Reportage | Katrin Groth

Die perfekte Welle

Janina Zeitler ist professionelle Surferin. Deutsche Meisterin, Europameisterin, Nationalteam. Aufgewachsen aber ist sie weit weg von Strand und Meer.

Die perfekte Welle ist mittelgroß und kopfhoch. Sie baut sich auf, schiebt Richtung Ufer. Das Meer in Bewegung, ohne Wind, ohne Strömung. Cleane Conditions nennt Janina Zeitler das. So surft sie am liebsten. Egal ob in Frankreich, Portugal oder Fuerteventura. An Europas Küsten gibt’s die besten Wellen ohnehin im Winter.

„Ich hatte keine Ahnung wie das Meer funktioniert, wo sind Strömungen, wo sitz ich am besten, das musste ich mir erarbeiten“, sagt Zeitler, die sitzen sagt und warten meint. Surferinsprech. Als Surfer:in muss man die Welle lesen, wie groß wird sie, wo bricht sie. Alle halbe Stunde kann sich das ändern. „Man muss einen Sense für Ocean haben“, sagt Zeitler. Sich wie ein Chamäleon den Wellen anpassen, sie liebt das.

Im Englischen Garten in München scheint die Sonne durch die Baumkronen, die ersten warmen Tage des Jahres, Zeitler ist braun gebrannt. Die 24-Jährige ist Profi-Surferin. Ihre Karriere begann fernab von Strand und Meer: am Eisbach in München.

Zwei Stunden später stellt Zeitler einen Plastikeimer auf den Parkplatz. Der Eimer ist blau und groß, man könnte Babys darin baden. Zeitler setzt sich auf die Heckkante ihres Autos, zieht die Schuhe aus und steigt in den Eimer. Die Kofferraumklappe steht offen, ihr eigenes Bild lächelt von der Beifahrertür.

Zeitler wirft sich das Handtuchkleid über, Klamotten aus, Anzug an. Er ist blau, oben hell, unten dunkel, Neopren. Sie steigt aus ihrer mobilen Umkleide, barfuß steht sie auf dem sonnenwarmen Asphalt.

Hi, hast du Tape?

Ein Mädchen, vielleicht 16, trägt ein Surfbrett unterm Arm. Zeitler schüttelt den Kopf. Das Mädchen dreht sich zum Gehen. Dann sagt es:

Ich find super cool was du machst.

Zeitler holt ihr Surfbrett aus dem Kofferraum. An die 40 Bretter hat sie, fürs Meer, für den Fluss. Dieses ist klein und breit. Pummlig, sagt Zeitler. So liegt es stabiler im Fluss. Sie reibt Surfwachs drauf, für den Grip.

„Ich nehme doch die Schuhe, das Wasser ist kalt“, sagt Zeitler und friemelt sich in die Neoprenfüße.

Ausfallschritt, Beine dehnen. Anfänger würden die verrücktesten Aufwärmübungen machen, sagt sie, geht in die Kniebeuge und dreht den Oberkörper langsam nach links und rechts. Knie kreisen, schmerzverzerrtes Gesicht. Am Vortag war sie mit dem Nationalteam in der Trampolinhalle, der Rücken, sagt sie.

Zeitler nimmt ihr Surfbrett. Der Eisbach rauscht.

Da, wo er unter der Brücke hervorschießt, ungefähr 25.000 Liter pro Sekunde, erzeugt eine Steinstufe eine Welle, einen halben Meter hoch. Die Welle ist immer da, sie steht, sagen Surfer:innen. Seit 40 Jahren wird hier gesurft.

Die Sonne bescheint das linke Ufer, als Zeitler zum Bach hinunter geht, die Boardleash um den Knöchel klettet und sich auf das hölzerne Podest stellt. Fünf Surferinnen, neun Surfer, an die hundert Schaulustige.

Ich will auch mal, sagt ein Mädchen, das mit seiner Freundin am Hang hockt.

Als Janina Zeitler vor mehr als zehn Jahren das erste Mal in den Eisbach stieg, war sie eine von wenigen, ein Mädchen unter lauter Männern. Seitdem hat sich die Surfwelt verändert – nur ein kleines bisschen und doch grundlegend. Immer mehr Frauen surfen, immer mehr Frauen surfen erfolgreich. Zeitler ist mittlerweile Profi. Vom Fluss aufs Meer, eine Pionierin. …

via marieclaire.de