Stream, Kindlein, stream!- Justin Bieber und die Charts
Justin Bieber fordert seine Fans auf, seine neue Single "Yummy" auch im Schlaf zu streamen. Die Musikindustrie hat noch mehr solcher Tricks auf Lager, um die Charts zu manipulieren. Von Benedikt Scherm Sein Comeback nach drei Jahren Schaffenspause hatte sich der kanadische Superstar Justin Bieber wahrscheinlich auch anders vorgestellt.
Von Benedikt Scherm
Sein Comeback nach drei Jahren Schaffenspause hatte sich der kanadische Superstar Justin Bieber wahrscheinlich auch anders vorgestellt. Für seine Single „Yummy“, die er am dritten Januar inklusive aufwändigem Musikvideo veröffentlicht hatte, gab es nur ein akzeptables Ziel: Nummer eins der Charts. Nach ein paar Tagen kam allerdings die Erkenntnis, dass das wohl kein Selbstläufer wird und Bieber „nur“ auf den zweiten Platz hinter Rapper Roddy Ricch zusteuert. Also wandte er sich vergangene Woche via Instagram an seine Fans und bat sie, das Lied rauf und runter zu streamen und zu kaufen. So weit, so Popmusik.
Damit war es aber nicht genug: In einem weiteren geteilten Post gab er seinen Followern eine Anleitung, wie sie ihm zu noch mehr Streams verhelfen könnten: „Erstellt eine Playlist mit Yummy auf Repeat und streamt es. […] Lasst es laufen, während ihr schlaft.“ Unter eingefleischten Fans, Musiklabels und deutschen Rappern ist diese Praxis schon länger bekannt.
Ebenso wie der aktive Kampf um Chartplatzierungen – in Deutschland beispielsweise mit allgegenwärtigen Premiumboxen. Die Charts werden hierzulande nämlich nach Umsatz, nicht nach Verkaufszahlen ermittelt. CD plus Fanartikel für 40 Euro übertrumpfen also einen klassischen Verkauf um Längen. Doch auch in den Staaten wird getrickst. Weil für die Verkaufszahlen eines Albums auch die Streamingzahlen einzelner Singles zählen, taucht auf French Montanas aktuellem Album ein Song aus dem Jahr 2016 auf. Gleichzeitig werden Alben teilweise immer länger, da das Äquivalent zu einem verkauften Album über die Zahl der Song-Streams pro Album gewertet wird. Negatives Beispiel hier: Chris Brown, dessen letzte Alben zwischen 32 und 45 Titel zählten. Und dann ist da noch der Vorwurf der gekauften Klicks, der seit längerem besteht und seitdem weder wirklich nachgewiesen noch widerlegt wurde.
Justin Bieber hat das unschickliche Betteln dann trotzdem nicht geholfen. Die Nummer eins der US-Single-Charts ging an bereits erwähnten Roddy Ricch, einen aufstrebenden Rapper aus Compton. Dessen Single “ The Box“ wurde ganz ohne eigenes Musikvideo, Singleauskopplung und inszenierte Social-Media-Promo zum Hit. Auf Twitter äußerte sich Ricch lediglich folgendermaßen zu dem Duell mit dem kanadischen Superstar: „Stream yummy by justin bieber“. Das Erfolgsrezept des 21-Jährigen: Ein Teil der Melodie klingt wie eine knarzende Tür und entwickelte sich bei TikTok zum Meme. Eeh-Err.
: Schön ist es, auf der Welt zu sein
Gute Musik, anstrengende Texte: Selena Gomez bewältigt mit ihrem neuen Album „Rare“ sehr tiefe Gefühle und einige Schicksalsschläge.