media Women DMW. Anschließend Sektumtrunk im Hub und gemeinsames Abendessen (fakultativ). Jede kann sich gern direkt per Doodle anmelden. Ort: das Impact Hub in München. Und das Datum: der 27. Mai, von 14.00 bis 18.00 Uhr.
So, das war’s schon wieder. Und wir recken unsere vom Tippen und Recherchieren müden Knochen (ist nicht schön, wenn man alt wird, nächstes Jahr gibt es uns Freischreiber auch schon zehn Jahre!) und öffnen ein Buchpaket, das den neuen Roman von Mirko Bonné enthält, der da heißt „Lichter als der Tag“. Und worum es geht, verrät der gute, alte Klappentext: „Raimund Merz ist Familienvater und Angestellter beim Nachrichtenmagazin Der Tag. Die Arbeit bedeutet ihm nichts, und lichte Momente in seinem Alltag sind selten.“ Oha! Aber jetzt kommt’s!: „Da begegnet er unvermutet seiner Jugendliebe Inger wieder… ein lang gehütetes Geheimnis… Flut aufbrechender Gefühle reißt die Fassade seines überschatteten Daseins nieder… ein ungeheures Wagnis eingehen.“ Mann, Mann, Mann! Aber mit der Jugendliebe durchbrennen, statt lichtlos im Verlag zu schuften, das können wir uns nur zu gut ausmalen! Und so könnten wir jetzt immer weiter plaudern … aber nu‘ ist Schluss!
In diesem Sinne,
Ihre :Freischreiber
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