Anatomie einer Kampagne: Die Union gegen das Heizgesetz
Dass es eine Kampagne gegen das Heizgesetz gab, ist wohl allen klar. Doch wie genau sah die aus? Wer wollte das Heizgesetz stoppen?
Mario Czaja holt hörbar Luft, bevor er dem Journalisten antwortet.
Es ist der 11. Mai 2023 und der ehemalige CDU-Generalsekretär stellt im Berliner Konrad-Adenauer-Haus die neue Kampagne der Union vor: #fairheizen. Neben ihm steht seine Stellvertreterin Christina Stumpp, dahinter ein Bildschirm mit Fotos von sieben besorgt in die Kamera schauenden Personen. Diese Menschen hätten große Angst vor dem geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG), sagt Czaja.
Wer denn diese Menschen seien, fragt besagter Journalist. „Das sind ganz normale Bürger“, sagt Czaja. Ganz normale Bürger? Na ja, zumindest eine Person sei eine Mitarbeiterin aus dem Konrad-Adenauer-Haus, gibt Czaja zu. Und die anderen? Die „kennen wir auch aus der Partei“, so Czaja. „Nicht nur, aber vor allem auch aus der Partei.“
So begann die Anti-Heizgesetz-Kampagne #fairheizen mit einem Geständnis, das zeigt, wie kalkuliert die Union gegen die Pläne der Ampel-Regierung vorgegangen ist. Auf Nachfrage teilte uns ein CDU-Sprecher zwar mit, dass die Partei für die Kampagne keine Mitarbeiter:innen des Konrad-Adenauer-Hauses rekrutiert hätte und widersprach somit Czaja. Dass Teilnehmer:innen CDU-Mitglieder sind, könne er aber nicht ausschließen.
Als die Ampel-Regierung begann, das Heizgesetz zu erarbeiten, begann die CDU, selbst an einem Plan zu feilen: Gesetz und Ampel-Regierung sollten mit einer „Die-Da-Oben“-Kampagne diskreditiert werden.
Meine Recherche zeigt, wie genau die Union dabei vorging. Sie stützte sich auf fünf Maßnahmen, von denen die Videos der besorgten Bürger, „die man auch aus der Partei kenne“, eine ist: Zudem ging die CDU auf Unterschriften- und (Daten-)Fang, erzählte die Geschichte einer verängstigten Gesellschaft, schaffte den Mythos eines Kostenschocks, kreierte ein Feindbild und verbreitete ihre Botschaften auf allen denkbaren Kanälen – von Facebook bis zum Bierzelt.
Setzt man alles zusammen, ergibt sich die Anatomie einer gezielten, politischen Kampagne – ein Drehbuch, das die Union genutzt hat, um das Heizgesetz völlig zu entkernen und das auch schon bei anderen Gesetzen wie der Bürgergeldreform zum Einsatz kam.
Letzteres zeigen Claudia Cornelsen und Helena Steinhaus in ihrem Buch „Es braucht nicht viel“.
Wer dieses Drehbuch einmal konturenscharf gesehen hat, so meine Hoffnung, erkennt bei künftigen Debatten, was wirklich abläuft.
Dabei richtet sich dieser Text nicht gegen die Union per se. Dass die größte Oppositionspartei die Arbeit der Regierung kritisiert, ist Teil des politischen Geschäfts. Wie sie das allerdings tat, einem Drehbuch folgend, das nur dem Ziel folgte, dem politischen Gegner so viel wie möglich zu schaden, das ist bemerkenswert für die CDU, die sich selbst gerne als staatstragend und verantwortungsvoll verkauft.
via krautreporter.de