Reportage | Katrin Groth

Herzlich Willkommen!

Dringend benötigte Fachkräfte aus anderen Ländern zögern, sich in Deutschland niederzulassen. Das macht sich besonders im Osten bemerkbar. Ein Thüringer Softwareunternehmen will das ändern.

Thüringen braucht Menschen wie Harish Reddy Sunkara, auch wenn nicht alle in Thüringen das zu erkennen scheinen. Der 27-Jährige ist KI-Entwickler, angestellt bei der Softwarefirma Batix in Saalfeld. Er stammt aus Indien, kam fürs Masterstudium nach Jena. Und vor knapp drei Jahren zu seinem jetzigen Arbeitgeber, zunächst als Praktikant. Die firmeneigene Wohnung wurde sein Zuhause, erst mal. Inzwischen hat er eine eigene Wohnung, fast aber wäre es genau daran gescheitert. Zwar wollte die Firma ihn halten, er konnte sich das vorstellen – nur eine Bleibe, die fand er nicht. „Zu kompliziert“, sagt er auf Englisch. Dabei gibt es in Saalfeld relativ viel Leerstand.

Alteingesessenen Mietern erklären, dass ein Inder nebenan einzieht? Schwierig, sagen sie hier. Manche Vermieter wiesen Menschen aus anderen Ländern deshalb von vornherein ab. „Wir sehen bei unseren ausländischen Kollegen massive Probleme. Sie werden außerhalb des Unternehmens angefeindet und haben Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche“, sagt Jörg Flügge, Geschäftsführer der IT-Firma. Er beschloss: Das müssen wir ändern.

Also wurde er gemeinsam mit Mitstreitern aktiv. Flügge hörte sich bei anderen Unternehmern um, die Angestellten fragten ihre Vermieter. „Sie haben mir geholfen, eine Wohnung zu finden, und die Termine bei der Ausländerbehörde gemacht“, sagt Sunkara.

Deutschland braucht Arbeitskräfte aus dem Ausland, vor allem Fachpersonal. Rund 400.000 Menschen jedes Jahr, das ergab eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt den Bedarf sogar auf mindestens 500.000 Menschen jährlich. Die Babyboomer gehen in Rente, die Geburtenrate sinkt, im Osten noch mehr als im Westen. In den ländlichen Regionen, die unter Abwanderung leiden, spürt man das besonders stark.

Tatsächlich kamen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von 2018 bis 2022 jährlich weniger als 50.000 Hochqualifizierte aus dem Ausland nach Deutschland. Ob in Krankenhäusern, Industriebetrieben, in der Verwaltung, in Handwerksbetrieben, in der Gastronomie oder auf dem Bau – viele Arbeitsplätze bleiben schon jetzt unbesetzt.

Es gibt viele Gründe dafür, dass Menschen aus dem Ausland diese Jobs nicht übernehmen können: Berufsabschlüsse werden nicht anerkannt, Visa zögerlich vergeben, Einbürgerungen erschwert. Aber dann ist da noch etwas Gravierendes: Die Menschen fühlen sich nicht willkommen. Das ist Studien zufolge der wesentliche Grund, sich gegen Deutschland zu entscheiden.

Auf der Beliebtheitsskala der 38 OECD-Länder liegt Deutschland bei den hoch qualifizierten Fachkräften deshalb nur noch auf Platz 15 – drei Plätze schlechter als noch 2019. Andere Länder haben die Bedingungen für ausländische Fachkräfte deutlich verbessert.

In Saalfeld stimmten bei der Bundestagswahl 42,9 Prozent für die AfD, die Zuwanderung ablehnt.

[…]

via www.brandeins.de