Du sollst nicht töten
Der Krieg in der Ukraine macht den Tod allgegenwärtig - selbst dort, wo so gut wie keine Bomben fallen. In Lwiw im Westen des Landes spenden Seelsorgende Trost im Stundentakt. Und beraten Soldaten, die wissen wollen, wie das mit den biblischen Geboten gemeint ist.
Der Krieg in der Ukraine macht den Tod allgegenwärtig – selbst dort, wo
so gut wie keine Bomben fallen. In Lwiw im Westen des Landes spenden
Seelsorgende Trost im Stundentakt. Und beraten Soldaten, die wissen
wollen, wie das mit den biblischen Geboten gemeint ist.
Text: Katrin Groth Fotos: Andreas Gregor
Mitten in der Trauerfeier bricht eine Frau zusammen. Ihre Haut ist faltig, um den Kopf hat sie ein schwarzes Tuch gebunden. Gerade eben stand noch ein Priester mit Weihrauch vor dem Sarg, jetzt quetschen sich die Sanitäterinnen zu der Stelle durch. Zusammengesunken sitzt die Frau zwischen Blumengestecken, Astern in Blau und Gelb, um die Stiele sind schwarze Bänder gewickelt. Die Frau betrauert ihren Sohn.
Drei Särge stehen vor dem Altar, dahinter Soldaten mit Fahne, Holzkreuzen und Fotos der Verstorbenen. Die Priester verlesen ihre Namen: Juriy, Mykola, Artem, 46, 39, 36 Jahre alt. Sie erzählen ihre Geschichten, die sich um Familie, Ausbildung, Brigade drehen. Alle drei zogen freiwillig in den Krieg gegen Russland. Der Singsang der Priester übertönt das Schluchzen.
Alle zusammen rufen „Slawa Ukrajini“, lang lebe die Ukraine. Für jeden toten Soldaten einmal. Sie singen. Und sie beten das Vaterunser, dreimal.
Nestor Ryzyk wendet den vollen Rängen in der Kirche St. Peter und Paul den Rücken zu, er blickt auf die drei Familien, die sich in einem Halbkreis rund um die Särge versammeln. Auf Mütter, Ehefrauen, Freundinnen, Kinder. Ein Junge im Teenageralter wird von seinen Verwandten gestützt, sein Gesicht ist aschfahl. Nestor Ryzyk ist Militärseelsorger, Kaplan, ein Geistlicher mit besonderen Aufgaben. Er betreut Soldaten der ukrainischen Armee. Es sei schwer, die Kinder zu sehen, die sich nie an ihren Vater erinnern werden, wird er später sagen.
via brefmagazin.ch