„Spring oder stirb!“

Sie liebt Adrenalin, Siege über Männer, und sie steckt Stürze weg wie nix: Mountainbikerin Steffi Marth hätte gerne Sport studiert. Aber wegziehen von den Cottbusser Rennpisten? Dann lieber Architektur. Geld verdient sie, weil sie so rasant radelt - und gut aussieht.

Zwei Jungs hocken am Rand der Cottbuser BMX-Rennstrecke. An den Lenkern ihrer Räder baumeln wuchtige Helme mit Gesichtsschutz, die dem Kopfputz Darth Vaders ähneln. Die Sonne heizt von oben, der Asphalt von unten, das Haar klebt an der Stirn. Die Jungs sind kaputt, abgekämpft, das war’s für heute.

„Ab nach Hause“, sagt der eine. Dann aber kommt eine junge Frau mit Pferdeschwanz und in weiten Shorts aufs Trainingsgelände. Die Jungen starren sie an – und der geplante Abschied in den Feierabend ist vergessen. Von der, die da kommt, können sie definitiv noch was lernen.

Die junge Frau radelt auf ihrem Mountainbike zur Startlinie, ruckelt kurz am Helm, holt tief Luft, dann ruft sie: „Spring oder stirb!“ Sie schießt den Hügel hinab, steht in den Pedalen, erklimmt mit Schwung das erste steile Hindernis, reißt dann bergab im Steilhang das Vorderrad hoch und fliegt über die nächste Barriere. Die beiden jugendlichen Radfahrer stehen noch immer da, ihre Hände umklammern den Lenker, sie rucken bei jedem Sprung mit, sind in Gedanken bei der Wilden auf dem Parcours. „Wahnsinn“, murmelt der eine.

Die Frau, die die beiden Jungs so elektrisiert, heißt Steffi Marth, ist 26 Jahre alt und eine der erfolgreichsten Mountainbikerinnen des Landes. Sie ist mehrfache deutsche Meisterin und hat Erfolge im Weltcup errungen. Ihre Spezialität sind sogenannte 4X-Rennen: Strecken mit Felsen, Baumstämmen und Geröll. Ellbogen ausfahren? Kann sie. Stürze? Steckt sie weg. Steffi Marth ist schnell, hart gegen sich selbst – und hat mehr im Leben vor als Radfahren.

Mit dem Girlie-Kram hat sie abgeschlossen

Die Lausitzerin studiert Architektur an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. „Ich bin zwar wenig an der Uni“, sagt sie. „Aber wenn, dann geb ich Vollgas, genau wie auf der Rennstrecke.“ Ihr Lohn: exzellente Noten. Dabei sah es anfangs gar nicht so aus, als würde es in Steffi Marths Leben mal so rasant zugehen.

Ihre Sportlerkarriere beginnt ziemlich gemütlich. Als Elfjährige geht sie in den Turnverein und macht mit bei den „Tanzmäusen“ in ihrem Heimatort Plessa, damals Tagebau-Städtchen zwischen Dresden und Berlin. „Richtige Mädchensachen eben“, sagt sie. Dann aber bekommt die 3000-Seelen-Gemeinde eine BMX-Bahn. Marth schaut mal vorbei und ist angefixt. Mit dem Girlie-Kram hat sie auf der Stelle abgeschlossen.

 

via www.spiegel.de