Dies und Das
„Ich kenne keine starke journalistische Marke in Deutschland, die in ihrer bisherigen redaktionellen Stärke überleben kann, ohne in irgendeiner Weise Unterstützung auch von digitalen Lesern zu bekommen“, schreibt SZ-Digitalchef Stefan Plöchinger. Und stellt eine Frage: „Wie schaffe ich es, nicht nur eine in Relation kleinere Online-Redaktion zu finanzieren, sondern wirklich die journalistische Schlagkraft des ganzen Hauses? Das sollte der Anspruch eines Grenzen überwindenden Onliners sein.“
Womit wir im nächsten Schritt bei der „Taz“ sind, die diese Woche ein interessantes Projekt vorgestellt hat: Alle Taz-Leser und -Leserinnen sind aufgerufen monatlich fünf Euro für ihre Online-Nutzung von Taz-Artikeln zu bezahlen. Eine Abo von „taz.de“ sozusagen. Und freiwillig! Denn: „Kostenloser Journalismus hat seinen Preis“. Ziel: bis Ende des Jahres 20.000 Menschen zu finden, die von sich aus zahlen. Ein vier- und vielseitiges Dossier erläutert dazu die Hintergründe und Argumente. Eines sei herausgegriffen: „In einer Zeit, in der „Lügenpresse” zum Unwort des Jahres taugt und Verschwörungstheorien um angebliche Systemmedien sowohl Kommunikationskanäle als auch Hirne verstopfen, sollten beide Seiten innehalten. Wir Journalisten, weil wir uns unserer Rolle im digitalen Informationssystem neu bewusst werden müssen: Wofür schätzen LeserInnen unsere jeweiligen Zeitungen, wenn nun unendlich viele Medien nebeneinanderstehen und durcheinanderpublizieren; wie werden wir den jeweiligen Erwartungen an unabhängigen Journalismus gerecht? Und mündige LeserInnen müssen sich fragen: Wie können wir jenen Medien helfen, die wir wirklich schätzen? So sichern beide die Vielfalt, die eine Demokratie braucht.“ Und ganz nebenbei: Die „Taz“ hat mehr Facebook-Follower als Abonnenten.
Redakteure und Autoren, daraus entsteht nicht immer eine Liebesbeziehung. Manchmal nicht einmal ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis. Was er als Redakteur einen Autoren oder eine Autorin daher fragen würde, verrät der Medienwissenschaftler Roy Peter Clark vom Poynter-Institut mit seinen sieben Fragen, die der Redakteur dem Autoren stellen sollte. Etwa: „Halten Sie sich für einen selbstbewussten oder für einen ängstlichen Autor? Wo sehen Sie sich auf einer Skala von 1 (gleich sehr ängstlich) bis 10 (gleich sehr selbstbewusst)? Ausgehend von Ihrer vorherigen Antwort: Was macht Sie selbstbewusst (oder ängstlich)? Sind Sie ein langsamer oder ein schneller Autor? Wo sehen Sie sich auf einer Skala von 1 (sehr langsam) bis 10 (sehr schnell)? Was macht Sie langsam (oder schnell)? Oder: Wann sind Sie besonders langsam (oder schnell)?“
Dabei geht es Clark keinesfalls um reine Neugierde. Sondern um das Ausloten von unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen, damit es später nicht zu unliebsamen Überraschungen kommt und auch damit man sich überhaupt kennenlernt: „Ich erinnere mich an einen altgedienten Reporter, der im Gespräch zu mir sagte: "Ich arbeite jetzt seit mehr als 30 Jahren hier. Aber Sie sind der Erste, der mich fragt, wie ich arbeite.“
Ob das Titel sind, die wir uns gerne ans Revers knüpfen wollen würden: „Großer alter Mann der Alternativpresse“? Und: „Großvater der Gegenöffentlichkeit“? Aber warum eigentlich nicht?
Die Rede ist jedenfalls von Josef-Otto Freudenreich, Chef der „Kontext-Wochenzeitung“ – die nicht nur im badisch-schwäbischen Süden unseres Landes für die eine und andere Aufregung sorgt. Im Interview mit „Turi“ ließ sich Freudenreich nun einige heitere Statements entlocken. Etwa auf die Frage, was bei unseren Zeitungen schief laufe: „Viele sind einfach langweilig, weil da nichts mehr brennt, außer dem Kittel in den Controller-Abteilungen. Wenn ich nur noch darüber nachdenke, mit welchen Gadgets ich meine Leser unterhalten kann, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn sie massenweise abspringen. Die Angst in den Redaktionen, mit unbequemen Gedanken den Arbeitsplatz zu gefährden, trägt das Ihrige dazu bei.“ Und: „Warum soll ich eine Zeitung kaufen, die nicht mehr ist als eine gedruckte Tagesschau? Voll mit Agentur, aufgehübschten PR-Texten und großen Fotos von Vereinsjubiläen. Warum stärken sie nicht die Regional- und Lokalteile, wo die KollegInnen wirklich noch ihre Kompetenzen ausspielen könnten? Stattdessen dünnen sie auch dort immer mehr aus, gründen Reisebüros und wundern sich, wenn ihre Umsätze einbrechen.“
Treu geblieben sei er seinem ursprünglichen Grundgedanken: die Welt verbessern, den Schwächeren eine Stimme zu geben. „Aber seitdem hat sich verdammt viel geändert. Damals war gut und böse unterscheidbar, heute verwirren uns Putin, Tsipras und Kretschmann. Entsprechend disparat ist die Bloggerszene heute. Grenzenlos beliebig. Verschwörer aller Orten. Da lob ich mir einen Stefan Niggemeier.“
Etwas unrund läuft es derzeit bei Krautreporter, der hoffnungsvollen Plattform eines neuen Journalismus. Ist es okay – fragt man sich gerade, wenn Krautreporter-Schreiber gleichzeitig im PR-Geschäft unterwegs sind? Nun stellt Chefredakteur Alexander von Streit fest: „Für unsere Autorinnen und Autoren gelten unsere Redaktionsregeln. Als wir deren Ausgestaltung vor dem Start von Krautreporter gemeinsam diskutierten, haben wir uns auch die Frage gestellt, ob wir ein Verbot für Nebentätigkeiten in PR und Öffentlichkeitsarbeit darin aufnehmen. Wir haben uns dagegen entschieden. Krautreporter ist finanziell nicht in der Lage, alle unsere Autorinnen und Autoren in Vollzeit zu beschäftigen. Alle arbeiten auch noch für andere Auftraggeber. Für manche bedeutet das auch: Aufträge in der Öffentlichkeitsarbeit, Beratung oder Geschichten für Kundenmagazine von Unternehmen.“
Damit dennoch für Transparenz gesorgt wird, hat man sich nun für einen zusätzlichen Schritt entschlossen: und legt bei allen KR-Stammautoren offen, ob und inwieweit sie als PR-Journalisten arbeiten.
Freischreiberiges
Was gutes herauskommen kann, schließen sich Autoren mal zusammen, statt einzeln in ihrem Kämmerlein zu bleiben und auf Aufträge zu warten, beweist das Buch „300 x Karlsruhe – Gesichter einer Stadt“. Der Fotograf Gustavo Alábso und Freischreiber Benno Stieber als Autor und Mitherausgeber haben zehn Autoren zusammentrommelt und sind anlässlich des 300sten Geburtstag von Karlsruhe mit ihnen durch eben Karlsruhe gezogen: aus Besuchen bei 300 Karlsruhern und Karlsruherinnen wurden 126 Porträts, garniert mit passend-schönen Fotos. Im Mittelpunkt die Frage: „Wer bist du, Karlsruhe?“
Wer sich dafür interessiert, auch wer sich vielleicht inspirieren lassen will, wird im weiteren hier fündig. Und einen hübschen Trailer gibt es hier.
Rechtliches
Freischreiber-Newsletter liest selbstverständlich auch andere Newsletter – nicht nur (aber auch) von der Konkurrenz. Und fand im aktuellen Newsletter des DJV einen Hinweis, den wir gerne weiterverbreiten und der alle Kollegen und Kolleginnen mit Kindern betrifft, die bekanntlich krank werden können. Denn da hat sich gesetzlich etwas getan: „Der Gesetzgeber hat die Zahlung von Krankengeld bei Erkrankung von Kindern für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherten Personen neuerdings klar im Gesetz geregelt. Wirksam wurde diese Regelung zum 1. Januar 2015.
Krankengeld bei Erkrankung von Kindern gibt es immer dann, wenn ein Kind erkrankt ist, noch nicht 12 Jahre alt ist, der/die Krankenversicherte sich um dieses Kind kümmern muss, weil keine andere Person im Haushalt dazu zur Verfügung steht – und deswegen einen Einkommensverlust hat.
Das Krankengeld wird je versicherten Elternteil und je Kind für bis zu 10 Tage im Jahr gezahlt, bei Alleinerziehenden auch bis zu 20 Tage je Kind. Maximal sind allerdings für alle Kinder zusammen 25 Tage, bei Alleinerziehenden 50 Tage möglich. Die Regelung gilt auch für Pflegekinder und Enkel, wenn sie im Haushalt des Versicherten leben und von diesem überwiegend unterhalten werden.
Die Höhe des Krankengeldes richtet sich dabei nach dem für das jeweilige Jahr geschätzten Arbeitseinkommen, das der Beitragsberechnung bei der Künstlersozialkasse zu Grunde gelegt wurde, umgerechnet auf den Tag. Wer wenig meldet, bekommt also auch nur wenig Krankengeld.“
Journalisten und Journalistinnen gesucht
Seetüchtig sollte man wohl sein – wenn man sich für das Projekt „Sea-watch“ interessiert – eine private Initiative von mehreren Familien aus Brandenburg. Die nun mit dem Schiff „Sea-watch“ unterwegs ist: im Mittelmeer. „In Funk und Fernsehen wird viel über die aktuelle Flüchtlingsproblematik im Mittelmeer diskutiert. (…) Mit einem privaten Schiff im Seegebiet zwischen Malta und der lybischen Küste wollen wir diesem unhaltbaren Zustand ganz praktisch etwas entgegen setzen. Wir wollen die offiziellen Stellen in Europa in die Pflicht nehmen, indem wir Neuigkeiten vom Meer live übers Internet und per Telefon berichten. Unsere Mittel sind beschränkt, aber wir können Zeichen setzen.“
Gesucht werden daher: Journalisten, Blogger und Multiplikatoren im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, um das Projekt bekannt zu machen und über Satellit eintreffende Infos zu redigieren und über geeignete Medien zu veröffentlichen.
Stipendien
Seit 2014 wird der Journalistenpreis „Rudolf-Augstein-Fellowships für Datenjournalismus bei CORRECT!V“ von eben „CORRECT!V“ gemeinsam mit der „Rudolf Augstein Stiftung“ vergeben: „Journalistinnen und Journalisten erhalten die Chance, ein datengetriebenes Rechercheprojekt zu verwirklichen. Sie können dazu bis zu zwei Monate temporäre Mitglieder der CORRECT!V-Redaktion werden und Hilfe erhalten. Die Veröffentlichung der erarbeiteten Geschichten erfolgt in Kooperation mit CORRECTIV.“
Besonders geeignet für festangestellte und freie Journalisten aus Lokal- und Regionalmedien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Einsendeschluss ist der 15. März.
Die Berichterstattung aus Osteuropa zu stärken, das ist die Idee hinter dem „Recherchepreis Osteuropa“, den Brot für die Welt und Renovabis in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben „Ein Stipendium soll herausragenden Journalistinnen und Journalisten die Recherche und Produktion zeit- und reiseaufwändiger Printreportagen für deutschsprachige Medien ermöglichen. Jährlich wird eine umfangreiche Reportage mit bis zu 7.000 Euro gefördert. Partner ist n-ost, das Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung“ Und der Bewerbungsschluss: 14. März 2015.
Eingereicht werden können Recherchevorhaben in folgenden oder über Menschen aus folgenden Ländern: Belarus, Russland, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Republik Moldau, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowenien.
Das sind ja eine ganze Menge Staaten … da sollte es an Themen nicht mangeln …
So. Das war's schon wieder. Und wir machen es mal kurz und hoffen sehr, dass Sie in ihrem Terminkalender den Abend des 28. März rot umkringelt haben – und das wir uns beim Diskutieren und Zuhören, beim Netzwerken und Feiern – und auch – Hoppla! – beim Tanzen wiedersehen!
In diesem Sinne
Ihre
Freischreiber