„Viele kleine Patienten fallen durch die Maschen des Systems“
Die Kinderheilkunde zeigt die Probleme des DRG-Systems ( Diagnosis Related Groups; Bezeichnung für pauschalisiertes Abrechnungsverfahren in deutschen Kliniken; Anm. d. Red.) wie unter einem Brennglas. Viele kleine Patienten fallen durch die Maschen des Systems. Ein Beispiel: Ein Kind kam mit schweren Schäden am Gehirn und der Lunge zur Welt.
Die Kinderheilkunde zeigt die Probleme des DRG-Systems ( Diagnosis Related Groups; Bezeichnung für pauschalisiertes Abrechnungsverfahren in deutschen Kliniken; Anm. d. Red.) wie unter einem Brennglas. Viele kleine Patienten fallen durch die Maschen des Systems. Ein Beispiel: Ein Kind kam mit schweren Schäden am Gehirn und der Lunge zur Welt. Bei uns wurde es nun mit einer akuten Lungenentzündung eingeliefert, die „Hauptdiagnose“. Die mehrfache Behinderung hingegen lässt sich nicht abbilden. Doch dieses Kind hat natürlich einen komplett anderen Bedarf als ein „gesundes“. Es muss aufwendiger überwacht werden, braucht mehr Kontrolluntersuchungen.
Kinder machen bei medizinischen Maßnahmen nicht einfach mit, die Schwestern und Pfleger müssen viel mehr erklären und trösten, mit den Eltern sprechen. Eine Lungenentzündung verläuft wegen der Grunderkrankung mit der vorgeschädigten Lunge schwerer, und die Behandlung dauert schnell doppelt so lang. Die Kosten beliefen sich auf rund 9500 Euro, ersetzt bekamen wir in diesem Fall aber nur 2700. Es ist ein Grundfehler im System, dass nur die Diagnose betrachtet wird, nicht der Patient in seiner Gesamtsituation.
Zudem haben wir in der Kinderheilkunde enorme Vorhaltekosten aufgrund der vielen Notfälle, für die das Pflegepersonal und Ärzte tags und nachts bereitstehen müssen. 80 Prozent der Behandlungen sind kaum planbar. Im Winter quellen die Zimmer während der Grippeepidemie über, im Sommer stehen sie manchmal leer. Wir werden immer wieder zum Vorstand zitiert und müssen uns rechtfertigen. Er unterstützt uns, doch es gibt auch die Vorgabe einzusparen. Ein ständiger Kampf. Mit immer mehr Leistung versuchen wir zu kompensieren, was im Budget nicht abgebildet ist – was alle stresst.
Wir stehen im Konflikt zwischen unserem ethischen Anspruch, dem hippokratischen Eid – und dem Alltag, in dem plötzlich ökonomische Argumente schlagend sein sollen. Doch wir ändern unsere Medizin nicht, damit sie in das DRG-System passt. Das System muss sich den Bedürfnissen anpassen, nicht umgekehrt.
Sind Sie Ärztin oder Arzt? Falls Sie den Mediziner-Appell (hier zum Nachlesen) namentlich unterstützen wollen, schreiben Sie uns bitte an aerzteappell@stern.de.
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