Gewalt an Frauen: „Männer, seid verdammt noch mal keine Täter!“
Berlin - Am Donnerstag ist es wieder so weit: der 25. November, der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Wie jedes Jahr gibt es wieder das große Empören und Entsetzen. Politiker verweisen mit ernster Miene auf die Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zur Partnerschaftsgewalt, die am Dienstag veröffentlicht wurden, und versprechen Besserung.
Berlin – Am Donnerstag ist es wieder so weit: der 25. November, der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Wie jedes Jahr gibt es wieder das große Empören und Entsetzen. Politiker verweisen mit ernster Miene auf die Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zur Partnerschaftsgewalt, die am Dienstag veröffentlicht wurden, und versprechen Besserung. Und dann, nur wenige Tage später, wird das Thema doch wieder ganz unten in der Schublade verstaut. Die Frauen sind völlig vergessen. Sie werden wieder zu einer Zahl in der Statistik. Und Vergewaltigungen und Femizide werden weiter auf den Panorama-Seiten der Zeitungen als Tragödien und Dramen betitelt.
Jedes Jahr nimmt in Deutschland die geschlechtsspezifische Gewalt zu – die häusliche Gewalt, die sexualisierte Gewalt, die digitale Gewalt. Allein in der Partnerschaft ist die Gewalt im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr erneut um gut fünf Prozent gestiegen, so das BKA. 80,5 Prozent der Opfer sind weiblich. Von den Tatverdächtigen sind 79,1 Prozent Männer.
Gewalt gegen Frauen hat sich in der Pandemie verstärkt
Die Pandemie hat die Gewalt nur noch verstärkt, gerade im Bereich der häuslichen Gewalt. Kein Wunder: Im Corona-Lockdown waren die Frauen quasi mit den Tätern eingesperrt. Das zeigen auch die zahlreichen Anrufe, die beim Hilfetelefon eingingen. Auch Gewaltschutzambulanzen berichten, dass es im Lockdown medizinisch zu besonders schweren Fällen gekommen sei, mit schwer verletzten, teils lebensbedrohlich verletzten Frauen.
Wie kann es sein, dass eine Frau, die ihren Partner verlässt, befürchten muss, getötet zu werden? Wie kann es sein, dass Männer sich noch immer in dem Glauben wähnen, dass ihnen eine Frau gehört? Und wie kann es sein, dass Frauen sich noch immer nicht sicher fühlen können, wenn sie alleine unterwegs sind?
Die Gewalt beginnt auch nicht erst mit einem Faustschlag. Drohungen, Stalking, Beleidigungen, Catcalling, also sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen – all das sind Formen der Gewalt, die eingebettet sind in gesellschaftliche und strukturelle Machtverhältnisse, die Frauen benachteiligen. Gewalt gegen Frauen ist letztendlich ein Ausdruck eines Macht-Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern.
Gewalt an Frauen ist kein Problem der Frauen
Und wie reagieren wir als Gesellschaft darauf? Wir fokussieren uns auf die Betroffenen. Mädchen und Frauen müssen früh lernen, wie sie sich für den Alltag rüsten müssen: Schlüssel zwischen die Finger, Pfefferspray, Handy in der Hand. Und auch das Handzeichen mit dem eingeklappten Daumen hat sich als Hilferuf für gewaltbetroffene Frauen etabliert.
Auch öffentliche Kampagnen zu häuslicher und sexualisierter Gewalt richten sich in erster Linie an die Betroffenen. Und ja, das ist alles wichtig und richtig.
Man muss über Hilfsangebote informieren, die leider viel zu kurz kommen. Viele betroffene Frauen und Kinder konnten beispielsweise in den vergangenen Jahren aufgrund des Platzmangels nicht in Frauenhäusern aufgenommen werden, bundesweit fehlen immer noch 15.000 Plätze – ein Armutszeugnis.
Mit dem ständigen Fokus auf die Betroffenen scheint allerdings das Narrativ zu herrschen, dass Gewalt an Frauen auch ein Problem der Frauen ist. Aber das ist es nicht! Fakt ist: Für die geschlechtsspezifische Gewalt sind mehrheitlich Männer verantwortlich. Doch diese werden kaum in Aufklärungskampagnen angesprochen. Auch wenn Frauen Gewalt in Partnerschaften erleben, wird ihnen im Familiengericht zur Therapie geraten, während kein einziges Wort zur Männergewalt fällt, berichtet etwa die Berliner Anwältin Asha Hedayati auf Twitter. Wie kann das sein? Es heißt: „Frauen, schützt euch! Sucht euch Hilfe, lasst euch therapieren!“ Dabei müssten wir doch sagen: „Männer – tragt endlich Verantwortung, besucht Anti-Gewalt-Trainings, seid verdammt nochmal keine Täter!“
Mehr Täterarbeit, mehr Konfliktberatungen für Männer
Wir brauchen dringend mehr Konfliktberatungen, mehr Täterarbeit und mehr Kampagnen, die Männer ansprechen. Ein positives Beispiel hat etwa die schottische Polizei in diesem Jahr geliefert. Mit ihrer Kampagne „Don’t be that guy“, übersetzt: „Sei nicht dieser Kerl“, richtet sich die Polizei explizit an Männer. Die Kampagne wird auf einer Homepage sowie auf Instagram, Twitter und YouTube bespielt. Es werden auch Workshops für Männer und Jungen angeboten, die ihnen helfen sollen, sich mit ihrem eigenen Verhalten kritisch auseinanderzusetzen.
Wir brauchen solche Kampagnen und Projekte auch in Deutschland. Vielleicht sollten Männer diesen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen endlich zum Anlass nehmen, um sich selbst zu reflektieren. Einige tun das bereits. Doch die Zahlen des BKA sprechen für sich, warum es noch nicht genug ist.