Elena Matera

Kommentar: Arten sterben, die Menschheit verschließt die Augen

Das Bienensterben ist nur ein kleiner Ausschnitt des Problems. Die Natur verstummt. Geschätzt sterben jedes Jahr bis zu 25 000 Arten aus. Damit existiert derzeit das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Es ist eine ökologische Krise mit fatalen Folgen. In den Medien wird kaum darüber berichtet.

Das Bienensterben ist nur ein kleiner Ausschnitt des Problems.

Die Natur verstummt. Geschätzt sterben jedes Jahr bis zu 25 000 Arten aus. Damit existiert derzeit das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Es ist eine ökologische Krise mit fatalen Folgen. In den Medien wird kaum darüber berichtet. Auch in der Politik wird viel zu wenig dagegen unternommen. Mit einem desinteressierten Blick wird die Thematik kurz erkannt – und schon landet sie wieder ganz unten auf dem Programm.

Zum Glück mögen die Deutschen Honig. Damit konnte immerhin das Bienensterben in diesem Jahr polarisieren. Doch es ist nur ein kleiner Ausschnitt des Problems. Weltweit ist der Rückgang der Artenvielfalt dramatisch. Im Gegensatz zum Klimawandel ist der Artenschwund nicht so leicht erkennbar und damit weniger im Bewusstsein der Menschen. Das Artensterben geht die gesamte Menschheit an, wir alle sind davon unmittelbar betroffen. Doch die Menschen schauen weg.

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Jede Art hat eine ganz bestimmte Funktion im System inne. Stirbt eine Spezies aus, wirkt sich das auf andere Arten und letztlich auf das gesamte Ökosystem aus. Das hätte wiederum fatale Folgen für den Menschen. Ein Beispiel: Wenn zu viele Flug- und Bestäubungsinsekten sterben, würde auch die Landwirtschaft nicht mehr funktionieren und damit ein erheblicher Teil der Nahrungsversorgung. Bereits jetzt sind drei Viertel der Bestäubungsinsekten ausgestorben. Es ist ein Warnschuss, den keiner hören will. Doch ohne gesunde Ökosysteme können auch die Menschen nicht überleben.

Erst kürzlich veröffentlichte der World Wide Fund for Nature seinen Living Planet Report. Demnach gingen die Bestände der Wirbeltiere weltweit seit 1970 um 60 Prozent zurück. Das Artensterben geht heute hundert bis tausend Mal schneller vonstatten, als es natürlicherweise der Fall wäre. Doch auch dieser Bericht ist nur wenigen Medien ein Artikel wert. Eine große Debatte löst er nicht aus.

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Die Schuld am Artensterben trägt vor allem der Mensch. Wälder werden gerodet und Meere überfischt. Zahlreiche Lebensräume werden vernichtet, Böden vergiftet und Ressourcen ausgebeutet. Laut WWF-Bericht bräuchten wir in diesem Jahr eigentlich 1,7 Erden um unseren Rohstoffhunger zu decken – eine erschreckende Bilanz.

Viel zu wenig wird das Artensterben von Politik und Medien aufgegriffen. Auch in der Gesellschaft bleibt der Aufschrei aus. Ohne Umweltorganisationen wie Nabu und WWF würde die Thematik wohl vollends unter den Tisch gekehrt werden. So wundert es auch nicht, dass kaum einer die UN-Biodiversitätskonferenz (CBD) kennt. Erst Ende November wurde im ägyptischen Sharm El-Sheikh zwei Wochen lang über Strategien zur Rettung der Natur verhandelt. Leider wurde auch darüber kaum berichtet. 2010 haben sich die Vertragsstaaten der CBD auf zwanzig große Naturschutzziele geeinigt, die im Jahr 2020 erreicht werden sollten. Auf der diesjährigen Konferenz wurde schnell klar: Die meisten Regierungen werden die Ziele verfehlen.

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Deutschland hat sich bei der CBD als einer der Sünder herausgestellt. Durch den extrem hohen Fleisch-und Milchkonsum der Deutschen wird viel Soja für das Futter der Tiere benötigt. In Südamerika, Afrika oder Asien werden daher Felder angebaut und dafür Wälder gerodet – Arten werden verdrängt und sterben aus. Auch die Natur in Deutschland wird über ihre Leistungsfähigkeit strapaziert. Mehr als die Hälfte der Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Monokulturen lassen keine Vielfalt zu. Pestizide töten nicht nur Schädlinge, sondern auch andere Tiere. Grundwasser wird mit Nitrat belastet, Äcker sind überdüngt. Insekten- und Vogelarten fehlen Rückzugsräume, Nahrung und Nistmöglichkeiten. Selbst der Kiebitz steht mittlerweile aus eben diesem Grund auch auf der Roten Liste.

Es muss daher dringend ein Umsteuern in der Landwirtschaftspolitik geben. Auch die Industrie, die Zivilgesellschaft und jeder Einzelne muss Druck ausüben und selbst etwas dagegen unternehmen. Der wichtigste Schritt ist jedoch die globale Zusammenarbeit, denn das Artensterben ist ein weltweites Problem. Für die Mitgliedstaaten der CBD steht 2020 wieder eine Konferenz an. Es soll eine neue Biodiversitätsstrategie verabschiedet werden. Doch es darf nicht wieder zu solch ernüchternden Ergebnissen wie in diesem Jahr kommen. Die Ziele müssen konkreter formuliert werden. Entscheidend ist, dass diese Ziele auch erreicht werden.

Es gibt in der Natur keinen Rückwärtsgang. Eine Art, die ausgestorben ist, ist für immer weg. Die Natur verstummt – wir müssen endlich hinsehen.

via www.weser-kurier.de