Männer unerwünscht: Warum in Freiburg Frauen gegen Bademeister kämpfen
Kein Sprungturm, keine Rutsche, das Becken ist mit dreißig Schwimmzügen schnell durchmessen. Am Rande des Pools sonnen sich ein paar Frauen oben ohne. Unterm Walnussbaum auf der Liegewiese picknicken junge Musliminnen im Bikini, die Kopftücher neben sich. Das Freiburger Lorettobad wirkt zumeist wie eine Oase des Friedens - bis vor einigen Wochen.
Kein Sprungturm, keine Rutsche, das Becken ist mit dreißig Schwimmzügen schnell durchmessen. Am Rande des Pools sonnen sich ein paar Frauen oben ohne. Unterm Walnussbaum auf der Liegewiese picknicken junge Musliminnen im Bikini, die Kopftücher neben sich. Das Freiburger Lorettobad wirkt zumeist wie eine Oase des Friedens – bis vor einigen Wochen. Zu Saisonbeginn hatte die städtische Betreibergesellschaft „Regio Bäder“ beschlossen, in Deutschlands einzigem Frauenfreibad männliche Schwimmmeister einzusetzen – nicht mehr nur als Aushilfe wie früher, sondern ganz regulär.
Zwei Frauen und vier Männer lösen sich seitdem im Schichtbetrieb ab. Darauf entbrannte um das „Lollo“ ein ideologischer Kampf. An vorderster Front: Badbesucherin Janina Talaj, 27, Studentin der Kulturwissenschaften. Sie entwarf eine Online-Petition und forderte: „Schaffen Sie das reguläre männliche* Badepersonal im Damenbad Freiburg wieder ab!“ Bis zum 18. August wollte sie dafür mindestens 2000 Unterzeichner zusammen bekommen.
Kulturwissenschaftlerin Talaj ist Deutsche und bezeichnet sich selbst als Feministin. Sie setzte sich zusammen mit Besucherinnen des Bades, alteingesessenen Freiburgerinnen, Stadträtinnen, einigen Musliminnen, und gründete die Initiative „Frei(burg)schwimmer*innen“ mit dem Ziel, „diesen einzigartigen Frauenraum, frei von anzüglichen Blicken“ zurückzuerobern. Beschwerden über die Präsenz von Männern, so die Gruppe, seien nicht nur von Frauen muslimischen Glaubens gekommen, sondern auch von solchen, „die Gewalt erlebt hatten oder sich in ihrem Körper unwohl fühlen“.
Frauen schätzen die männerfreie Zone sehr
Die männerfreie Zone schätzen offenbar viele Frauen, auch jene, die oben ohne schwimmen wollen. Eine Frau, die sich als „attraktive Deutsche“ bezeichnet, schreibt auf der Website der Petition: „Ich war kürzlich das erste Mal im Damenbad und habe mich noch nie in einem Freibad so wohl gefühlt.“ Ist es in Ordnung, wenn in einem öffentlichen Bad kein männliches Personal arbeiten soll? Sind ausschließlich weibliche Bademeister eine Zeichen von Freiheit? Oder genau das Gegenteil? Kritiker klagten über eine neue „Geschlechterapartheid“, über „Vorstellungen wie aus dem Mittelalter“. Der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon sagte der „Stuttgarter Zeitung“: „Die Baderegeln gelten für alle Frauen. Auch Musliminnen müssen sich daran halten. Entweder sie akzeptieren die Regeln oder sie gehen.“ Und fügte noch hinzu: „Wenn ich nach Saudi-Arabien fahre, muss ich mich auch anpassen.“
Tatsächlich kam es mehrmals zu Konflikten, vor allem zwischen Musliminnen aus dem Elsaß, die das Bad für sich entdeckt hatten, und Besucherinnen aus Freiburg, die ihr Lollo seit Jahrzehnten besuchen. Vorigen Sommer musste die Polizei anrücken, weil sich Frauen um Duschplätze gestritten hatten und einige handgreiflich geworden waren. Vor zehn Tagen kam es erneut zu einem Eklat. Elsässerinnen mit „nordafrikanischen Wurzeln“, so die Polizei, waren laut, hatten die Mahnungen des Bademeisters ignoriert und Gäste mit Wasser bespritzt. Erst als zwei Polizisten kamen, verließen sie das Bad. Sie haben nun Hausverbot.
Für Talaj und die Frauen der Initiative „Frei(burg)schwimmer*innen“ zeigt das, dass die neuen Baderegeln weniger die Frauen abhalten, die „Stress verursachen“, sondern vor allem auch jene Frauen, die für einen Ausgleich sorgen könnten und für die das Lollo ein Schutzraum war. „Die Frauen aus dem Elsass oder aus der Schweiz wissen meistens nichts von der neuen Regelung und kommen darum trotzdem.“
Frauen sollten die Männer meiden können
Talaj schlägt einen Kompromiss vor: Die Bädergesellschaft solle rechtzeitig bekannt geben, an welchen Tagen Männer Dienst haben, damit Frauen ihren Besuch verschieben können. Das klingt nach einer pragmatischen Lösung, ist aber laut dem Betreiber, der Regio Bäder GmbH, nicht zu machen. Es müsse möglich bleiben, den Dienstplan kurzfristig zu ändern, sagt Geschäftsführer Oliver Heintz. Er habe bereits unter ehemaligen Mitarbeiterinnen und Sportstudentinnen nach neuen Schwimmmeisterinnen gesucht, aber erfolglos. Die meisten Frauen fänden offenbar den Job zu anstrengend und das Publikum zu respektlos. „Sie sagten: Da gehe ich lieber kellnern.“
Bis zum Donnerstag, dem letzten Tag der Petition, sammelte Janina Talaj mit ihrer Petition knapp 1000 Unterschriften, davon etwa 430 aus der Region Freiburg. 2000 Unterstützer aus der Region wären allerdings nötig gewesen, um die Stadt- und die Bäderverwaltung von einem Gespräch zu überzeugen. „Ich habe nicht erwartet, dass die Petition die nötigen Stimmen aus Freiburg erhält, es war einfach ein in einer Demokratie legitimes Mittel zu sagen ‚Hallo, ich finde das blöd und andere auch!'“, sagt sie. „Dass damit nicht alle einverstanden sind, ist okay. Wie das aber begründet wird, finde ich alarmierend.“ Sie habe Droh-Mails erhalten, viele Kommentare auf der Petitionsplattform seien abfällig oder sogar rassistisch.
Klaus Winkler, Vorstand des Freundeskreises des Lorettobads, hofft auf ein Ende des Streites. Er sei erleichtert darüber, „dass die Petition verpufft ist. Das Damenbad funktioniert nur dann wieder richtig, wenn sich alle an die Regeln halten.“ Jene, die den Zank um die Bademeister als Anlass für fremdenfeindliche Kommentare nehmen. Aber auch jene Musliminnen, die zahlreich aus dem Elsaß anreisten. Vielleicht, so sein Seitenhieb, wolle ja das Königreich Saudi-Arabien Geld zum Bau eines Damenbades im Elsass zur Verfügung stellen, „da der Betrieb öffentlicher Bäder vielen Gemeinden schon heute finanziell schwerfällt.“
via www.stern.de