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[Der :Freischreiber-Newsletter]

vom 18.04.2014

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir beginnen zeitgemäß demütig und entschuldigen uns für einen faux pas: Sorry „Süddeutsche“, der wir die „taz“ als Vorbild in Sachen „so geht online/print/verjüngung“ vorgehalten haben. Zu früh gefeuert. Frauke Böger hat’s doch nicht von der Hoodie- in die Chefetage geschafft. Hätte doch lieber „zum Boxen gehen sollen“, twitterte sie, nachdem sie das erfuhr und Kollege Deniz Yücel, der die Frauen liebt, twashte gegen das eigene Blatt „SZ“ für Arme“… „dumm&bräsig“, „Angst vorm Internet“.
Schlagt euch nicht. Ist die „taz“ doch eben erst 35 geworden, Glückwunsch! Bestes Y-Alter, da geht sicher noch was online.

Ist ja doch irgendwie verschlungen Print und Internet und unfassbar die Leser. Gerade hat das „Internet-Magazin“ aufgeben müssen, und schon lädt man uns am Kiosk zum „Neustart“ ein. Mit dem Redaktionsleiter des neuen Mag, Luca Caracciolo hat Vocer gesprochen. 
Was er vorhat? Auf jeden Fall „Wired“ Konkurrenz machen. Die hätten zwar ordentlich Leser, allerdings komme ihnen das Magazin nicht entgegen, sondern übersetzen einfach die amerikanische Nummer 1:1. Das stellt sich „Neustart“ anders vor. Dabei will es nicht Hipsterblatt sein, sondern Neonleser mit Interesse für Digitalwirtschaft ansprechen. Interessant auch, dass es ursprünglich ausschließlich als Printversion geplant war, denn die Redaktion ist laut Caracciolo „der Überzeugung, dass Print alles andere als tot ist. Im Gegenteil: Print erlebt derzeit ein kleines Revival.“ Gerade die Tablet-Nutzer nämlich merken jetzt, dass im Magazin auf dem Tablet herumzuscrollen weniger Spaß macht, als in einem Heft herumzublättern.

Und es ist noch immer Luft für neue Print-Leseblätter. Merkt die „NZZ“ an und schaut erstaunt ins Nachbarland: Wer hätte das aber auch gedacht: da machen sie in Deister (liegt Nordwesten) und im Hamburger Stadtteil Harburg das Lokalblatt dicht, und die arbeitslosen Kollegen heulen nicht, sondern stellen einfach eigene Lokalblätter auf die Beine. Ganz unsere Rede, selber machen is it! Wolf Kasse ist der Macher des „Deister Journals“ und die Leser tragen es mit. Zeitungsjournalismus kann sich also lohnen, fasst die „NZZ zusammen, denn trotz des weit verbreiteten Gejammers seien Renditen von bis zu 20 Prozent drin. Das Züricher Blatt muss es wissen, nicht nur weil sie die Freien eher lausig honoriert, sondern weil sie den Markt gerade sehr gründlich sondiert. Bevor sie jedoch Schweizer Qualität nach Deutschland exportiert, testet sie gerade die österreichische Zielgruppe zwischen Standard und katholischer Presse, „First we take Vienna titelte.. ja die „taz“.

Der Ex- dapdler Cordt Meyer zieht indes gleich ein ganz neues Fach auf und macht in Roboterjournalismus, berichtet meediaMit seinem frisch gegründeten Berliner Start-up „Text-on“ will er aus Daten automatisch komplette Texte generieren, etwa Berichte über Fußballspiele. Mitgründer sind Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts für Kommunikation, die fünf Macher aus dem derzeit angesagten Feld der "narrative science" ein neues Geschäftsmodell machen wollen. I’ll be back – er hatte es ja versprochen. Dabei hatten wir nach der Lektüre von Lorenz Matzats Artikel auf Netzpolitik.org noch überlegt, ob wir uns wirklich jetzt schon mit Drohnen-, Sensor- oder eben Roboterjournalismus auseinandersetzen müssen. Hier kann man nachlesen, was Meyer und seine IT-Kollegen antreibt: „In der ersten Phase werden Roboter redaktionelle Assistenz leisten: Automatisierte Recherche, Faktenüberprüfung, Scannen von Social Media und Sensornetzwerken; Mitlesen-, -hören, -schauen von Websites, Radio- und TV-Sendern“. Beispiel Quakebot, damit erstellt die „LA Times“ automatisch generierte Erdbebenberichte in Echtzeit. Entsprechend könnte man sich den Roboterkollegen natürlich auch als Faktenassistenten denken, so dass „während ein Autor an einem Beitrag arbeitet, Software das bislang Verfasste interpretiert und entsprechend ständig weiteres Material sowie Satzbausteine heranschafft. Software wird zudem auch Bilder vorschlagen, schlichte Diagramme kreieren, Karten- und Videoausschnitte bereit stellen. Ein weiteres Einsatzgebiet der Assistenz werden Live-Ticker und Plattformen wie Storify sein…“
Vielleicht setzen Zeitungsmacher aber auch deshalb jetzt auf Robots, weil sie von abtrünnigen Lesern genervt sind. Nicht mal der Pulitzerpreis hält sie bei der Stange, hat Nate Silver von der online Nachrichtenplattform Fivethirtyeight.com herausgefunden. Nur die "New York Times", die seit 1990 die meisten Preise gewonnen hat, konnte ihre Auflage steigern. Bei allen anderen ging der Verkauf weiter nach unten. Trotzdem Glückwunsch an den „Guardian“ und die „Washington Post“, die gerade den Pulitzer eingeheimst haben – und zwar für die Veröffentlichung der NSA/Snowdon-Papiere.

Dies und Das

Wenn sich die Journalisten langweilen, während ihr Robot durchs Netz krault, können sie ja inzwischen weitere Micropayment-Modelle ersinnen, etwa in Vienna, mehr dazu gleich oder zum kleine, knackig-flockige Kurzmeldungen wie auf dem neuen Wiki-Tumbler TL;DR.
Etwa so: “Encyclopaedia Britannica – is a compendium of reference bookscontaining the most up-to-date information about the U.S.S.R.” – “Greece – is Europe’s Detroit” oder, ebenso knapp und dazu pietätlos, furs heutige Datum wohl unerlässlich zu wissen: “Crucifixion – was a barbaric roman method of making a scarecrow.” Alles klar. Erst der nächste Big-Data-Schub wird uns in Richtung Skynet schicken.

Das Buch

Echt was aufatmend-österliches hingegen ist das Buch „Völlig utopisch! 17 Beispiele einer besseren Welt“ ein Gemeinschaftsprojekt von Weltreportern und Freischreibern, herausgegeben von Marc Engelhardt. Demnach gibt es sie doch: realisierte Utopien. Die Autoren haben sie über die ganze Welt verstreut aufgespürt: Menschen, die mit Abenteurergeist und Chuzpe den Traum eines besseren Lebens im Hier und Jetzt erfüllen – und dabei nicht selten den etablierten Staaten an den Karren fahren. Das Glück, trotz aller Widerstände, in die eigene Hand nehmen. Das ist nicht immer einfach, aber offenbar doch machbar.

Konferenz

Was machen Sie am nächsten Freitag, den 13ten? Fragt das Forum Journalismus und Medien Wien und lädt zur Konferenz, denn „Wir denken an’s Geld. Save the Date: Am 13.6.2014 veranstalten unsere Wiener KollegInnen einen (englischsprachigen) Konferenztag zu neuen Geschäftsmodellen im Journalismus. Mit dabei u.a. der CEO der zweitgrößten US-Zeitungskette John Paton, Medienberater Ken Doctor (bekannt über seinen „Newsonomics“-Blog), Medienökonomin Lucy Küng, Anita Zielina vom Stern, die Neugründer Hansi Voigt (Watson), Rob Wijnberg (De Correspondent – Crowdsourcingmeister), Richard Gutjahr. Hoodie Stefan Plöchinger u.a. Mehr hier. Oder hier.

Preise

Otto Brenner Preis – die Otto Brenner Stiftung schreibt auch dieses Jahr wieder ihren Preis für kritischen Journalismus aus. Bewerben kann man sich bis 15. Juli. Der Preis wird in fünf Kategorien vergeben und ist mit insgesamt 47.000 Euro dotiert. Außerdem sind drei Recherche-Stipendien (à 5.000 Euro) ausgeschrieben. Mehr hier.

Recherche – und zwar auf eigene Faust und eigensinnig – das treibt auch Ronja von Wurmb-Seibel. Ihre Kolumne, mit der sie hautnah über das Leben in Kabul berichtete, erschien sechs Monate lang wöchentlich in der „ZEIT“. Nach dem Tod von drei Journalisten in Afghanistan wurde die Zeit-Kolumne eingestellt. Wurmb-Seibel aber ist noch dort, denn sie findet gerade jetzt braucht Afghanistan Zuhörer und Zuschauer. Ab jetzt gibt es ihre Geschichten hier, jeden Freitags, eine neue – „für je einen Euro“. Unterstützen wir sie!

… und bleiben Sie aufmerksam. Vor allem die nächste Zeit, denn der Freischreiber-Newsletter macht zwei Wochen lang Medien-Fasten.
W’ll be back
Ihre Freischreiber

 

FREISCHREIBER TERMINE

Berlin

Um "Kooperatives Arbeiten und Selbstvermarktung im Netz" geht es beim nächsten Berliner Regionaltreffen am Dienstag, 6. Mai um 19.30 Uhr. Wir sprechen mit Marcus Jordan, Chefredakteur von Torial www.torial.com, mit dessen Portfolio-Netzwerk die Freischreiber eng zusammenarbeiten und ihre Website verknüpft haben. Anmeldungen an: gemma.poerzgen-at-gmx.net. Vor kurzem war Marcus Jordan bei den Frankfurter Freischreibern – das Protokoll zum Reinschnuppern hier.

 

Hamburg

Profilagentin Kixka Nebraska – hinter dieser Jobbeschreibung plus Künstlernamen verbirgt sich nicht etwa eine zwielichtige Gestalt aus dem neuesten James Bond-Film, sondern eine äußerst kompetente Social-Media-Expertin und Mitgründerin der „Digital Media Women“. Als Gast bei unserem nächsten Freischreiber-Stammtisch am 28. April um 19.30 im „Oberstübchen“ (St. Pauli Fischmarkt 27) hält Kixka einen Vortrag über die Chancen digitaler Sichtbarkeit und neuer Tools: Wie optimiere ich meinen Social-Media-Auftritt und vernetze meine verschiedenen Profile, wie werde ich mit meinen eigenen Seiten und Beiträgen optimal gefunden, wie und wozu nutze ich das neue Online-Tool „Google Authorship“? Danach steht Kixka für unsere individuellen Fragen zur Verfügung.
Anmeldungen, damit klar ist, wie viele Getränke kaltgestellt werden müssen, bitte an kontakt-at-ruth-hoffmann.de

 

München

Workshop: Nachdem der Vorschlag der gegenseitigen Textkritik so gut ankam, kommt jetzt der erste Freischreiber-Feedback-Workshop (FF-Workshop) am Samstag, 26. April von 12-17 Uhr, in der Marschallstraße 1 direkt an der Münchner Freiheit.
Anmeldung für zehn Leute über Lisa Rüffer: „Du willst mitmachen? Dann schreib mir eine Mail. Finden sich mehr als zehn Interessenten, gilt: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Für den Raum zahle ich 50 Euro Miete. Ich bring einen Kasten Wasser mit, es gibt eine Kaffeemaschine und ein Sparschwein freut sich über Futter.Wer einen Text einreicht: Überlegt Euch bitte vorher, ob ihr Kritik auch wirklich hören wollt. Und schreibt mir kurz dazu, welche Fragen Euch interessieren und wo ihr Probleme seht. Es können gerne auch Eure besten Texte sein.“ (Anmeldung war bis Mittwoch, 16. April: kontakt-at-lisarueffer.de)