[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 12.05.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
es hat ziemlichen Wirbel ausgelöst: das Urteil, dass unser Himmel-Preisträger Martin Vogel gegen die Praxis der VG Wort erstritten hat, auch die Verlage an der jährlichen Ausschüttung von Tantiemen zu beteiligen. Damit ist es nun vorbei!
 
Heftig gestritten wird derzeit, welche Folgen das Urteil hat oder haben könnte. Gibt es neben Gewinnern auch Verlierer? Und wie hängt das alles zusammen? Wir möchten, um ein wenig Orientierung zu bieten, noch einmal kurz auf unsere Preisbegründung hinweisen, mithin auf die Laudatio unseres Vorstandsmitgliedes Henry Steinhau: „Wir Freischreiber haben uns sehr früh solidarisiert und uns hinter Martin Vogel gestellt. Aus Sicht von uns freien Urhebern, die mehrheitlich und hauptsächlich mit Verlagen zu tun haben, stellt sich die Ausschüttungspraxis der VG Wort als eine ungerechtfertigte Bevorteilung jener dar, die uns in den vergangenen Jahren mehr und mehr benachteiligten. Die Verlage muteten uns eingefrorene oder gesunkene Honorare, dazu verschlechterte Vertragsbedingungen zu – bei wachsendem Hunger auf Verwertungsrechte aller Art. Daraus sprach für uns eine spürbar abnehmende Wertschätzung unserer Arbeit.“
 
Ansonsten empfehlen wir zum virtuellen Kennenlernen einen kurzen Beitrag des Medienmagazins „Zapp“, das Martin Vogel neulich besuchte. Und wer sich in der Materie noch nicht allzu gut auskennt, dem legen wir den Beitrag von Freischreiber Wolfgang Michal ans Herz, der das Urteil mit Blick auf die Verlage, die nun leer ausgehen werden, so bewertet: „Wenn verdienstvolle Verleger nun verschreckt aus allen Wolken fallen, weil sie Gelder auf falscher Grundlage erhalten haben, ist das nicht den Autoren (oder den Richtern des BGH) anzulasten, sondern jenen Funktionären, die bis zuletzt stur darauf setzten, dass die Klage gegen die VG Wort keinen Erfolg haben würde.“

Entsprechend munter geht es währenddessen auch bei den AutorInnen zu: Während die einen, wie die Schriftstellerin Karen Köhler, bitter beklagen, Vogels gerichtlicher Erfolg würde ihnen indirekt schaden, da auch kleine und kleinste Verlage nicht mehr mit einer jährlichen Ausschüttung von Tantiemen rechnen können, weisen andere, wie die Schriftstellerin Tanja Dückers darauf hin, dass die Interessen von AutorInnen und Verlagen nicht per se identisch seien und sehen das Urteil recht pragmatisch: „Für Autoren sind VG-Wort-Tantiemen schon eine Einkommensquelle.“ Und Julia Franck konstatiert entsprechend: „Ja, Verlage stehen unter wirtschaftlichem Druck – aber warum soll es ausgerechnet das Geld der Autoren sein, das diesen Druck lindert? Warum ausgerechnet das Geld der schwächsten Glieder in der Kette, die vom Verkauf eines einzelnen Buches am wenigsten erhalten: 10 Prozent pro verkauftes Exemplar (Verlag und Handel müssen sich die restlichen 90 Prozent teilen). Woher stammt die Überzeugung, dass unsere literarische Landschaft ärmer wird, wenn die Verlage ihr Geschäftsmodell anpassen müssen, während es offenbar wenig interessiert, dass das Durchschnittseinkommen von Autoren im vergangenen Jahr etwa 19 000 Euro betrug?"
 
Martin Vogel selbst verweist in uebermedien.de auf folgenden Faktenbestand: „Die jetzige Empörung trifft die Falschen. Spätestens seit 2002 hätte die VG Wort nichts mehr an Verleger ausschütten dürfen. Denn die Rechtslage hinsichtlich der Verlegerrechte war seitdem nicht einmal unsicher.“
 
Und nicht zuletzt wollen wir Ihnen das Statement unseres Partnerverbandes Freelens zur VG Wort-Entscheidung nicht vorenthalten: „FREELENS begrüßt das Urteil des BGH in der Sache Martin Vogel ./. VG Wort.“ Und weist in seiner Stellungnahme auf Folgendes hin: „Demnach steht nunmehr fest, dass die Verteilungspläne und wohl auch die Satzungen mindestens der VG Wort und der VG Bild-Kunst in Teilen rechtswidrig sind, soweit diese den Verlegern eine pauschale Beteiligung an den Vergütungsansprüchen zugestehen. Damit müssen jetzt die VG Wort und auch die VG Bild-Kunst ihre Verteilungspläne ändern und die Auszahlungen an Verlage und Agenturen seit 1. Januar 2012 rückabwickeln – die Auszahlungen erfolgten nur unter Vorbehalt. Diese Gelder stehen nunmehr ausschließlich den Urhebern zu. Die Gremien der VG Bild-Kunst, in denen FREELENS vertreten ist, werden sich deshalb in Kürze zusammensetzen, um die neuen rechtmäßigen Verteilungspläne und die nicht unerheblichen administrativen Aufgaben im Zusammenhang mit der Rückabwicklung zu besprechen. Ein »Zurück zum alten System« wird es mit FREELENS nicht geben.“
 
Ach ja – und die VG Wort selbst? „Der Verteilungsplan der VG WORT sieht in seinem § 6 eine Regelung vor, die eine nachträgliche Korrektur der Verteilung auf kollektiver Ebene ermöglicht und auf deren Grundlage auch etwaige Rückforderungen und Nachzahlungen abzuwickeln sind. Bei der Entscheidungsfindung müssen auch die in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen der Gremien (Vorstand, Verwaltungsrat, Mitgliederversammlung) beachtet werden. Das weitere Vorgehen aufgrund des BGH-Urteils wird bei den anstehenden Gremiensitzungen Anfang Juni 2016 erörtert werden; außerordentliche Sitzungen werden Mitte September 2016 stattfinden.“

Dies und das
 
„Das Wissen der Menschheit verdoppelt sich in immer kürzeren Zeiträumen. Auf uns strömen jeden Tag Hunderte oder Tausende Informationen ein, ganz besonders, wenn wir online sind. Die große Gefahr dabei: überinformiert und gleichzeitig unterorientiert zu sein. Wohl dem, der auf ein Netzwerk von Navigatoren zurückgreifen kann, die einen einordnenden Überblick schaffen: Kuratoren“, so führt der „Fachjournalist“ in die Wunderwelt der Kuratoren und ihrer Kuratorenprodukte von „Blendle“ über „nivws“ bis zur „Krautreporter Morgenpost“ ein – ein Berufsstand, der sich wachsender Beliebheit erfreut, so wie auch dieser Newsletter selbstredend nicht geschrieben, sondern – Sie ahnen es – kuratiert wurde.  
 
Und nicht vergessen sein soll, dass sich neulich in Berlin die freien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der ARD zusammengesetzt haben, um sich untereinander auszutauschen, wird ihnen doch in den Sendeanstalten nur der Status eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses zugestanden: „Wir leisten die gleiche Arbeit, haben aber nicht die gleichen Rechte. Wir haben keine Arbeitsverträge, sondern nur einen „arbeitnehmerähnlichen“ Rechtsstatus. Wir müssen ständig um unser Einkommen fürchten. Sozialleistungen, die für Festangestellte selbstverständlich sind, werden uns vorenthalten. Und das, obwohl wir Tür an Tür mit ihnen arbeiten und oft im gleichen Dienstplan stehen.“
Wer mehr über diesen Freienkongress erfahren will, der starte folgende MP3.
 
Und ein bisschen Werbung soll auch nicht fehlen, hat doch der Freischreiberanwalt Stephan Zimprich eine Checkliste erarbeitet, worauf freie JournalistInnen achten sollten, wird ihnen ein Vertrag zum Unterschreiben angeboten. Einsehbar – nur für Mitglieder. Na, wäre das ein Argument?
 
Dresden
 
„In den nächsten Monaten entsteht an der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden ein Recherchetheaterprojekt mit dem Titel „Zuerst die gute Nachricht“, schreibt uns der Dramaturg David Brückel aus dem pegidagebeutelten Dresden: „Darin gewähren Menschen, die in der Presse- und Medienlandschaft tätig sind, Einblicke in ihren Beruf. Und daher: „Wir suchen aktive, zukünftige und ehemalige Journalisten aus dem Bereich Print, Fernsehen, Hörfunk und Social Media, Bloggerinnen, Medientrainer, Fotografen, Kamerafrauen, Cutter, PR-Manager, Pressesprecher, Kommunikationswissenschaftler, Medienrechtlerinnen, Archivare, kritische Zeitungsleserinnen etc.“ Ein erster Termin ist anberaumt: „Am 24. Mai findet um 18 Uhr im Kleinen Haus Mitte des Staatsschauspiels Dresden ein Infotreffen statt. Dort besteht die Möglichkeit, das künstlerische Team kennen zu lernen, Fragen zu stellen und weiterführende Informationen zu erhalten.“
 
Und wo wir gerade in Dresden sind (ganz wortwörtlich, denn hier wird gerade dieser Newsletter geschrieben), schauen wir mal kurz nach Leipzig, wohin es neulich Freischreiber Raphael Thelen im Rahmen seines Rechercheprojektes durchs schöne und nicht so schöne Sachsen verschlagen hat: „Als ich die Halle des Leipziger Bahnhofs betrete, schallt von irgendwoher ein Schrei, verstärkt durch ein Megafon: „Lügenpresse!“. Ich gucke mich um, niemand. Eine Freundin hatte mich gewarnt, allein im Zug zur Neonazi-Demo in Plauen zu fahren. Es sei zu gefährlich. Ich hielt das für Paranoia. Doch tatsächlich: Als ich auf das Gleis trete, stehen vor mir vierzig Rechte, schwarz gekleidet, Bierflasche, einer hält das Megafon in der Hand.“
 
Sehr interessant (um es mal so auszudrücken) sind auch die angehängten Posts. Etwa: „Ich war dabei, mir fällt dazu nur ein Wort ein: „Lügenpresse“. Du hast alleine in deinem Video nur eines versucht, den Protest von Rechts zu kriminalisieren…irgendwann kommt der Tag an dem sprechen wir über deine Schmierereien vor einem anderen Gericht!“
 
Preise und Stipendien
 
Noch knapp zwei Wochen können Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge beim „PUNKT – Preis für Technikjournalismus und Technikfotografie“ in den beiden Sparten Tageszeitung und Zeitschrift/ Magazin/ Wochenzeitung einreichen. Es lockt ein Preisgeld in Höhe von jeweils 5.000 Euro. Einsendeschluss ist der 23. Mai und hier erfährt man mehr.
 
Und ganz frisch reingetrudelt und auch etwas eilig: Das Deutsche Institut für Menschenrechte schreibt das Recherche-Stipendium "Wirtschaft und Menschenrechte" aus: „Das Institut will mit der Vergabe des Stipendiums Journalistinnen und Journalisten anregen, das Thema „Wirtschaft und Menschenrechte – Transnationale Wirtschaftsverflechtungen und ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte“ aus eben menschenrechtlicher Perspektive zu bearbeiten.“ Bewerbungsschluss ist am 17. Mai 2016.
 
 
Seminare, Kongresse und Aufrufe aller Arten
 
Schon mal in den September schauen sollte, wer einen Blick hinter die Kulissen der Berliner Bundestagspolitik riskieren will. Das Save-the-date gilt für 5.9. –bis 30.9.2016 für: „Wie tickt der deutsche Bundestag? Vier Wochen Mitarbeit in einem Bundestagsbüro, Hintergrundgespräche mit sozialdemokratischen Spitzenpolitiker_innen, Informationen und Tipps von Hauptstadtjournalist_innen, Teilnahme an Bundestagssitzungen uvm. Das Programm ist dem von 2015 ähnlich.“ Hier meldet man sich an und das bitte bis zum 17. Juni 2016.
 
Die „Neuen deutschen Medienmacher“ als großes Netzwerk von JournalistInnen mit (und ohne) Einwanderungsgeschichte setzen sich für mehr Vielfalt in den Medien und in der Berichterstattung ein: „Seit 2010 schaffen Nachwuchsjournalist*innen aus Einwandererfamilien mit unseren Mentoringprogrammen erfolgreich ihren Einstieg in publizistische Berufe. In diesem Jahr nun wollen wir das Programm auch für Journalisten im Exil öffnen. Programmsprache wird Englisch (oder Deutsch) sein.“ Genauere Informationen finden sich hier.

 An Journalisten und journalistisch orientierte MitarbeiterInnen der Jugendarbeit dagegen richtet sich folgendes Angebot: ein Web.2.0-Workshop vom 17. bis 19. Juni in Bonn, der kühn feststellt: „Unsere Jugend verbringt mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher. Wir, die Erwachsenen, sollten also die Sozialen Netzwerke ebenfalls schleunigst verstehen, bedienen und bespielen. Hinzu kommt: Wer auf sich aufmerksam machen und die richtigen Zielgruppen erreichen möchte, muss up-to-date sein.“

 
So. Das wars schon wieder. Also – fast. Wir haben im Angebot noch einen Aufruf von Pia Schmitt, der wir viel Unterstützung wünschen! Und darum geht es ihr: „Mein Name ist Pia Schmitt und ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zu dem Thema "Serendipity – die Rolle eines Effekts der Informationssuche bei der journalistischen Recherche". Serendipity bezeichnet die Eigenschaft, wünschenswerte Entdeckungen durch Zufall zu machen. Meine Frage wäre nun, ob bei Ihnen Journalisten arbeiten, die Texte geschrieben haben, bei denen der glückliche Zufall geholfen hat? Ich meine damit Texte, die ohne zufällige, unbeabsichtigte Erkenntnisse nie so entstanden wären? Wenn ja, würden Sie mir diese zur Verfügung stellen und könnte ich auch ein kurzes Interview darüber führen? Sie würden mir sehr helfen und ich bedanke mich bei Ihnen bereits im Voraus für Ihre Zeit.“ Hier kann man Kontakt aufnehmen: Schmitt-pia(ät)web.de.
 
In diesem Sinne, kommen Sie weiter gut durch die Woche und freuen Sie sich auf den Zufall, den glücklichen!

Ihre Freischreiber
 

Die Würfel sind gefallen…

Himmelpreis 2016:
Martin Vogel

Höllepreis 2016:
Der Tagesspiegel

Foto: Andreas Hornoff
Weitere Bilder von der Preisverleihung hier.

DRESDEN

24. Mai
Infoveranstaltung zu Recherchetheaterprojekt „Zuerst die gute Nachricht“
18 Uhr im Kleinen Haus Mitte des Staatsschauspiels Dresden
mehr Informationen im Text links

BERLIN

3. Juni
Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten der VG Wort
mehr Informationen hier