Das (Un-)Glück von Reykjavík
In der Finanzkrise retteten viele Nationen ihre Banken. Island ließ sie pleitegehen. Was hat das gebracht? Und was lässt sich daraus lernen?
Island steht kurz vor dem Bankrott, und der Premierminister Geir Haarde ruft nach Gott. „Es besteht die sehr reale Gefahr“, sagt Haarde, „dass die isländische Wirtschaft im schlimmsten Fall in einen Wasserwirbel gezogen wird und dass das Resultat ein nationaler Bankrott sein könnte.“ Seine Rede beendet er mit: „Gott schütze Island.“
Es ist Montag, der 6. Oktober 2008, und Haarde hat vor dem Parlament in Reykjavík gerade zugegeben, dass die Nation kurz vor der Pleite steht. Monatelang hatten er und die Bankenchefs die Leute beschwichtigt. Wird schon wieder.
Noch am selben Tag verabschiedet das Parlament ein Notstandsgesetz. Jetzt kann die Regierung die Banken kontrollieren: verstaatlichen, fusionieren, Manager austauschen, Kredite übernehmen und in einem staatlichen Fonds bündeln – alles ist möglich.
Als Erstes trifft es Glitnir, Islands drittgrößte Bank. Am Dienstag kommt sie unter Zwangsverwaltung, und die staatliche Finanzaufsicht Fjármálaeftirlitið (FME) übernimmt. Zu dem Zeitpunkt hat Glitnir 750 Millionen Dollar Schulden, die in wenigen Tagen fällig sind. Die Bank bekommt nirgendwo mehr Kredite. Am selben Tag übernimmt die FME auch Islands älteste und zweitgrößte Bank, Landsbanki. Die Finanzaufsicht feuert den Vorstand und entlässt über Nacht mehr als 500 Angestellte.
Mit der faktischen Verstaatlichung will die Regierung Vertrauen zurückgewinnen, vor allem bei ausländischen Investoren, und so kurzfristig auch Liquidität. Die Auslandsbeteiligungen der nationalen Banken sollen als Erstes weg – die isländischen Geldinstitute hatten jahrelang Handelsketten, Versicherungen und andere Firmen gekauft, Onlinefilialen in Großbritannien, in den Niederlanden und in Deutschland eröffnet.
Am Wochenende vor der Rede des Premiers hatten Nachrichten über die dramatische Lage zu einem Run auf die Banken geführt; Tausende Sparer versuchten, ihre Konten zu räumen. Dienstagabend tritt der Zentralbankchef vor die Kameras. Er sagt: Der isländische Staat habe nicht die Absicht, die Schulden der Banken zu begleichen. Ausländische Gläubiger könnten fünf, höchstens 15 Prozent ihrer Forderungen zurückbekommen. Daraufhin friert Großbritannien das Vermögen der Landsbanki im Königreich ein. Grundlage dafür ist ein Antiterrorismus-, Kriminalitäts- und Sicherheitsgesetz von 2001.
In Island ist man not amused …
via www.brandeins.de