review | Benedikt Scherm

Wenn Thor auf Greta trifft

Von Benedikt Scherm "Hey, hört mal zu, wir haben einen neuen Schüler bei uns in der Klasse. Stell dich doch kurz vor. Guck da hinten ist noch ein Platz frei." Wenn eine Sendung so beginnt, ist meist klar, was folgt: Der freie Platz ist neben der Außenseiterin, beide freunden sich an und trotzen dann gemeinsam irgendwie dem Schulalltag.

Von Benedikt Scherm

„Hey, hört mal zu, wir haben einen neuen Schüler bei uns in der Klasse. Stell dich doch kurz vor. Guck da hinten ist noch ein Platz frei.“ Wenn eine Sendung so beginnt, ist meist klar, was folgt: Der freie Platz ist neben der Außenseiterin, beide freunden sich an und trotzen dann gemeinsam irgendwie dem Schulalltag. So auch in der neuen Mystery-Serie Ragnarök vom dänischen Produzenten Adam Price, der mit der Politserie Borgen Erfolge gefeiert hat.

Der Neue ist Magne (David Stakston), ein Hüne mit Drahtbrille und Legasthenie, „aber dafür gut in anderen Sachen“. Die Außenseiterin ist Isolde (Ylva Bjørkaas Thedin), lesbisch, Nasenpiercing, Umweltaktivistin. Greta Thunberg lässt grüßen, denn der Gletscher am Fjord in Magnes neuer Heimat schmilzt und Schuld ist vermutlich der Industriekonzern Jutul. Für Neuling Magne stellt sich schnell heraus, dass seine neue Heimat nicht nur deshalb merkwürdig ist.

Es geht in Ragnarök um die nordische Mythologie. Mal subtiler (der norwegische Handlungsort Edda ist nach der Edda, einer skandinavischen Sagensammlung benannt) und mal weniger subtil, wenn Magne schließlich nach einer Begegnung mit einer alten Dame Eigenschaften des Donnergottes Thor entwickelt.

In der nordischen Mythologie heißt Magni der Lieblingssohn Thors, Ragnarök ist der finale Kampf zwischen Göttern und Riesen. In Edda hat der Serien-Thor Magne aber erst mal damit zu kämpfen, dass seine neue Freundin bei einem Gleitschirmflug stirbt. Für die Polizei ein klarer Unfall, doch Magne hat den Konzernchef von Jutul im Verdacht. Der, optisch eine finstere Mischung zwischen Pierce Brosnan und Dracula im Rollkragenpulli, pflegt blutrünstige Rituale.

Ab Folge vier von sechs wird das Verwirrspiel etwas klarer, doch so lange muss man erst mal durchhalten. Immer wieder sieht man ihn, wie er das gerade Erlebte in sein Smartphone diktiert, damit es auch jeder Zuschauer versteht: „Mit diesen Fähigkeiten, die ich erworben habe, weiß ich nichts anzufangen. Die machen nur mein Leben kaputt und bringen Probleme und so.“

Probleme macht dann auch die Liebesgeschichte zur unauffälligen Gry (Emma Bones), die sich aber erstmal lieber mit dem so coolen wie arroganten Industriellensohn Fjor aus Edda (Herman Tømmeraas) abgibt. Dass sich in der Serie ein Armdrücken wie ein Erdrutsch anhört, und die Action auch sonst aus einem Splattermovie stammen könnte, dass die Darstellerinnen und Darsteller einer zwölften Klasse eher nach Endzwanzigern aussehen, tut sein übriges: Ragnarök will so vieles sein, eine Art Percy Jackson, eine Parabel auf die Macht großer Firmen, ein Coming-of-Age-Stück und eine Serie zur Klimakrise, doch ist am Ende so wenig. Naturfreunde dürfen sich aber immerhin an den Bildern eines beeindruckenden norwegischen Fjords erfreuen.

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