„Die Parallelen zwischen den Zwanzigern und heute faszinieren“

Deutschland feiert 100 Jahre Bauhaus. Wieso die Epoche die Kunstwelt revolutionierte und wie sie Hamburg noch heute prägt, weiß die Kuratorin des Bucerius Kunst Forums.

Nach dem Ersten Weltkrieg reformierte sich die europäische Kunst- und Architekturszene radikal, brachte Neues Sehen, Neue Sachlichkeit, Bauhaus hervor. Es begann eine Zeit der Extreme, Hoffnung und Elend lagen nah beieinander. Und manches wirkt gar fortschrittlicher als heute. Kathrin Baumstark, Kuratorin der Ausstellung „Welt im Umbruch. Kunst der 20er Jahre“, erklärt, wieso.

ZEIT ONLINE: Frau Baumstark, in Hamburg konnten sich die Bauhaus-Ideen der Zwanzigerjahre nicht so stark durchsetzen wie in anderen Städten, zum Beispiel Stuttgart oder Berlin. Wieso?

Baumstark: Hamburg ist eine alte Hansestadt, da gehören Stadtvillen dazu. Die will man natürlich behalten. Aber das Miteinander von Alt und Neu hat heute seinen Reiz, es gibt in den Straßen viele Bezüge zum . Spazieren Sie mal bei Kampnagel durch die Jarrestraße im Hamburger Norden: schnörkellose Backstein-Architektur, kubistische Formen. Diese Bauweise bediente damals allerdings nicht nur den modernen Geschmack.

 

 

Baumstark: Man musste der Wohnungsnot nach dem Krieg etwas entgegensetzen. Das war mit großen Jugendstil-Wohnungen nicht möglich, stattdessen brauchte es bezahlbaren Wohnraum à la Le Corbusier.

ZEIT ONLINE: Das klingt nach ähnlichen Problemen wie heute. Manche Werke Ihrer Ausstellung wirken entsprechend aktuell. Wie kann das sein, 100 Jahre nach ihrem Entstehen?

Kathrin Baumstark: Das fasziniert mich auch immer wieder, die Parallelen zwischen den Zwanzigern und heute. Ich habe gerade ein Gemälde von Otto Dix ausgepackt, das Bildnis des Juweliers Kurt Krall – und blieb mit offenem Mund davor stehen. „Wow! Ja!“, dachte ich. Dabei kenne ich das Werk natürlich längst. Von Karl Hubbuch haben wir eine Aktmalerei dabei, die könnte auch von Neo Rauch sein. Manche Künstler damals waren einfach ihrer Zeit voraus.

ZEIT ONLINE: Wie erklären Sie sich das?

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