coverage | Isabel Stettin

Pflegekräfte sind rar – doch die Freiburger Uniklinik weiß, wie man sie für sich gewinnt

An der Uniklinik Freiburg gehen die Pflegekräfte gerne zur Arbeit. Eine Visite vor Ort zeigt, warum das so ist.

Wo die Beschäftigten gern arbeiten, geht es auch den Patienten besser. An der Uniklinik Freiburg gelingt das. Eine Visite vor Ort.
Auf Madeleine Bohms Unter-
arm prangt ein menschli-
ches Herz, daraus wachsen
zart gestochene Blümchen.
„Das Tattoo steht für mei-
ne Liebe zur Medizin”, sagt
die 30-jährige Pflegefachfrau. Es erinnere
sie daran, dass die Arbeit in der Klinik ihr
Traumberuf ist. Gerade besucht sie auf der
Intensivstation einen älteren Patienten, der
künstlich beatmet wird. Verunglückte Mo-
torradfahrer liegen hier, Landwirte und
Winzer nach Arbeitsunfällen, Menschen,
die schwer gestürzt sind. Manche können
die Station nach Stunden verlassen, andere
bleiben wochenlang. „Ursprünglich wollte
ich Ärztin werden”, sagt Bohme. Sie lächelt,
wenn sie daran zurückdenkt, wie sie als
Kind mit ihrem Vater stundenlang auf der
Wache verbrachte. Er war im Rettungs-
dienst. „Ein sinnstiftender Beruf, etwas an-
deres kam für mich gar nicht in Frage.“
Doch schon im ersten Praktikum in einem
Krankenhaus stellte sie ernüchtert fest,
„dass die Ärztinnen und Ärzte wahnsinnig
wenig Zeit hatten“, sagt sie. „Die Pflege hin-
gegen ist viel näher am Patienten. Wir sind
die, die die ganze Zeit am Bett sind, die
Menschen und Angehörige betreuen und
begleiten.“ Das entsprach viel mehr dem,
was sie sich wünschte: „Ich mag auch mal
fünf Minuten zuhören, mir einen Moment
nehmen zum Trösten.“ Trotz dichter
Arbeitstage und Druck findet sie diese Zeit
auf der Intensivstation. „Ja, Schichtarbeit
ist oft anstrengend. Ja, der Job bleibt ge-
messen an der geleisteten Arbeit und den
Ansprüchen unterbezahlt, auch wenn wir
hier nach einem vergleichsweise guten Ta-
rifvertrag vergütet werden“, sagt sie.
Madeleine Bohm zog für ihre Ausbildung
aus Rheinland-Pfalz nach Freiburg. Was sie
lockte, war nicht nur die lebendige Studen-
tenstadt mit dem Schwarzwald vor der Tür.
Es war vor allem das Uniklinikum, mit
15 000 Beschäftigten ist es der größte
Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb in
Südbaden. 4300 Pflegekräfte versorgen hier
pro Jahr etwa 90 000 Patientinnen und Pa-
tienten stationär und 900 0000 ambulant.
Auf dem Gelände tönt Baulärm, eine neue
Kinderklinik soll 2024 eingeweiht werden.
Über dem Landeplatz kreist ein Helikopter.
130 Pflegekräfte arbeiten auf den beiden In-
tensivstationen, die jeweils vierzehn Be-
handlungsplätze haben. Dort betreut eine
Pflegekraft zwei Patienten. Silvia Kopp ist
die pflegerische Leiterin, eine zupackende
Frau mit kurzem dunklen Haar. 1987 hat
sie ihre Ausbildung in Freiburg begonnen,
ist seitdem am Uniklinikum geblieben. „Auf
sechzig offene Stellen kamen damals 1500
Bewerbungen“, erinnert sie sich. Mehr als
fünfzig Bewerbungen habe sie selbst ge-
schrieben. „Damals wollten alle noch Kran-
kenschwester werden oder Erzieherin.”
Die Zeiten haben sich längst geändert.
Heute sind es die Arbeitgeber, die um Perso-
nal werben. Der Mangel an fähigem Pflege-
personal führt in Deutschland dazu, dass in
zahlreichen Kliniken viele Betten dauerhaft
leer bleiben müssen, obwohl sie eigentlich
dringend benötigt würden. In Freiburg hat
die Leitung des Klinikums rechtzeitig re-
agiert; zwar kennt man auch hier das Prob-
lem der gesperrten Betten, aber es kommt
vergleichsweise selten vor. Das Krankenhaus
wirbt nun nicht nur mit einer überdurch –
schnittlichen Vergütung, flexiblen Arbeits-
zeiten, Jobtickets, einem Fitnessangebot und
Personalunterkünften, sondern vor allem:
mit Entwicklungschancen…

via www.stern.de