article | Elena Matera

Start-ups: Warum weniger Frauen gründen

Die Idee, ein Start-up zu gründen, kam Maryam Mahjoub und Mobina Sharifi im vergangenen Jahr. Die beiden Studentinnen der Jacobs University vermissten eine Online-Lern-Plattform, die in verschiedenen Sprachen angeboten wird. Die gebürtigen Iranerinnen beschlossen, diese Lücke zu schließen. Sie riefen mit Uniqmaster ihre eigene Plattform ins Leben - mit qualifizierten Tutoren und Augmented Reality (erweiterter Realität) für interaktives Lernen.

Die Idee, ein Start-up zu gründen, kam Maryam Mahjoub und Mobina Sharifi im vergangenen Jahr. Die beiden Studentinnen der Jacobs University vermissten eine Online-Lern-Plattform, die in verschiedenen Sprachen angeboten wird. Die gebürtigen Iranerinnen beschlossen, diese Lücke zu schließen. Sie riefen mit Uniqmaster ihre eigene Plattform ins Leben – mit qualifizierten Tutoren und Augmented Reality (erweiterter Realität) für interaktives Lernen. Nun suchen die Gründerinnen Investoren, die ihr Projekt finanziell unterstützen.

Dass Frauen wie Mahjoub und Sharifi ein Start-up gründen, ist in Deutschland noch immer selten. Nur 15,7 Prozent der Start-ups werden von Frauen gegründet. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband Deutsche Start-ups in der Studie Female Founders Monitor für das Jahr 2020. Die Zahl hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr mit 15,1 Prozent kaum verändert.

Bei den Existenzgründungen gab es in den vergangenen Jahren hingegen einen positiven Trend zu mehr Gründungen durch Frauen. Das zeigt die Studie Kfw-Gründungsmonitor 2020. Dennoch liegt der Anteil von Gründungen durch Frauen unter denen der Männer – bei 36 Prozent.

Die Wirtschaft ist männerdominiert

Gründe für diesen Zustand gibt es mehrere, sagt Stephanie Birkner, Deutschlands erste Juniorprofessorin für Female Entrepreneurship, übersetzt: weibliches Unternehmertun, von der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Das grundlegende Problem: Die Wirtschaft in Deutschland sei noch immer männerdominiert. Frauen, die ein Start-up gründen wollen, müssen laut Birkner mehr Hürden überwinden als Männer.

Studien zeigen, dass Frauen seltener und weniger Kapital von Investoren erhalten. Wenn Frauen ihr Geschäftsmodell vorstellen, werden ihnen laut Birkner andere Fragen gestellt. „Männer werden nach ihren Potenzialen gefragt. Bei Gründerinnen fragen Investoren eher danach, wo das Risiko liegt“, sagt Birkner. „Die einen erzählen also von ihrer Erfolgsgeschichte, die anderen von der Geschichte des Verlierens.“ Das hinterlasse einen Eindruck auf die Investoren und wirke sich auf die Förderung aus.

Julia Köhn hat selbst Erfahrungen mit eben jenen Risikofragen gemacht. 2017 gründete sie ihr Start-up Pielers, eine Online-Plattform für nachhaltige Lebensmittel. Regionale Erzeuger und Fachhändler verkaufen über die Webseite ihre Waren. Als Köhn ihre Idee vor drei Jahren einem Investor vorstellte, sprach er auch das Thema einer möglichen Schwangerschaft an und wie das Geschäft dann weiterlaufen solle. „Mich hat diese Frage total überrascht, sie hat nichts mit dem Geschäft zu tun“, sagt Köhn. „Männern werden solche Fragen nicht gestellt. Dabei können diese auch mehrere Monate in Elternzeit gehen.“ Auch heute merke sie, dass es noch immer Geschäftspartner und Investoren gebe, die die Frage mitschwingen ließen, ob sie als Frau auch verlässlich sei.

Dass die Gründer- und Investorenszene größtenteils männlich ist und den gleichen Bildungsweg aufweist, ist laut Köhn problematisch. Aber: „Auch wir Frauen in der Start-up-Szene gehören dieser homogenen Gruppe an“, sagt Köhn. „Ich kenne keine Frau, die ein Start-up gegründet hat und vorher nicht an einer Privatuni oder Stipendiatin war oder bei Unternehmen wie McKinsey gearbeitet hat. Bei mir ist es auch so.“

Frauen sollten sich nicht an diese Welt anpassen müssen

Frauen, die nicht so sozialisiert worden sind, hätten daher geringere Möglichkeiten, in diese männlich geprägte Gründerwelt einzutreten. „Frauen sollten sich nicht an diese Welt anpassen müssen, wie es heute noch der Fall ist“, sagt Köhn. „Die Szene muss an sich arbeiten, durchmischter werden. Das fängt schon bei den Investoren an, die höhere Beiträge in Frauen-Start-ups investieren sollten.“

Insbesondere in der Start-up-Szene wird laut Juniorprofessorin Birkner oft das Argument genannt, dass Frauen weniger gründen würden, da es auch weniger Frauen in MINT-Studiengängen gebe. „Natürlich ist es super, wenn mehr Frauen etwa Informatik studieren würden. Aber man muss zum Beispiel nicht selbst programmieren können, um ein Start-up zu gründen“, sagt Birkner. „Man sollte es soweit verstehen können, damit man einen Programmierer einstellen kann.“

Wie Köhn ist auch Birkner der Meinung: Die Gründerszene muss offener werden. Dafür müsse auch die männlich geprägte Idee von Wirtschaft und Innovation aufgebrochen werden. Denn in erster Linie gehe es in der Wirtschaft und in der Start-up-Szene um Gewinnmaximierung. „Wir müssen uns fragen: Was ist gute Wirtschaft? Bisher haben wir ein sehr enges Verständnis von ihr“, sagt Birkner. Man könne über Start-ups etwa Teilhabe schaffen. „Bei einem Bildungs-Start-up wird nicht großer Gewinn maximiert, dafür aber die Bildung gesteigert – auch das ist Wirtschaft“, betont Birkner.

Viele Frauen legen laut der Professorin außerdem Wert darauf, mit ihrem Unternehmen einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Auch Petra Oetken, Gründer-Beraterin beim Starthaus Bremen, bemerkt dieses Phänomen in ihrer täglichen Arbeit. Frauen würden viel mehr Social Entrepreneurship – Soziales Unternehmertum – betreiben.

„Die Frauen, die zu mir kommen, sind im Vergleich zu den Männern immer sehr gut vorbereitet und durchdacht“, sagt Oetken. Frauen würden sich auch seltener komplett in die Selbstständigkeit stürzen, sondern die Gründung erst als Nebenerwerb führen und sich erst mit der Zeit voll darauf konzentrieren.

Oft fehle den Frauen allerdings das Selbstvertrauen für eine Gründung. „Das ist behebbar. Wir bieten verschiedene Fördermöglichkeiten an, etwa das Starthaus-Coaching“, sagt Oetken. Mit Unterstützung, Austausch und der Schulung der sozialen Kompetenz erhielten die Frauen so mehr Sicherheit. Wichtig sind laut Birkner außerdem Vorbilder – andere Frauen, die ebenfalls gegründet haben. „Ein Junge fängt auch an zu stricken, wenn er andere Jungen stricken sieht. So ist das auch beim Gründen“, sagt Birkner.

Weibliche Vorbilder fehlen

Nina Fischer fehlte es an diesen weiblichen Vorbildern in der Gründerszene. Die 31-Jährige hat ihre Unternehmen Two Greens im Bremer Viertel mitten in der Corona-Pandemie gegründet. Sie zählt mit ihrem Laden, in dem sie Zimmerpflanzen verkauft, zu den Existenzgründerinnen.

„Ich kannte nur wenige Menschen in meinem Freundeskreis, die sich selbstständig gemacht haben. Es ist schwer, eine Tür aufzumachen, die vorher noch keiner in deinem Umfeld geöffnet hat“, sagt Fischer. Die gebürtige Bremerin arbeitete zwölf Jahre als Fotografin und in der Bildbearbeitung, zuletzt in einer Agentur in Hamburg. „Ich war nie richtig glücklich dort und hatte dann diese Idee, einen Urban-Jungle-Laden zu eröffnen. Ich habe Pflanzen schon immer geliebt.“

Für ihre Idee gab sie ihren Job auf, zog mit ihrem Freund nach Bremen und steckte all ihre Ersparnisse in den Laden. Sie erhielt einen Gründerzuschuss vom Starthaus und wurde dort beraten. Doch wie Köhn bekam auch Fischer oft die Frage aus ihrem Umfeld zu hören, wie sie den Laden führen soll, wenn sie Kinder bekommen möchte. „Die Familienplanung wird automatisch allein auf die Frau geschoben“, sagt Fischer.

Die Eröffnungsparty von Two Greens war für Mitte März dieses Jahres geplant. Dann kam die Corona-Krise und der Laden blieb geschlossen. „Ich habe oft gedacht, dass das alles nicht klappt und hatte Angst und Zweifel“, sagt Fischer. Sie postete Fotos auf der Plattform Instagram und hat so online die ersten Pflanzen verkauft. Einige Wochen später konnte sie schließlich ihr Geschäft eröffnen – mit Maske und Abstand. „Der Laden läuft sehr gut, ich bekomme viel Zuspruch“, sagt Fischer. Sie möchte mit ihrer Geschichte anderen Frauen Mut machen, den Schritt der Gründung zu wagen. „Es gibt so viele Frauen mit tollen Ideen, das Potenzial ist da“, sagt Fischer. „Ich habe alles auf Risiko gesetzt – es hat sich gelohnt.“

Zur Sache

Start-ups und Existenzgründung

Ein Start-up wird erst als solches bezeichnet, wenn es jünger als zehn Jahre alt ist, ein signifikantes Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachstum anstrebt und es sich um eine innovative Technologie oder Geschäftsidee handelt.

Die Besonderheit eines Start-ups ist, das es schnell wachsen soll. Eine Existenzgründung beschreibt hingegen den Start in die Selbstständigkeit als Unternehmer. Dazu zählt etwa die Gründung eines Ladens, aber auch der Schritt in die Solo-Selbstständigkeit.

via www.weser-kurier.de