Der kaukasische Wendekreis
Nur selten verirren sich Westeuropäer nach Georgien. Zu Unrecht, denn der Südkaukasus hat für jeden etwas zu bieten. Die Erreichbarkeit ist gut. Billigairlines fliegen aus Dortmund, Berlin oder Memmingen in die zweitgrößte Stadt Kutaisi, die auch Sitz des Parlaments ist. Der Straßenverkehr - nichts für schwache Nerven Das beliebteste Reisemittel innerhalb des Landes sind die Marschrutkas.
Georgien ist schon lange ein beliebtes Reiseziel. 6,5 Millionen
ausländische Touristen haben das kleine Land im Südkaukasus dieses Jahr
besucht. Die meisten kommen aus den Nachbarländern.
Nur selten verirren sich Westeuropäer nach Georgien. Zu Unrecht, denn der Südkaukasus hat für jeden etwas zu bieten. Die Erreichbarkeit ist gut. Billigairlines fliegen aus Dortmund, Berlin oder Memmingen in die zweitgrößte Stadt Kutaisi, die auch Sitz des Parlaments ist.
Der Straßenverkehr – nichts für schwache Nerven
Das beliebteste Reisemittel innerhalb des Landes sind die Marschrutkas. Wie in vielen Ex-Sowjet-Staaten verbinden diese Kleinbus-Sammeltaxis die Städte auf festen Routen miteinander. Feste Abfahrtszeiten gibt es hingegen nicht. Los geht’s, sobald die durchschnittlich 20 Plätze voll oder gut gefüllt sind. Die vierstündige Fahrt nach Tbilisi kostet umgerechnet etwa 3,50 Euro.
Der Fahrstil der Männer am Steuer – es sind immer Männer! – ist halsbrecherisch. Der Mittelstreifen scheint nur ein vernachlässigbarer Vorschlag zu sein, selbst bei Gegenverkehr. Das gleiche gilt für Tempolimits. Kein Wunder, dass die Zahl der Verkehrstoten immens hoch ist. Wer zu Fuß unterwegs ist, sollte sich unter keinen Umständen darauf verlassen, dass ein Auto am Zebrastreifen oder an Fußgängerampeln hält.
Autos gegen Urlaub
Die Marschrutkas sind häufig Transporter aus Deutschland. Auch Handwerker fahren häufig ausgemusterte Kleinlaster, deren deutscher Vorbesitzer noch im Schriftzug auf der Wagenseite steht. KfZ-Schrauber wie Rati Modebadze verdienen sich mit dem Import von dieser Autos etwas dazu. Auf Georgiens größtem Automarkt in Rustavi steht Ratis neueste Errungenschaft: ein Pritschenwagen. Ein Freund hat das Auto aus Thüringen hergefahren, Rati hat es aufgemöbelt. 30 bis 50 Prozent Gewinn kann er machen, wenn er das Auto zum handelsüblichen Preis verkauft. Bisweilen bringen auch touristische Kleingruppen neue Ware für ihn. Sie verbinden dann einen Roadtrip nach Georgien mit dem Deal: abgeschriebenes Auto gegen Urlaub, mehrtägige Tour und Verpflegung inklusive.
Die Wiege des Weinbaus
Über 500 Rebsorten wachsen in Georgien. Bereits
vor 8000 Jahren sollen die Bewohner des Südkaukasus hier Wein
hergestellt haben. Quevris, meterhohe Tonamphoren, werden in den Boden
eingegraben und die Maische darin vergoren. Weinbauern wie Nika Bakhia
bauen ihren „Raw wine“ an wie vor Jahrtausenden. Wenn der Wein nach
monatelanger Gärung abgeschöpft werden kann, wird aus der übrigen
Maische der hochprozentige Chacha gebrannt
Tiflis – das neue Berlin?
Zwar orientiert sich Georgien politisch weiter
nach Westen als seine Nachbarstaaten. Die erzkonservativen Vorstellungen
der orthodoxen Kirche beherrschen aber dennoch die öffentliche Meinung.
Die rege Clubkultur von Tiflis hat somit auch eine politische
Botschaft. Das Bassiani in den Katakomben des Nationalstadions ist der
beste Techno-Club in Tiflis. Gegründet von drei jungen Georgiern,
erklärt sich das Bassiani explizit zum Safe Space für die
LGBTQ-Community. Dafür wird der Club von Szenemagazinen als das neue
Berghain gefeiert und Tiflis als das neue Berlin. Die namhaften
Elektro-DJs jedenfalls sind in beiden Städten häufig anzutreffen.
(C) Christian Erll – WDR Cosmo – 14.11.2017
via www1.wdr.de