Liebe Kollegen und Kolleginnen,
Mitglied bei Freischreiber? Und heute, am 8. August, Mittag Zeit, genau um 12 Uhr? Denn da gibt es den nächsten „#freimittag“, die Nummero acht. Diesmal ist Uwe H. Martin zu Gast und spricht mit Yvonne Pöppelbaum über Multimedia Storytelling: „Dazu nehmen wir uns eine Produktion im Auftrag von „GEO Spezial“ vor und reden darüber, wie hier Fotografie, Film und Ton zusammenspielen und wie der Beitrag entstanden ist: Wie findet man das richtige Team? Wie hoch ist der Zeitaufwand für Vorbereitung, Produktion und Schnitt und was für ein Budget muss man für eine solche Produktion einplanen?“
Termin: Freitag, 8. August, 12 Uhr. Mehr zu Uwe H. Martin finden Sie hier. Wer schon einen Blick auf den Beitrag “Heimathafen” werfen möchte: bitte hier entlang.
So, das musste schnell vermeldet werden … und jetzt geht es etwas ruhiger, aber nicht weniger interessant weiter. Denn Kathrin Hollmer von der „Süddeutschen“ hat festgestellt, dass Frauen zwar nach wie vor in den Führungsetagen von Medienunternehmen unterrepräsentiert sind, dafür aber seien sie vorne an beim Gründen neuer Medieninitiativen, und sie hat sich in der Szene umgeschaut: „Es sind vor allem Frauen, die mit Magazin- und Medienunternehmensgründungen sowie entsprechenden Crowdfunding-Aktionen auffallen, auch, weil sie bislang so unterrepräsentiert waren – unter den Unternehmensgründern wie unter den Medienmachern: Die Reporterin Jessica Schober bekam für ihre „Wortwalz“, eine Gesellenwanderung durch deutsche Lokalredaktionen, mehr als 2000 Euro zusammen. Die Journalistin Denise Linke sammelte auf Startnext 20 000 Euro für „N#mmer“, ein Magazin für Autisten und Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Nora Wohlert und Susann Hoffmann haben gerade „Edition F“ gegründet, eine „Business-Lifestyle-Plattform“ für Frauen. Bereits 2013 hat die Initiatorin des Hashtags #aufschrei, Anne Wizorek, das Gemeinschaftsblog „Kleinerdrei.org“ gegründet, und Josephine Götz sammelte für ihr Magazin „Päng!“, eine Art Landlust für Hipster, mehr als 10 000 Euro. Lisa Altmeier und Steffi Fetz, beide 26, sammelten 4000 Euro für ihr öffentlich finanziertes Reportage-Projekt „Crowdspondent“, bei dem sie sich von ihren Lesern durch Deutschland schicken lassen und die Themen recherchieren, die jene ihnen vorgeben. Mehr als 5000 Euro haben sie gesammelt.“
Und weiter: „Die Klischees von Zickenkampf hier und männlichem „Ellenbogenjournalismus“ dort sind längst überholt. „Wir haben alle im Beruf sehr gute Erfahrungen mit Männern gemacht, aber ich weiß, dass es auch andere gibt“, sagt Sandra Zistl und formuliert etwas, das eine ganz andere Art von Frauenkarte sein könnte: „Ich spüre heute so etwas wie eine besondere Komplizenschaft unter Frauen in den Medien.“ Vorgestellt wird auch das Projekt der Rechercheplattform „hostwriter.org, mit der Freischreiber kooperiert.
Jessica Schober wurde eben schon erwähnt – sie ist mittlerweile auf der „Wortwalz“: „Bei trübem Wolkenhimmel bin ich von meinen Münchner Freunden auf den Weg gebracht worden. In bester Tradition haben wir vorher noch eine Flasche Schnaps unterm Ortsausgangsschild getrunken, um mich dann darüber zu schobern, äh zu schieben. Sogleich habe ich mir meinen lächerlich großen und viel zu schweren Rucksack aufgesetzt und bin – ohne mich nochmal umzudrehen – losmarschiert. Aus meinem Bannkreis bin ich dann zu Fuß heraus spaziert. Immer an der B13 entlang. Oh Deutschland, deine Gewerbegebiete und Radwege lassen mein Herz höher schlagen. Es war zwar kein schöner Wanderweg, aber ich kam gut voran. Unterwegs traf ich einen Fuchs auf einem Autoschrottplatz und einen Rentner, der von München nach Kassel radelte. Mit beiden hatte ich vorzügliche Unterhaltungen.“
Neu unterwegs ist auch das Duo von „SIEH DIE WELT“, der nächsten spannenden journalistischen Neugründung: „SIEH DIE WELT ist ein digitales Magazin für Reportagen, die vorwiegend aus dem Ausland berichten. Multimedial in Wort, Bild und Ton. Unsere Autoren sind ausgebildete und erfahrene Journalisten. Das Magazin finanziert sich durch die Unterstützung seiner Leser.“ Aktuell sind Reportagen aus Afghanistan, aus Indien und von der Insel Java zu lesen.
Dem angeblich freien Wochenende und dessen wachsendem Zeitungsoutput widmet sich Freischreiber Wolfgang Michal auf carta.info: „Eine einzige Samstags-Ausgabe der SZ bietet heute so viel Lesestoff, dass man problemlos eine Woche davon zehren kann. Vor allem die langen Stücke, die nicht selten eine Zeitungsseite einnehmen, haben stark zugenommen. Aber nicht nur die. Themenseiten werden zu Doppelseiten aufgepumpt und Doppelseiten zu mehrseitigen Extras ausgebaut. Das liest sich nicht mehr so weg wie damals zwischen Frühstück und Arbeitsbeginn. Obwohl in allen Chefredaktionen ständig über viel zu lange Texte geklagt und über kürzere Stücke nachgedacht wird, schreiben die Journalisten in Wahrheit immer längere. Offenbar sind die Sachverhalte und Konflikte dieser Welt sehr viel komplizierter geworden oder der Arbeitsnachweis, den die unter Druck stehenden Journalisten erbringen zu müssen glauben, verleitet sie automatisch zur Langform. Die Schreiber wollen sagen: Es hat sich gelohnt, dass ihr mich beauftragt, angestellt, auf Reisen geschickt habt: Ich bringe ordentlich Stoff mit. Mein Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Eine viertägige Dienstreise, die nur einen kleinen Bericht abwirft, wäre in diesen Zeiten Verschwendung. Außerdem werden Redakteure heute von Verlags-Controllern nach ihrem Output beurteilt, nicht nach den Inhalten. Und zu guter Letzt lieben die Journalisten die Langform deshalb, weil alle Journalistenpreise (die über den Marktwert der Journalisten mitbestimmen) ausschließlich für lange, komplexe Geschichten vergeben werden. Lange, komplexe Geschichten strahlen Bedeutung aus.“
Nächste Neuerung: Richard Gutjahr sagt in seinem aktuellen Blogbeitrag zur Sommerpause „Arbeit to go – mit Platz für mich“ ganz bewusst oft „ich“, wenn er von seinem neuen Leben erzählt. Denn: „Seitdem ich blogge und von jedem Ort der Welt arbeiten kann, kenne ich keinen Feierabend mehr. Und obwohl meine Arbeitstage oft 16 Stunden lang sind, möchte ich nie wieder zurück in mein altes Leben.“ Und so lernen wir seine drei Rollkoffer kennen, die er oft genug gar nicht mehr auspackt, flanieren mit ihm über Flughäfen, die die einsamsten Plätze der Welt sein können und schwärmen mit ihm am Ende von Frei-sein: „Versteht mich nicht falsch – ich bin stolz, in einigen der besten Medienhäuser des Landes arbeiten und gelernt haben zu dürfen. Doch ein fester Arbeitsplatz ist wie eine Mauer, sie funktioniert in zwei Richtungen: Einerseits beschützt sie dich vor Arbeitslosigkeit und bietet eine gewisse innere Ruhe und Planungssicherheit. Andererseits schirmt Sie dich aber auch ab von neuen Entwicklungen, Ideen und Möglichkeiten. „Alltag vergiftet das Denken und besonders die Selbstreflexion“, sagt Sascha Lobo, der schon vor 8 Jahren mit seinem Buch „Wir nennen es Arbeit“ den Begriff der „Digitalen Bohème“ geprägt hatte. „Die klassische Festanstellung erschien mir lange wie etwas völlig Widernatürliches“, so Lobo. Routine breitet sich aus, wie ein schleichendes Serum, das nach und nach deine Neugier, Experimentierfreude und Risikobereitschaft abtötet. Auch ich spürte dieses Gift schon oft in mir wirken.“ Aber es gibt ja offenbar ein Gegengift …
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Dies und Das
„Zeitungen waren Statussymbole – wer zur Mitte gehören wollte, musste Zeitung lesen. In dem Moment aber, in dem dieses Modell seine Attraktivität verlor, verlor auch die Zeitung bei jüngeren Menschen an Bedeutung“ – durchaus nicht unsteil sind manche Thesen, die Medienforscher Andreas Vogel in einem Interview mit der „Taz“ präsentiert und in dem er die aktuelle Medienkrise als eine Krise der bürgerlichen Mitte erklärt: "Der Abstieg der Tagespresse begann parallel mit einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Die Grenzen des Wachstums waren erreicht, die bürgerliche Mitte schon lange nicht mehr die ideale Lebensform. Das Modell: Vater, Mutter, Kind blieb nicht länger der alleinige Lebensentwurf. Stattdessen individualisierten sich die Leute, die Gesellschaft wurde heterogener. Klar, dass das Konzept der „Zeitung für alle“ nicht mehr reibungslos funktionierte.“ Entsprechend gäbe es Hilfe, würde man sich nur bewege: „Journalisten und Verleger müssen heute von ihrem Balkon herunterkommen, der sie glauben lässt, sie würden sowieso gelesen, egal was sie schreiben. Stattdessen sollten sie sich damit auseinandersetzen, dass es relevante Zielgruppen gibt, die sich von der Tagespresse nicht mehr repräsentiert fühlen: Migranten, Großstadtsingles, ärmere Menschen. (…) Die Verlage könnten anfangen, mit solchen Ideen zu experimentieren. Dann gibt es eben mal eine Wochenendausgabe speziell für Familien und parallel eine andere Ausgabe für kinderlose Großstadtmenschen.“
Grundsätzlich weg vom Papier, egal ob nun für den veganen Kinderreichen, den überkonfessionellen Atheisten oder was es sonst noch an möglichen Zielgruppen gäbe, bewegt sich der „rufposten.de“. Und er stellt mal das Genre der „Scrollreportage“ in schöner Anschaulichkeit vor und empfiehlt dazu diverse Tools, mit denen man Scrolltelling jenseits eines großen Budgets und einen imposanten Teams realisieren könne: etwa „Aesop“ oder „sStory“ oder den „Pageflow Editor“. „Im Editor bietet Pageflow nicht so viele Eingreifmöglichkeiten wie Creatavist (z.B. kann der Text auf den Panels nicht frei umformatiert oder woanders positioniert werden). Was fehlt sind auch abwechslungsreichere Panels, z.B eine Landkartenfunktion und Textfelder, die man mit einem oder mehreren Bildern ergänzen kann. Dafür geht die Arbeit mit Pageflow sehr schnell voran, kein Tool war flotter. Nach einer Stunde war aus meinen vorbereiteten Texten, Bildern und Videos eine Scrollreportage gebaut. Hilfreich beim Betexten ist die sehr einfache Bildabdunklung oder -aufhellung, mit der man die Schrift auf vollformatigen Bildern oder Videos gut lesbar machen kann. Sie macht gleichzeitig einen großen Teil der ansprechenden Ästhetik von Pageflow aus. Ebenfalls toll ist, dass das Hochladen und Dekodieren im Hintergrund abläuft, so dass der Redakteur in dieser Zeit bereits weiterarbeiten kann, z.B. an den Überschriften und Texten des aktuellen Panels. Und ein weitere Bonus: Das Programm frisst problemlos Bilder und Videos im ungünstigen Verhältnis 2:3. Alles wird automatisch angepasst.“ Und alle Tools sind sehr schön mit Beispielen unterlegt.
Noch mal zurück in die vermutlich gar nicht gute alte Zeit führt ein Beitrag im Deutschlandfunk (dessen besonders des Nachts mit sonorster Stimme vorgetragenen Verkehrsmeldungen („… kommt Ihnen zwischen Unterhuppfingen und Oberhuppfingen eine Pilgergruppe entgegen …“) Freischreiber-Newsletter sehr schätzt) und erinnert an das Auftauchen der eMail vor dreißig Jahren dank eines Gespräches mit Michael Rotert, der damals die erste eMail in Deutschland empfing: „E-Mail-Programme gab es damals schon, die waren allerdings sehr kryptisch. Aber es gab ein Programm zum Erstellen von Nachrichten, zum Lesen von Nachrichten, und witzigerweise sehen die heute noch fast genauso aus, nur kann ich die heute mit der Maus behandeln, aber das ist auch fast der einzige Unterschied. Das Schwierigste war immer noch, die Adressen rauszubekommen, das war nicht ganz so einfach. Man musste noch wissen, wenn die Benutzer an anderen Netzen waren, wie ich die Adresse aufzubauen habe. Es gab noch nicht diese Namen und Adressen, wie man sie heute kennt, mit zum Beispiel „mail-at-rotert.de“. Diese Namen waren noch nicht vorhanden, sondern es waren meistens irgendwie die Namen von Rechnern, und da hatte jeder so seinen eigenen Geschmack. Aber ich war erreichbar als „rotert@germany“, was heute gar nicht mehr funktioniert.“ Heute ist Michael Rotert Chef des Verbands der deutschen Internetwirtschaft – es hat sich für ihn also gelohnt.
Unterwegs sein
„Liebe Freischreiber“, schreiben uns www.reporterreisen.com von der „Zeitenspiegel-Reporterschule Günter Dahl“, „Mitte April setzten wir uns in drei Autos, fuhren 1800 Kilometer und passierten acht Grenzen, um im Herzen des Balkan ein Land zu besuchen, über das nur wenig gesprochen wird. Wir wollten wissen: Wie geht es eigentlich dem Kosovo, dem jüngsten Land Europas? Entstanden ist „Apropos Kosovo“, ein Online-Magazin mit zwölf Reportagen. Wir, das sind zwölf Journalistinnen und Journalisten des neunten Lehrgangs an der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl. Die Reise und das Magazin sind Teil unserer einjährigen Ausbildung. Sie waren eine spannende Herausforderung. Wir mussten Geschichten in einem Land finden, über das die meisten nicht viel mehr wussten als: Ex-Jugoslawien, Krieg, Kopfweh-Wein. Wir lernten dort, mit Dolmetschern zusammen zu arbeiten und mit widrigen äußeren Umständen umzugehen. Wir freundeten uns mit Foto- und Videokameras an (oder auch nicht; manche entschieden sich, künftig bei Stift und Zettel zu bleiben). Vor allem aber lernten wir, dass der Kosovo viel mehr mit uns zu tun hat als wir dachten. Falls Sie Ihren Mitglieder von unserem Projekt erzählen möchten, freut uns das sehr. Unsere Chefredakteure – zwei Schüler des aktuellen Lehrgangs – stehen Ihnen für Fragen gerne zur Verfügung!
Viele Grüße aus Reutlingen!
Christina Schmidt und Andres Eberhard für den 9. Lehrgang der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl.
So. Das war's schon wieder. Jedenfalls fast. Denn wir möchten zuletzt noch einen rasanten Beitrag aus der Reihe „Ulrich protestiert“ empfehlen, die sich diesmal das Thema der Selbstoptimierung vorgenommen hat – nach dem Motto „Besser werden bis der Arzt kommt“ oder : „Mein Traum: Der Tag hätte 30 Stunden!“. Seien Sie also dabei, wenn Menschen über glühende Kohlen laufen, ganz raffinierte to-do-Listen runterrocken und immer lauter rufen: „Ja, ich will! Ja, ich kann!“ Denn seien Sie ehrlich: Könnten nicht auch Sie noch viel, viel, viel mehr aus sich machen? Wissen Sie, was wirklich in Ihnen steckt? Soll Ihnen da nicht mal jemand auf die Sprünge helfen?
In diesem Sinne
Ihre Freischreiber
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