[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 11.12.2014

 

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

 

etwas länger waren wir nicht auf Sendung sozusagen, aber wir stellen jetzt nicht die Frage, ob das jemanden aufgefallen ist (ist es jemanden aufgefallen?), sondern kürzen ab und legen gleich los:

 

„Früher brauchte man eine Redaktion oder ein geräumiges Büro – heute lässt sich der Schritt zum eigenen Office und zum mobilen Produzieren mit ein paar Mausklicks machen. Die eigene Basis-Infrastruktur mit (beinahe) kostenlosen Tools aufbauen: hier steht, wie es geht.“

So praktisch orientiert eröffnet Christian Jakubetz seine Anleitung wie auch Du eine Redaktion werden und Du dich in der neuen Medienwelt orientieren kannst: „Die etwas Älteren erinnern sich: Zum Leben eines Journalisten gehören auch Notizbücher. Die meisten von ihnen waren, bei allem Charme, den sie besitzen, irgendwann mal unbrauchbar, weil sie zu einer losen Sammlung von Hingekritzeltem und Reingestopftem wurden. Und außerdem: Im digitalen Zeitalter sammelt man ja auch gerne mal Links – und die mit der Hand in ein Notizbuch zu packen, ist meistens nur die zweitbeste Lösung. Das digitale Notizbuch “Evernote” ist vor kurzem relaunched und bei der Gelegenheit etwas aufgeräumt worden. Eignet sich sehr gut auch zu Zusammenarbeit mit mehreren Kollegen. Und welches analoge Notizbuch kann das schon? Gibt´s auch als App.“

Und – wo wir eben bei den „etwas Älteren“ verharrt waren – was ist eigentlich aus der guten alten Schreibblockade geworden? Hier findet sich ein Schwung von Tipps und Hilfestellungen, wie man sie überwindet. Steve Hartman, Korrespondent von „CBS News“ nimmt es so: „Mein Ratschlag, wie man diese tägliche Hürde nehmen kann: an die Tastatur setzen und tippen. Ich werfe die Worte einfach hin wie Scrabble-Steine aus einem Becher. Wenn ich das lange genug mache, kommt irgendwann etwas dabei heraus. Sobald ich ein paar Zeilen zusammen habe, überarbeite ich alles. Ich bin ein schrecklicher Autor, aber manchmal entsteht nach dem 13. Entwurf etwas Gutes.
Natürlich gibt es Zeiten, in denen ich nicht einmal die ersten paar Worte finde. Für solche Tage habe ich zwei Ratschläge. Wenn möglich, gehe ich ins Bett und fange am nächsten Morgen noch mal an. Wenn ich aber eine Abgabefrist habe, schreibe ich einfach und zerbreche mir nicht weiter den Kopf darüber. Ironischerweise führt genau das oft zu den besten Ergebnissen.“

 

Alle sprechen davon, dass Journalisten zur Marke werden. Unternehmerisch denken sollen. Es gibt eine Lobby für freie Journalisten. Es gibt ein Bewusstsein dafür, dass Redaktionen auf freie Journalisten angewiesen sind. Mehr noch: Redaktionen wissen, dass sie ohne das Know-how ihrer freien Mitarbeiter schlicht keine Zeitung, kein Magazin, keine Sendung mehr zusammenbekommen“ – so eröffnet nun auch der „Journalist“ eine neue, fortlaufende Serie über die Zunft von uns freien Journalisten und will diese zum Sprechen bringen.

Wir wollen jetzt nicht allzu besserwisserisch sein – aber aus genau diesem Grunde (und anderen dazu) gibt es die Freischreiber. Und das schon seit einiger Zeit …

Dies und das

 

Juliane Wiedemeier von den „Prenzlauer Berg Nachrichten“ ist in die angeblichen Tiefen des Lokaljournalismus abgestiegen (Kennen Sie das, ältere Herrschaften, die einem von der Seite zuraunen: 'Ich habe früher auch über Kaninchenzüchter und Feuerwehrbälle geschrieben, oh ja, von der Pike auf …'?) und führt uns ein in diese Welt: „In den vergangenen Monaten habe ich mich ausführlich mit dem Pankower Bezirkshaushalt auseinandergesetzt. Gut. Das klingt jetzt erst mal so, als ob ich mir sonst gerne bei vollem Bewusstsein die Fingernägel herauszöge und nachts auf einem Nagelbrett schliefe, um mich danach über dessen Weichheit zu beschweren. Ganz so schlimm ist es nicht. Aber da ich ja schon Online-Lokaljournalismus mache, den Pullunder tragenden, müffelnden Stiefvetter aus der eh nicht sonderlich beliebten Familie des Journalismus, dachte ich, kommt es darauf jetzt auch nicht mehr an.“

Was sie dort erlebt hat und wie dann die Rudolf Augstein Stiftung zum tragen kam – tauchen Sie bitte ein!

 

Beim Lokaljournalismus bester Art ist auch Ralf Heimann geblieben – allerdings hat er seine feste Stelle bei Zeiten gekündigt und arbeitet nun als Freier. Warum, erzählt er in einem Interview mit Johanna Popp: „Sie haben sich jetzt vor Kurzem selbstständig gemacht. Wie kam es denn dazu?“ – „Das hatte unterschiedliche Gründe. Ein wesentlicher Grund war, dass sich das Denken in einer Lokalredaktion immer nur um die Zeitung dreht. Ich hatte immer das Gefühl, wenn etwas in der Stadt passiert, dann kann das bei Twitter rauf- und runterlaufen, bei Facebook hundertmal geteilt werden, im lokalen Radio thematisiert werden, abends im Fernsehen kommen – aber wenn am nächsten Tag nichts in der Konkurrenzzeitung steht, dann ist alles in Ordnung. Dieses fixierte Denken war der Hauptgrund für mich, da wegzugehen. Dann diese Arbeitsbedingungen: „Ja mach mal diese Geschichte hier, das ist ja nur ein Anruf.“ Und abends hat man noch nicht richtig recherchiert und dann ist da aber noch ein Loch auf der Seite und dann muss man’s doch schreiben. Man muss eigentlich dauerhaft Sachen machen, mit denen man nicht zufrieden ist. Und der dritte Grund war, dass man bei Lokalzeitungen keine Perspektive hat. Man fängt als Redakteur an, dann arbeitet man jahrelang, verdient nicht wesentlich mehr, hat auch keine Chancen, irgendwann nochmal mehr Geld zu bekommen, und je älter man wird, desto unattraktiver wird das.“

 

Konrad Weber macht ein anderes Fass auf: Er widmet sich dem digitalen Journalismus, der es nicht vermöge seine eigenen, inneren Möglichkeiten auszuschöpfen, sondern oftmals nur daherkomme wie schon immer Print – nur nun auf dem Bildschirm zu lesen: „Schaut man sich an, was einem täglich im Netz vorgesetzt wird, hat das mit digitalem Journalismus leider meist gar nichts zu tun. Allerhöchste Zeit also, mit dem klassischen Artikel und den damit zusammenhängenden antiquierten Produktionsmechanismen zu brechen.“ Denn: „Die Standard-Artikelform im Netz besteht in 90% der Fälle aus einem Titel, Lead, Medienelement (Bild oder Video) und einem Text, aufgeteilt in mehrere Absätze.
Das klassische Format dominiert die Erzählform der Story und diese entsteht entlang klassischer Produktionsprozesse. Das heisst, dass das meiste Material, das eine Redaktion tagsüber produziert, abends abgeschlossen und publiziert wird.
Doch eigentlich müsste der Artikel unterschiedliche Funktionen erfüllen – einmal handelt es sich um ein Erklärstück oder einen Hintergrund, ein anderes Mal hat der Artikel einzig die Funktion eines Updates oder einer Zusammenfassung. Im seltensten Fall handelt es sich um eine Liveberichterstattung, sei dies mittels eines Liveblogs oder -tickers. Deshalb nimmt die Wertigkeit dieses Artikels nach der Publikation rasend schnell ab.
Kommt hinzu, dass die meisten journalistischen Angebote noch immer kaum personalisierbar sind und deshalb auch meist keine weiter greifenden Interaktionsmöglichkeiten zulassen.“

Er schließt seine Ausführungen allerdings ein wenig allgemein: „Die Herausforderung täglich von Neuem und unter Zeitdruck außerhalb der gewöhnlichen Umsetzungsarten zu denken, ist anspruchsvoll und verdient größten Respekt. Umso wichtiger ist das experimentieren, evaluieren und etablieren solcher Lösungen. Nur so erreichen wir einen neuen Standard von Journalismus, der dieses Internet verdient hat.“

 

Christian Jakubetz (da ist er ja schon wieder!) wiederum nimmt sich einen Liebling in der aktuellen Mediendebatte zur Brust: das crossmediale Ding, das versuche mehr und immer mehr Informationen zu bündeln und auf den verschiedenen Sinneskanälen zu verbreiten – das längst schon wieder tot sei. Und er setzt auf einen vielleicht anderen Weg: die ganz eigene Verknüpfung von Medium und dessen Nutzern. Denn: „Bei den “Krautreportern” kann man alle Beiträge lesen, ohne dafür zu bezahlen. Trotzdem bezahlen Menschen für dieses Angebot. Weil sie Mitglied einer Community sein wollen. Das ist die vermutlich spannendste Erkenntnis aus dem Crowdfunding-Projekt, das irgendwann mal in der Gründung dieser Seite endete. Abonnenten der “Wired” sind inzwischen auch nicht mehr einfach Abonnenten, sondern Member. Ein ähnlicher Gedanke wie er sich auch beim “Guardian” durchgesetzt hat. Was ja auch naheliegend ist: Journalismus und Medien sind schon lange nicht mehr die Grundversorger von Information. Information gibt es in einem nie gekannten Überfluss. Was Journalismus also inzwischen schon heute und künftig noch viel mehr ist: der Welterklärer auf der einen und der Positionsbezieher auf der anderen Seite. Weil jede Community eine ist, in der Menschen ein paar Werte und Haltungen miteinander teilen und sie sich in ihren Haltungen tendenziell lieber bestätigt denn erschüttert sehen.“

 

Freischreiberiges

 

Freischreiber Tim Farin hat zusammen mit dem fotografierenden Kollegen Philipp Hympendahl ein Buchprojekt realisiert: „'Beyond the Finish Line' wirft einen geduldigen Blick auf eine von Geschwindigkeit getriebene Welt des Spitzensports. Radsportfotografie, analog aufgenommen, mit überraschenden Perspektiven und charaktervollen Gesichtern, dramatischen Landschaften – und Texte, die einen nicht tagesaktuellen, oft auch poetischen Blick auf den Radsport werfen.

Wir haben es im Selbstverlag hochgezogen – weil wir der Meinung sind, dass das eine klare Nische interessieren wird, die wir nun selbst bespielen werden. Bestellen kann man derzeit erst hier, wir erschließen aber weitere Kanäle.“

Gerne weisen wir darauf hin!

Und gerne nehmen wir weitere Meldungen über Projekte aller Arten von Freischreibern und Freischreiberinnen entgegen …

 

Preise und Stipendien

 

Sie sind jung und träumen vom Durchbruch? Nun – erneut ist der Axel-Springer-Preis für junge Journalistinnen und Journalisten ausgeschrieben, die vom Durchbruch träumen. Gesucht werden Journalisten, die – Zitat: „Die sich begeistern: für die Exklusiv-Stories, die sie recherchieren; für die News, die sie aufspüren; die Sprache, die sie formen; den Stil, den sie prägen. Journalisten, die für ihre Themen brennen. Die für ihren Beruf leben.“

Voila! Das klingt doch cool!

Vergeben werden Preise in den Kategorien Print, Fernsehen, Hörfunk und das gute, alte Internet. Insgesamt sind 54.000 Euro Preisgeld ausgelobt. Und der Einsendeschluss: 15. Januar 2015.

Zusätzlich ist ein europaweiter Sonderpreis mit dem Titel „1914 – 2014. Was wir aus der Geschichte (nicht) gelernt haben“ ausgeschrieben. Dotierung 10.000 Euro.

 

Etwas weniger wuchtig kommt die nächste Ausschreibung daher: „Der Verein Münchner Sportjournalisten (VMS) schreibt zum Gedächtnis an seinen 1997 verstorbenen langjährigen Vorsitzenden zum 14. Mal den Helmut-Stegmann-Nachwuchs-Förderpreis für regionale und lokale Sportberichterstattung aus.
Der Wettbewerb ist offen für VMS/VDS-Mitglieder und Nichtmitglieder. Teilnahmeberechtigt sind die Geburtsjahrgänge 1982 und jünger. Die Teilnehmer müssen im VMS-Einzugsgebiet (Oberbayern, Niederbayern) tätig
(gewesen) sein, die Texte sich mit Themen aus diesem Bereich befassen. Jeder Teilnehmer kann bis zu zwei Beiträge einsenden, aber jeweils nur einmal prämiert
werden. Und die Texte sollen nicht länger sein als 7000 Zeichen.

Einsendeschluss ist Dienstag, 13. Januar 2015 (es gilt der traditionelle Poststempel).

 

Sonstige Termine

 

Der Verband unabhängiger Musikunternehmen lädt ein und stellt vermutlich aus einem gewissen Eigeninteresse heraus die Frage: „„Entschuldigung, wo bitte geht's hier aus der Krise?“- Zum aktuellen Zustand des gedruckten Musikjournalismus“.

Denn: „Die Klage über den kriselnden Status der Musikmagazine ist als ein Refrain der Digitalisierungs-Debatten längst zum etwas überstrapazierten Ohrwurm geworden. Aber auch wenn alle schon mitsingen können, fehlt bislang der Antwort-Song.“
Und daher: „Wir erhoffen uns neue Ideen für Germany’s next Musikjournalismus von einem hochkarätigen Panel bei diesem letzten Hamburger Musik Forum des Jahres: Mit Torsten Groß (Spex) und Dennis Plauk (Visions) sind zwei aktuelle Chefredakteure, mit Max Dax (ehemals Spex und Electronic Beats) und Felix Scharlau (ehemalsIntro) zwei emeritierte (Chef-) Redakteure geladen, die ihre Expertise zum Besten geben sollen.“

Ort: Hamburger Botschaft in Hamburg in der Sternstraße. Datum: Montag, 15. Dezember, ab 19.30 Uhr.

 

So. Das war's schon wieder. Und der Rausschmeißer? Muss diesmal warten! Denn morgen (falls Sie heute den Newsletter geöffnet und auch gelesen haben) startet „Butterland“. Butterland? Ein Team aus acht Köpfen – von er Programmiererin bis zum Texter. Und es geht um Lokales, scheinbar, unspektakuläres. Mal sehen, wie's wird. Der erste, noch feststehende Eindruck ist recht verlockend …

 

In diesem Sinne
Ihre Freischreiber

 

 

 

 

 

FREISCHREIBER TERMINE

 

Berlin

Zu vermelden ist eine Absage wegen Krankheit:

Der Stammtisch am 11.12. fällt aus!
 

Aber – er wird im Januar natürlich nachgeholt. Und darum geht es:
 

"Magazine ohne Schreiber: Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen bei G+J und wie waren die Erfahrungen bei Vorläufern in anderen Redaktionen/Verlagen?“ Darüber wollen wir sprechen mit den Journalistinnen Katja Kullmann und Nataly Bleuel. Und das am Donnerstag, den 15. Januar 19.30 Uhr an Gemmas Wohnzimmertafel in Charlottenburg. Anmeldungen bitte an: gemma.poerzgen-at-gmx.net