Ukrainische Freiwillige an der Front: Nur Idioten haben keine Angst
In der Ukraine kämpfen auch Polizeieinheiten gegen die Invasoren. Eine Gruppe der Kyjiwer Polizei kümmert sich in der Ostukraine um befreite Dörfer. ichter Schneefall hängt über dem Dorfplatz. Ein grauer Tag, Mitte Februar, Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Eine junge Frau füttert einen Straßenhund. Ein Mann nähert sich ihr stotternd: „Oh, sie füttern Hündchen.
In der Ukraine kämpfen auch Polizeieinheiten gegen die Invasoren. Eine Gruppe der Kyjiwer Polizei kümmert sich in der Ostukraine um befreite Dörfer.
Dichter Schneefall hängt über dem Dorfplatz. Ein grauer Tag, Mitte Februar, Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Eine junge Frau füttert einen Straßenhund. Ein Mann nähert sich ihr stotternd: „Oh, sie füttern Hündchen. Darf ich auch mal?“ Er bekommt einen Hunde-Snack.
Und beißt herzhaft hinein.
Ein Uniformierter springt herbei: „Das müssen Sie nicht essen, gehen Sie ins Kulturhaus, dort bekommen Sie Lebensmittel.“ Der Mann dreht sich um, entdeckt in einiger Entfernung die Warteschlange. Er spuckt das Tierfutter aus und stellt sich an. Der Hund lässt das ausgeworfene Stück liegen.
Der Uniformierte ist Oleksandr, sein Kampfname „Prapor“, ukrainisch für Flagge. Von aktiv Kämpfenden sollen nur Vor- und Kampfnamen veröffentlicht werden, um Familienangehörige zu schützen, falls diese in russische Besatzung geraten sollten. Oleksandrs Polizeieinheit begleitet heute einen Spendentransport in ein befreites Dorf.
Pisky-Radkiwski liegt im Süden der Region Charkiw, direkt an der Grenze zur Oblast Donezk. In der Ferne donnern Schüsse, die Kampflinie ist in Artillerie-Entfernung, keine 40 Kilometer östlich von hier. Von April bis September herrschte in dem 1.500-Seelen-Dorf das russische Militär. Die Gemeindeverwaltung kollaborierte, sie floh später nach Russland.
Bootsmann, Opa und Bär
Entsetzt über den Hunger des Mannes, steht Oleksandr mit von Kälte gerötetem Gesicht neben seinen Kollegen der Polizeieinheit: Neben dem jungen Jaroslaw, Kampfname „Bootsmann“, der tiefe Ringe unter den großen hellen Augen hat, neben dem russischsprachigen Sergej, „Did“ (Opa), bei dem besorgte und ironische Mimik kaum zu unterscheiden sind, und neben dem kriegserfahrenen Kommandeur Oleh, „Medwed“ (Bär), ein großer Mann mit einem gutmütigen Lächeln.
Alle tragen Militärkleidung, erdfarbene Mützen, kürzere und längere Bärte. Sie wirken gleichberechtigt, respektieren einander, veralbern sich auch gegenseitig. Gibt es eine Aufgabe, packen alle mit an. Dass Oleh der Chef ist, wird erst in Gesprächen deutlich: Er hat die Übersicht über die Truppe, er kennt alle Aufgaben und Zuständigkeiten. Wenn er spricht, unterbricht ihn niemand. Er übt auch mehr Kritik an den Umständen, am ständigen Munitionsmangel beispielsweise.
Olehs Einheit hat im Laufe dieses Kriegsjahres schon dutzende Orte wie Pisky-Radkiwsi von russischer Besatzung befreit. Dabei sind sie keine Soldaten, sondern eine Freiwilligeneinheit der Kyjiwer Streifenpolizei. Seit März 2022 werden sie eingesetzt im Kampfgebiet. Etwa einmal im Monat begleiten sie wie heute Spendentransporte von Freiwilligen aus Deutschland und Kyjiw in frontnahe Orte, die kaum von großen NGOs beliefert werden. „Es ist wichtig für uns zu sehen, dass wir nicht vergessen werden“, hören sie dann oft.
Während der Autofahrt berichten sie von ihren Erlebnissen, zeigen Bilder und Videos. Sie erfreuen sich an funktionierendem Mobilfunkempfang, geöffneten Läden und Tankstellen. Ihre Aufgabe hat etwas Befriedigendes, Leben kehrt zurück in die Orte, die die Ukraine zurückerobert hat …
Ganze Reportage: https://taz.de/Ukrainische-Freiwillige-an-der-Front/!5920532/
via taz.de