Reportage | Katrin Groth

Darf eine Pfarrerin das?

Nina-Maria Mixtacki lehrt Yoga, ist Feministin und trägt auch mal bauchfrei. Damit bringt die Sächsin viele konservative Christen gegen sich auf. Dennoch macht sie weiter.

In einer sächsischen Kleinstadt legt sich eine Pfarrerin bäuchlings auf den Kirchenboden. Sie stellt die Hände auf Brusthöhe, drückt die Ellenbogen an den Körper und die Arme durch. Brust, Hüfte, Knie, alles schwebt, nur Füße und Hände berühren die Matte. Aufschauender Hund heißt die Pose. Neun Frauen, neun aufschauende Hunde.

Die Frauen setzen die Knie ab, schieben ihre Pos nach hinten. Kindeshaltung. Zu Beginn hatte Nina-Maria Mixtacki den Bibelvers verkündet, unter den sie die Yogastunde gestellt hat: „Ja ich ließ meine Seele still und ruhig werden, wie ein kleines Kind bei seiner Mutter, wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.“ Psalm 131.

Mixtacki ist 34, Yogalehrerin, Influencerin und Pfarrerin. Die Frauen sind Teil ihrer Kirchgemeinde in Mittweida, 20 Zugminuten von Chemnitz entfernt, manche von ihnen so alt, dass sie Mixtackis Mutter sein könnten. Christliches Yoga nennt die Pfarrerin, was sie machen. Nicht alle finden das gut. Denn im Christentum ist Körperlichkeit häufig mit Sünde verknüpft. Mixtacki will ihn zurück ins Bewusstsein holen, den Körper, an dem sich noch immer Debatten entzünden. Auch an ihrem. Denn nicht alle finden sie gut: Ihr Kleidungsstil, ihre feministische Theologie, ihr Yogakurs im Kirchenraum – das ruft Häme und Hass hervor, in sozialen Medien, aber auch in ihrem Umfeld, in christlichen Gemeinden.

„Atme tief in den Bauch ein“, sagt Mixtacki bedächtig, „und aus.“ Ihre Stimme hallt vom Gewölbe der Stadtkirche wider. Sie trägt altrosa Leggins, einen Flechtzopf, die rechte Schulter ist mit Muskel-Tape in Leopard-Optik beklebt.

„Pfarrerin UND Yogalehrerein, sagt doch schon alles!“, schrieb ihr jemand auf Instagram, dazu ein Affen-Emoji, das sich die Augen zuhält.

Die Frauen stellen sich auf ihre Matten, lassen ihre Oberkörper baumeln. Sie gehen auf die Zehenspitzen, in die Hocke. Ein Balanceakt. „Du kannst die Hände vom Boden nehmen“, sagt Mixtacki, die immer du sagt, aber ihr meint, typisch Yogalehrerin. „Der ultimativ letzte Schritt wäre, die Augen zu schließen.“

Das Wort Yoga bedeutet so viel wie vereinen. Körper und Geist, aber auch Atemtechnik, Meditation und ethische Grundsätze. „Was wir als Kirche anbieten, ist wenig ganzheitlich“, sagt Mixtacki wenige Stunden zuvor im Pfarrhaus. Der Gesang im Gottesdienst, die Optik des Kirchenraumes, Katholiken hätten immerhin Weihrauch. Aber Kirche fühlen? „Da ist höchstens die Bank, die im Rücken drückt“, sagt die Pfarrerin.

Deshalb verbindet sie beides, Yoga und Kirche. Und kappt damit die Verbindung zu anderen Menschen, die ihre Art, ihren Glauben auszuleben, nicht akzeptieren wollen. „Du verehrst nicht Gott, sondern dich selbst. Protestantisch, eine Frau die predigt, Yoga, Meditation… sammelst du Sünden wie Pokémon-Karten?“, fragte sie jemand auf Instagram.

Verändern oder bewahren, es ist die Gretchenfrage, auch für die Kirche. In Sachsen sind 20 Prozent evangelisch, Mittelfeld, verglichen mit den ostdeutschen Ländern. Auch hier sehen sie den Schwund. Darf man an über 2000 Jahren Tradition rütteln?

Nina-Maria Mixtacki findet: Ja….

via www.zeit.de