[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 26.04.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein kurzer, knackiger Newsletter, denn es gibt etwas zu vermelden: die Vergabe des Hölle- und des Himmel-Preises. Und damit die Bekanntgabe der Preisträger – bereits echt und in Farbe und in aller Öffentlichkeit erfolgt am Wochenende in Hamburg während unseres großen Freischreiber-Festes.
 
Also nun eben schriftlich nachgereicht!
 
Beginnen wir mit der Hölle, in die unserer Meinung nach Verlagshäuser, Medien oder auch mögliche Einzelpersönlichkeiten gehören, die sich dem freien Journalismus gegenüber besonders schändlich verhalten haben.
 
Nominiert waren DuMont Schauberg, Spiegel Online und Gruner + Jahr für ihre jeweilige Verlagspolitik, ihre bisherigen, juristisch sehr unklaren Beschäftigungsverhältnisse mit freien JournalistInnen (Stichwort: Scheinselbstständigkeit) neu zu regeln – sowie: der Tagesspiegel aus Berlin.
 
Und letzterer ist es geworden! Der im vergangenen Herbst aus sozusagen heiterem Himmel seine Zusammenarbeit mit freien JournalistInnen aufkündigte. Und zwar kompletto!
„Ohne Ankündigung, ohne Vorwarnung, ohne Übergangsfrist wurden bereits erteilte Aufträge für nichtig erklärt und auch langjährigen Freien die Zusammenarbeit ab sofort aufgekündigt. Auch die Auslandskorrespondentinnen und -Korrespondenten ebenso wie Pauschalisten waren von dieser Maßnahme betroffen. Eine Maßnahme, die einmal mehr zeigt, wie wenig Verbindlichkeit, wie wenig Verantwortungsgefühl in vielen Verlagshäusern heute gegenüber denjenigen existiert, die verlässlicher Teil des Produktionsprozesses sind“, wie Laudatorin Silke Burmester sagte. Die auch den Umgang des Tagesspiegels mit seinen Kürzungsmaßnahmen kommentierte: „Diesen für viele Kolleginnen und Kollegen existentiell bedrohlichen Rundumschlag den Betroffenen überbringen – das durften die Angestellten tun. Die Verantwortlichen haben … ja was wohl. Irgendwas gemacht. Wahrscheinlich was mit Medien.“
 
Und in den Himmel?
 
Kommt Martin Vogel!
 
Und das für sein (nicht nur) juristisches Engagement gegenüber der VG Wort und ihrer bisheriger Praxis, einen Teil der Ausschüttungen, die den Autoren als Urheber zustehen, an die Verlage weiter zu reichen.
Eine Praxis, die rechtswidrig war – wie das BHG am letzten Donnerstag letztinstanzlich feststellte.
Als Martin Vogel bereits nominiert war – von daher war das eine glückliche Fügung: nominiert und doppelt gewonnen.
Oder wie es Laudator Henry Steinhau formulierte: „Wir Freischreiber haben uns sehr früh solidarisiert und uns hinter Martin Vogel gestellt. Aus Sicht von uns freien Urhebern, die mehrheitlich und hauptsächlich mit Verlagen zu tun haben, stellt sich die Ausschüttungspraxis der VG Wort als eine ungerechtfertigte Bevorteilung jener dar, die uns in den vergangenen Jahren mehr und mehr benachteiligten. Die Verlage muteten uns eingefrorene oder gesunkene Honorare, dazu verschlechterte Vertragsbedingungen zu – bei wachsendem Hunger auf Verwertungsrechte aller Art. Daraus sprach für uns eine spürbar abnehmende Wertschätzung unserer Arbeit.
 
Leider konnte der Martin Vogel nicht persönlich in Hamburg anwesend sein und schrieb uns also aus der Ferne und zwar unter anderem folgendes: „Liebe Freischreiber, es ist dringend erforderlich, dass die Urheber ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und zunächst einmal all diejenigen kritisch hinterfragen, die vorgeben, ihre Interessen zu vertreten. Sie werden zunächst einmal in die Gremien der Verwertungsgesellschaften gehen müssen, um dort Verantwortung zu übernehmen, insbesondere aber auch um ver.di und den DJV dahingehend zu kontrollieren, ob sie nicht – wie gehabt – ihre Verbandsinteressen vor die Interessen der kleineren Verbände und der Urheber stellen. Kungeln gilt nicht mehr! Wie die Klage gegen die VG Wort zeigt, hatten sich die Funktionäre in der VG Wort bequem in ihrer Kumpanei eingerichtet, und jetzt blendet sie das Licht, nachdem die Decke weggezogen wurde. Also, enragez-vous, packt es an!”
 
Das werden wir uns selbstredend zu Herzen nehmen!

Empfehlen können wir zum virtuellen Kennenlernen einen kurzen Beitrag des Medienmagazins „Zapp“, das neulich über Vogel berichtete.
 
Nominiert für den Himmel-Preis war ansonsten noch der ehemalige Unternehmer und heutige Mäzen Konrad Schwingenstein, der mit Verve (und Geld) den gemeinnützigen Journalismus unterstützt und dabei noch einmal besonders die freien JournalistInnen im Blick hat. In Gestalt der Plattform „Torial“, wie auch dessen neues Projekt „Piqd“. Danke dafür!
 
Die Statuten und das Prozedere im Einzelnen können Sie hier bei Bedarf verfolgen bzw. noch mal nachlesen.
 
Einfach nur zitieren möchte wir (fast) zum Schluss noch die Anmerkung vom Kollegen René Martens, der für die Süddeutsche Zeitung über die Preisvergabe berichtet hat (Vogel im Himmel): „Über den Zustand der Branche sagt es einiges, dass die Freischreiber offenbar keine Redaktion ausfindig machten, die 2016 eine Himmel-Preis-Nominierung verdient gehabt hätte.“
 
„Fast zum Schluss“, denn natürlich wird es spannend werden, wie die VG Wort auf dieses von Martin Vogel erstrittenes Urteil reagieren wird – und ob am Ende wirklich das Geld bei den Autoren ankommen wird, dass bisher den Verlagen zu gute kam.
Und von daher – wer mit dieser Materie noch nicht allzu vertraut ist, der wird bei Wolfgang Michals Beitrag ("Wem gehört das Geld der VG Wort") in jedem Fall schlauer, den wir zur Lektüre empfehlen.
 
Übrigens: Immer wieder wird von den Gegner einer solchen, jetzt gerichtlich bestätigten Neuregelung ins Feld geführt, die bisherige Regelung (Ausschüttungen gehen an die Autoren, aber auch an die Verlage) sei doch immer wieder einvernehmlich zwischen den Autoren und Verlagen beschlossen worden und damit sei doch alles gut und was soll jetzt das Durcheinander.
Das stimmt – so nicht ganz. Denn für Freischreiber als – nun ja – noch etwas kleinerer Verband von JournalistInnen, sind die Hürden für eine Mitgliedschaft bei der VG Wort doch recht hoch: Es braucht einiges an Mitgliedern, die drei Jahre hintereinander eine jährliche Ausschüttung von über tausend Euro nachweisen können, um eine Mitgliedschaft beantragen zu können – für freie Journalistinnen eine ziemliche hohe Summe. Und so konnten wir bisher in der VG Wort nicht mitreden. Und wir hätten da garantiert widersprochen …
 
Nun – wir werden nach Kräften versuchen das zu leisten.
 
In diesem Sinne
kommen Sie weiter durch die aprilhafte Woche

Ihre :FREISCHREIBER
 

Die Würfel sind gefallen…

Himmelpreis 2016:
Martin Vogel

Höllepreis 2016:
Der Tagesspiegel

Foto: Andreas Hornoff
Weitere Bilder von der Preisverleihung hier.