Die Auszeit hilft nicht immer
Sabbatical Die Auszeit hilft nicht immer Wenn der Sturm draußen peitschte und dicker Nebel über dem kleinen irischen Küstenort Ballycastle hing, begann Ingrid Frank manchmal zu grübeln und fühlte sich einsam. Kaum mehr als zweihundert Einwohner leben in dem Dorf, das sie 2017 gegen ihr vertrautes Zuhause in Hannover getauscht hatte.
Sabbatical
Die Auszeit hilft nicht immer
Wenn der Sturm draußen peitschte und dicker Nebel über dem kleinen irischen Küstenort Ballycastle hing, begann Ingrid Frank manchmal zu grübeln und fühlte sich einsam. Kaum mehr als zweihundert Einwohner leben in dem Dorf, das sie 2017 gegen ihr vertrautes Zuhause in Hannover getauscht hatte. Sie wollte „Abstand gewinnen, schreiben, in der Natur sein“. Was sie in der Einöde suchte: Zeit für sich ohne den Rhythmus der Arbeit, Zeit zum Schreiben, Ablenkung nach einer Beziehungskrise, einen Neubeginn, sich selbst.
Ausbrechen vom Alltag
Ihre Motivation für die Auszeit lag zudem“in einer gewissen Müdigkeit im Job“, sagt Frank. Die 55-Jährige arbeitet in der Familien- und Jugendberatung, hilft Eltern in Erziehungs- und Lebensfragen und Teenager in Krisen. Wie viele Beschäftigte in sozialen Berufen muss auch sie aufpassen, nicht auszubrennen. Sie fühlte sich ausgelaugt, hatte Lust auf etwas anderes.
Darum packte sie ihre Koffer und legte „alles auf Eis“, wie sie sagt. „Mein Arbeitgeber gab mir vollen Rückhalt.“ Sie ließ sich unbezahlt freistellen, übernahm in der Zeit die Kosten für die Krankenkasse selbst, mietete sich ein Auto. Ein halbes Jahr lebte sie von Ersparnissen und hütete ein Häuschen von Bekannten, die sie bei einem Sprachkurs kennengelernt hatte. Während ihre Gastgeber*innen selbst auf Reisen waren, fütterte sie deren Hühner, verkaufte die Eier, trieb Gänse in den Stall, versorgte Hund und Katze.
Laut einer Studie des Karrierenetzwerks Xing mit knapp 1500 Arbeitnehmer*innen in Deutschland haben bereits zehn Prozent eine Art Sabbatical hinter sich. Abgeleitet vom hebräischen Ruhetag Sabbat, steht das Wort für „Innehalten“, für ein Unterbrechen und Ausbrechen vom Alltag. Oft geht eine lange Auseinandersetzung voran, eine Sinnkrise, Unzufriedenheit, Schicksalsschläge oder das Gefühl, eine Pause zu benötigen, wie im Fall von Ingrid Frank. Von einer Auszeit träumt einer Forsa-Umfrage zufolge jede*r zweite Beschäftigte in Deutschland.
Auszeit oder grundlegende Umstellungen?
„Was ist wirklich das Ziel?“ Diese Frage steht für Sabbatical-Coach Andrea Oder an erster Stelle, wenn es um die Planung einer solchen Pause geht. Sie selbst hat bereits ihre dritte Auszeit hinter sich. Heute berät sie andere auf dem Weg ins Sabbatical. „Gerade in Zeiten wie diesen, mit Blick auf Corona, machen sich viele bewusst, wie schnell sich alles ändern kann.“
via www.brigitte.de