Kolumbien: Die Campus-Krieger

Sie basteln Molotow-Cocktails, statt Referate zu halten: Heftige Gefechte zwischen linken Studenten und Polizisten sind in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá normal, hin und wieder fahren sogar Panzer auf und selbst ein Professor wird zum Steinewerfer.

In den nächsten Stunden werden sich Hunderte Uniformierte eine Schlacht mit 30 Vermummten liefern. So läuft es seit Jahrzehnten: Alle paar Wochen sperren Einheiten den größten Campus der kolumbianischen Hauptstadt ab. Manchmal für Stunden, selten tagelang. Gelegentlich rollen sogar Panzer vor die Tore der Universität. Am Ende der Schlacht entwischen die Vermummten, und beide Seiten lecken ihre Wunden. Bis zum nächsten Kampf.

Grafikdesignstudent Daniel Martínez beobachtet die Auseinandersetzung durch den Zaun der Uni. Der 19-Jährige ist nervös. Er öffnet und schließt die Fäuste, als wolle er Blut in die Fingerspitzen pumpen. „Ich mag keine Gewalt“, sagt er. „Aber die Leute da drin sind meine Brüder.“ Martínez ist Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei. Er kämpft mit einigen hundert der insgesamt 30.000 Studenten der Universidad Nacionál gegen die Bildungspolitik des Landes. Sein Ziel ist es, Korruption an Universitäten aufzudecken, demokratische Diskussionen und Wahlen innerhalb der Hochschulen zu ermöglichen. Und, das ist sein größter Plan, irgendwann im ganzen Land eine Revolution anzuzetteln.

Die soziale Ungerechtigkeit in dem lateinamerikanischen Staat hat eine ebenso lange Tradition wie der linke Protest der Studenten an der Nacionál. Viele junge Kolumbianer können nicht oder nur unter erschwerten Umständen studieren. Sie finanzieren ihre Ausbildung, indem sie auf dem Campus Süßigkeiten verkaufen oder für ein paar Pesos andere mit ihrem Handy telefonieren lassen.

540 Euro Durchschnittseinkommen

Zwar orientieren sich die Studiengebühren der staatlichen Universitäten am Gehalt der Eltern. An der Nacionál bewegen sie sich umgerechnet zwischen 50 und einigen hundert Euro monatlich. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von knapp 540 Euro und einer Arbeitslosenquote von offiziell 12,5 Prozent mit großer Dunkelziffer sind sie dennoch oft der Grund dafür, das Studium gar nicht erst aufzunehmen oder mittendrin hinzuwerfen.

Martínez will das ändern.

 

via www.spiegel.de