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11. Oktober 2022

Zwischen Himmel und Trottelparade

Vorbei, vorbei. Der Sommer! Sogar der Spätsommer ist schon um die Ecke abgebogen. Und nun? Schauen wir doch mal kurz zurück auf einen sonnig-heißen Tag Anfang September, auf der Havel! Wie war die Stimmung unter den angereisten Freischreiber:innen? Wie war die Musik, warum wurde der Hölle-Preis nicht verliehen und können Freischreiber ‚Köpper‘? Das erzählt ein kleiner, flotter Streifen, den wir euch hiermit ans Herz legen. 
Und schon mal locker vormerken: Die Himmel- & Hölle-Preisverleihung im nächsten Jahr findet dann in Hamburg statt. Vorschläge sammelt :Freischreiber bereits, meldet euch unter kontakt@freischreiber.de.

Himmlisch…

Anna aus unserer Geschäftsstelle bei #nr22. Foto: Sigrid März

Himmlisch war es auf der diesjährigen Netzwerk Recherche-Jahreskonferenz in Hamburg. Eindrücke – auch thematisch – erhaltet ihr zum Beispiel auf Twitter (#nr22). Auch dieses Jahr war :Freischreiber wieder vor Ort, nicht nur mit Freienbibeln und Ansteckern, reichlich Informationen sowie grüner Laune. In drei Veranstaltungen am Samstag versorgten wir freie Journalist:innen mit (fast) allem, was sie zum Freisein brauchen: Jan Schwenkenbecher und Verena Carl erklärten, wie ihr eure „Cash-Cow“ findet; Jens Eber und Silja Kummer berichteten vom „Freisein im Lokalen“; und Yvonne Pöppelbaum und Sigrid März stellten digitale Tools vor, mit denen ihr euren Workflow „pimpen“ könnt. (Psst, dezenter Hinweis: Zu Letzterem wird es Ende Oktober eine Wiederholung geben, dann digital via Zoom.)

…und höllisch

Ganz und gar Höllisches geschah zuletzt im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. :Freischreiber forderte deshalb bereits im August: „Sparen nicht auf Kosten der Freien!“. Mit Nachdruck haben wir diese Forderungen beim Medienpolitischen Dialog Ende September direkt an Vertreter:innen von ÖRR und Politik gerichtet. Dort ging es um Teilhabe, um strukturelle Veränderungen und einen offenen Dialog, um den ÖRR aus der Krise zu holen. Unsere Vorsitzende Sigrid März sagte: „Sie können viel über Transparenz und Compliance sprechen. Aber planen Sie Neustrukturierungen und Reformen bitte nicht erneut ohne die Freien!“ Den gesamten Appell könnt ihr hier nachlesen: „Raus aus der Krise – aber bitte gemeinsam mit den Freien.“

Apropos Himmel- & Hölle-Preise und Film(e): Vier Jahre ist es jetzt her, dass der damals frei arbeitende Journalist Juan Moreno die Lügengeschichten des Claas Relotius aufdeckte, wobei er sich damals nicht sicher sein konnte, ob das nicht auch seine eigene Karriere beenden würde. Für diesen Mut und natürlich seine grundsolide Recherche erhielt er seinerzeit den Himmel-Preis. In einem Video-Interview auf Spiegel.de erzählt er jetzt noch einmal komprimiert die Geschichte.
Zu sehen ist die Relotius-Story derzeit auch in einer Bully-Herbig-Spielfilmversion im Kino. Die Rezensionen dazu fallen allerdings nicht allzu euphorisch aus: Die taz rezensiert den Streifen als ein trockenes Doku-Drama, „das die erzählerischen Möglichkeiten und vor allem die Abgründe des Falls weitestgehend verschenkt“; auch die Wochenzeitung Der Freitag ärgert sich und nennt den Film eine „Trottelparade“, was per se ein hübsches Wort ist.

VG-Wort-Versammlung

Am 10. Dezember ist es wieder mal so weit: Die VG Wort lädt zur Mitgliederversammlung ein. Dafür sammeln wir wieder möglichst viele Stimmen, um im die Entscheidungen im Sinne der Freien zu beeinflussen. VG-Wort-Mitglieder, die nicht selbst an der Sitzung teilnehmen können, sollten ihre Stimmen einer oder einem Freischreiber:in übertragen. Oder live dabei sein und abzustimmen! Wer sich angesprochen fühlt, wende sich in beiden Fällen an Oliver Eberhardt. Er koordiniert unsere Anstrengungen in Sachen VG WORT. Noch nicht Mitglied? Wer die Voraussetzungen erfüllt, bewerbe sich bei der VG WORT für die Berufsgruppe 2. Das geht ebenfalls per Mail.

Korrektur

Bei unserer Beschreibung der Energiepreispauschale – von Finanzinsidern liebevoll EPP genannt – ist uns im letzten Newsletter ein kleiner Fehler unterlaufen, den wir hiermit korrigieren wollen. Denn: Auch wer im dritten Quartal weniger als 300 Euro Einkommensteuervorauszahlung geleistet hat, der oder dem gehen keine Euro durch die Lappen. Das Finanzamt berücksichtigt die fehlende Summe im nächsten Jahr nach Abgabe der Einkommensteuererklärung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Gleiches gilt für Freie, die gar keine Einkommensteuervorauszahlungen leisten. Auch sie bekommen die 300 Euro bei der Einkommensteuer verrechnet.  Wer ins Detail gehen möchte, dem empfehlen wir die Seite des Bundesfinanzministeriums.

Termine

  1. Via Zoom tagt der Provinz-Stammtisch und das am 5. Oktober ab 19 Uhr. Eingeladen ist diesmal Frederik Fischer von Neulandia: „Er hat Projekte wie den Summer of Pioneers und KoDörfer auf die Beine gestellt – und will sich im nächsten Sommer den Lokaljournalismus vornehmen.“
  2. Die Freischreiber:innen aus dem schönen Franken treffen sich am 10. Oktober ab 19 Uhr in Nürnberg. Dazukommen werden Kolleg:innen von Freelens, und selbstverständlich können auch Nicht-Mitglieder gerne hinzustoßen.
  3. Die Freifunker:innen treffen sich jeden zweiten Mittwoch via Zoom. Das ist diesmal der 12. Oktober, los geht es ab 17 Uhr. Das Thema: Sozialleistungen bei den Öffentlich-Rechtlichen.
  4. Die Auslandskorrespondent:innen bei :Freischreiber zoomen gleichfalls – aus naheliegenden Gründen. Und das am 26. Oktober, ab 19 Uhr (MEZ). „Geld verdienen, sichtbar werden – Stipendien und Preise“, darum wird es gehen.
Freischreiber-Treff am 1.10. in Hamburg.

Freischreiberiges

  1. Freischreiberin Katharina Nocun hat gemeinsam mit Pia Lamberty das Buch „Gefährlicher Glaube – Die radikale Gedankenwelt der Esoterik“ veröffentlicht: „Was bringt Menschen dazu, an Zauberwesen und magische Kräfte zu glauben? Ist es wirklich so, dass gerade persönliche und gesellschaftliche Krisen Gurus und Hellsehern den Weg bereiten? Und wenn ja – wie funktioniert so etwas ganz konkret, und welche Rolle spielt dabei das Internet? Was sind typische Warnsignale, bei denen man unbedingt aufhorchen sollte? Und ab wann gefährden esoterische Überzeugungen womöglich die eigene Gesundheit?“
  2. „Dein Insider-Trip: Leipzig und Umgebung heißt das neue Buch von Freischreiberin Kristin Kasten: „Auf 192 Seiten reist die Autorin durch Leipzig, verrät, wo es frisch gebackene Churros (Soulfood pur!) gibt, erzählt Geschichten von verborgenen Türen und versteckten Hufeisen, paddelt durch den Auwald und besucht die besten Fair Fashion Stores der Stadt.“
  3. Bedacht mit dem Dietmar Heeg Medienpreis wurde Freischreiberin Anne Klesse für ihren Beitrag „Ein Kleid für Laura“, erschienen im Magazin Eltern Family: Erzählt wird die Geschichte des Start-ups ‚einzigNaht‘, das Sandra Brunner gründete, nachdem sie damit begonnen hatte, selbst schöne Kleidung für ihre kranke Tochter zu nähen. 

Dies & Das

  1. Wenn es thematisch schwierig wird, müssen die Expert:innen ran, mit dunkler Brille oder ohne. Chemikerin und Wissenschaftskommunikatorin Mai Thi Nguyen-Kim sieht in diesem Moment gerade uns Journalist:innen in der Pflicht, diesen Expert:innen nicht einfach nur stumm und ergriffen zuzuhören: „Die Journalisten, die sie interviewen, sind selten gut genug vorbereitet, um sie kritisch hinterfragen zu können. Als Wissenschaftsjournalistin muss ich aber wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur übersetzen, sondern auch einordnen. Nicht jeder mit einem Professorentitel ist automatisch eine verlässliche Quelle.“
  2. „Die Auflagen der Regional- und Lokalzeitungen kennen seit vielen Jahren nur eine Richtung: nach unten“, teasert das Medienmagazindes Bayrischen Rundfunks gewohnt pessimistisch zur Lage der Lokalmedien. Und hat  dazu verschiedene Lokal-Medien-Protagonisten vors Studio-Mikrophon geholt. 
  3. Bei den Freien im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk hat sich die ebenfalls freie Journalistin Larena Klöckner für die Medien-Seite der taz umgehört und schildert die Stimmung und Befürchtungen von drei freien Mitarbeiter:innen, die aus vermutlich gutem Grund anonym bleiben wollen. Ihr Fazit: „Über die Baustellen, die die Öffentlich-Rechtlichen derzeit zu bearbeiten haben und die unfreiwillig ans Licht gekommen sind, wird viel gesprochen. Doch das reicht nicht. Die Sender stehen vor einer besonderen Aufgabe: Sie müssen das Gesicht wahren und beweisen, dass sie in der Lage sind, Kritik aus den eigenen Reihen anzunehmen. Gerade von denjenigen, die unter internen Strukturen auch leiden: den jungen Freien. Sie wünschen sich Veränderung auf Augenhöhe.“

Bilde dich fort

  1. Hilft der konstruktive Journalismus gegen den berühmten Nachrichtenverdruss und was ist beides überhaupt: Die Next Media Makers bieten dazu am 12. Oktober, von 19 bis 21 Uhr, einen Online-Workshop an. Kosten: 30 Euro – Freischreiber:innen erhalten einen Rabatt von 20 Prozent.
  2. „Aufgespürt und aufgedeckt – Frauen im investigativen Journalismus“ ist das Schwerpunktthema des 10. Medienlabors des Journalistinnenbundes. Es findetam 14. Oktober um 18.30 Uhr im Münchner Presseclub statt. Auf dem Podium stehen bzw. sitzen unter anderem Freischreiberin und Mafia- wie Venedig-Expertin Petra Reski. Hier lässt sich das Programm herunterladen.
  3. Die Bundespolitik und die jungen Menschen – wie kommen sie zusammen, was passt und was passt nicht? Wer auf diesem Felde journalistisch unterwegs ist, sollte sich eingeladen fühlen, sich für den Themenworkshop des Bundespresseamtes zu bewerben. Der findet statt am 17. und 18. November und das natürlich in Berlin. Übernachtung und Verpflegung wird übernommen; außerdem gibt es einen Reisekostenzuschuss. Bewerbungsschluss beim Pressenetzwerk für Jugendthemen (JNP) ist der 16. Oktober.
  4. Das JNP lädt auch Journalist:innen ein, die sich für die Lage der jungen Menschen in Griechenland interessieren, speziell auf dem Peloponnes. Denn während hierzulande gesellschaftliches Engagement von jungen Leuten gefördert werde, sehe das in Griechenland anders aus: „Die Staatskassen sind leer, die Förderung von Vereinen und Bürgerinitiativen gehört nicht zu den Kernaufgaben der öffentlichen Hand.“ Die Pressereise findet vom 8. bis zum 14. Dezember statt, die Kosten betragen einschließlich Flug 199 Euro und Bewerbungsschluss ist der 30. Oktober.

Preiswürdig

  1. „Der spendenfinanzierte Journalismus ist wie nie zuvor bedroht. Inflation und steigende Energiekosten stellen die Spendenbereitschaft des Publikums auf eine harte Probe. Alle journalistischen Projekte, die auf eine Finanzierung durch Spenden setzen, stehen damit vor einer ungewissen Zukunft“, postuliert Netzwerk Recherche gemeinsam mit der Schöpflin Stiftung. Und schreibt deswegen das Greenhouse Fellowship aus: „Das Greenhouse Fellowship umfasst eine Förderung in Höhe von 2.500 Euro, fachliche Beratung, Zugang zu Netzwerken im gemeinnützigen Journalismus und die Publikation der Ergebnisse. Thematisch steht der spendenfinanzierte Journalismus im Mittelpunkt.“ Hier wird man schlauer.
  2. Und dabei belassen es Netzwerk Recherche und Schöpflin Stiftung nicht: Denn ausgeschrieben ist auch zum siebten Mal das „Grow-Stipendium“ für gemeinnützigen Journalismus, wobei jedes Projekt mit 3.000 Euro bedacht wird. Außerdem: „Netzwerk Recherche wird die Grow-Stipendiat:innen beraten und ein Jahr lang bei der Realisierung des Projekts begleiten. Wir tauschen uns in regelmäßigen Online-Meetings aus und organisieren exklusive Webinare sowie einen Präsenz-Workshop für euch. Außerdem nehmen die Grow-Stipendiat:innen kostenlos an unserem digitalen Fortbildungskurs zum Förderkosmos Journalismus ab Dezember 2022 teil, der in vier Modulen vermittelt, wie Du weitere Förderer finden, überzeugen sowie stabile Förderbeziehungen aufbauen kannst.“ Achtung: Bewerbungsschluss ist schon der 10. Oktober. 
So. Das war es schon wieder. Also fast. Denn wir sind auf eine ganz eigenartige Geschichte gestoßen, die so beginnt: „Die Idee ist, jedes Jahr einen Autor, eine Autorin um ein Manuskript zu bitten, das 100 Jahre lang verwahrt wird, ohne dass es jemand zu Gesicht bekommt.“ Man schreibt also etwas, das zu den eigenen Lebzeiten nicht veröffentlicht wird? Was das noch dazu mit 1.000 Fichten-Setzlingen, lichtdurchlässigen Schubladen und einer Waldlichtung nahe der Stadt Oslo zu tun hat – die Schriftstellerin Judith Schalansky gibt es in einem Interview mit der SZ preis.­
­In diesem Sinne wünschen wir einen goldenen Oktober. Kommt gut durch diese krisengeschüttelten und turbulenten Tage! ­
­Eure :Freischreiber:innen PS: Ihr kennt jemanden, die oder der diesen Newsletter noch nicht bekommt? Einfach weiterleiten und hier anmelden

Headerbild:

Die aktuelle und die ehemalige Vorsitzende der Freischreiber, Sigrid März und Carola Dorner bei #nr22. Foto: ahs


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