„Wir haben sofort eine krasse Resonanz bekommen“
Jobs im Journalismus und in der Kreativbranche sind schnell vergeben. Ohne Netzwerk haben freie Journalist:innen oft keine Chance, sie zu ergattern. Antonia Wille und Michèle Loetzner haben deshalb den Newsletter „Fair Share“ kreiert. Das Ziel: Jobsuchende mit Auftraggebenden zusammenzubringen. Etwa alle zwei Wochen findet ihr dort Jobangebote und Wissen über das Frei-Sein. Elisa Kautzky aus unserer Newsletter-Redaktion hat mit Antonia und Michèle gesprochen.
:Freischreiber: Gestern ist der „Fair Share“-Newsletter offiziell gestartet. Warum sollten Freie ihn abonnieren?
Antonia Wille: In unserem Newsletter stellen wir aktuelle Aufträge und freie Stellen für Freelancer*innen vor, für die man sich direkt bei uns bewerben kann. Aber nicht nur das: Wir wollen auch einen Mehrwert abseits der Jobs geben, zum Beispiel Expert*innen-Interviews, FAQs und Beiträge zu Themen wie erfolgreich pitchen, Verträge von Medienhäusern unterschreiben, Selbstständigkeit allgemein oder der Künstlersozialkasse. Das sind ja alles Punkte, bei denen wir beide unseren großen Erfahrungsschatz teilen können. Je nachdem wie viele Jobs wir vorstellen, wird dieser Teil kürzer, da sind wir flexibel.
Und das Abo kostet nichts?
Michèle Loetzner: Richtig, wir wollen auf gar keinen Fall, dass Freie etwas dafür bezahlen müssen, denn deren Honorare haben sich die letzten Jahre nicht unbedingt nach oben entwickelt. Langfristig hoffen wir, dass wir die uns entstehenden Kosten und den Zeitaufwand über Werbung refinanzieren können.
Wie kam es zu der Idee, ihr müsst ja schließlich auch Geld verdienen.
Michèle: Wir haben den Wunsch, in der Freien-Bubble etwas zu verändern. Wir kennen es ja selbst: die Tages- und Stundensätze sinken, die Bezahlung ist generell nicht angemessen. Dazu kommt, dass man als Freie*r oft extrem allein ist und gar nicht weiß, was und wie die anderen sich organisieren und arbeiten. Zum Beispiel, wie viel man für einen Beitrag verlangen kann. Dazu ist die Feedback-Kultur der Redaktionen oft schlecht. Selten kommt etwas zurück, man weiß eigentlich nur, dass man den Auftrag gut gemacht hat, wenn man wieder einen bekommt. Mit anderen Freien darüber zu reden, Wissen zu teilen, ein bisschen mehr Zusammenhalt, das hilft und das wollen wir auch mit diesem Newsletter schaffen.
Lustigerweise hatten Antonia und ich unabhängig voneinander die Idee, so ein Projekt zu starten und haben dann im Frühjahr beschlossen, es zusammen zu machen.
Wie viele Freie haben den Newsletter bereits abonniert?
Michèle: Wir haben sofort eine krasse Resonanz bekommen, Stand jetzt (Anfang Januar) über 800 Anmeldungen. Das ist verhältnismäßig viel dafür, dass es in Deutschland relativ wenig Freelancer gibt. Dabei hatten wir erst die Sorge, dass sich viele Freie anmelden und wir zu wenig Jobs anbieten können. Unser Plan war es, proaktiv mit Agenturen und Redaktionen zu sprechen, damit sie uns Jobangebote bereitstellen. Das mussten wir jetzt gar nicht mehr tun, weil von deren Seite bereits genügend auf uns zugekommen sind. Wir konnten also bereits vor dem offiziellen Start ein paar Jobs herausgeben, was natürlich total schön ist. Hoffentlich wird das mit der Zeit ein Selbstläufer.
An wen richtet sich der Newsletter?
Michèle: Freelancer*innen aus der Kreativ-, Digital- und Medienbranche, zum Beispiel Journalist*innen und Fotograf*innen sowie Leute aus den Bereichen Social Media und Content Marketing. Gerade Journalist*innen machen ja mittlerweile oft mehrere Jobs gleichzeitig, sind zum Beispiel auch Speaker*innen.
Antonia: Wir sind relativ breit aufgestellt, was natürlich auch bedeutet, dass nicht jedes Mal für jede*n ein Job dabei sein wird. Wir wollen vor allem ein Freelancer:innen-Netzwerk sein und keine reine Job-Börse. Aber dafür haben wir ja eben auch anderen Content.
Und ganz konkret – wie läuft eine Job-Bewerbung bei euch?
Michèle: Es gibt eine E-Mail-Adresse, an die ihr je nach Job entweder einen Pitch oder einen Lebenslauf schicken könnt. Den Lebenslauf schickt ihr mit einer bestimmten Betreffzeile, wir sammeln sie, schauen drüber und leiten sie dann weiter an die Person, die den Job zu vergeben hat. Im Falle eines Pitches wird es ein vorgefertigtes Google-Doc geben, das ihr kopieren müsst und uns dann die fertige Datei als PDF mailt. In beiden Fällen werden wir die Bewerbungen kanalisieren und kuratieren, damit auch Newcomer*innen eine Chance haben, weil die Stellen ja oft sehr spezifisch sind. Auf jeden Fall wird es sehr geordnet ablaufen. Der Kontakt der Auftraggeber*innen wird nicht direkt erwähnt, damit die Person nicht mit E-Mails überflutet wird. Und natürlich kommunizieren wir transparent und zeitnah, wann was passiert.
Vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg für den Newsletter!
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Zu den beiden Initiatorinnen:
Antonia Wille, geboren 1986, ist freie Journalistin, Autorin und Content-Strategin. Außerdem lehrt sie als Dozentin für Social Media und gilt als Pionierin der Modeblogger-Szene.
Michèle Loetzner, geboren 1982, arbeitet seit fast 20 Jahren als Journalistin, die letzten zwölf davon frei. Sie schreibt Reportagen und Essays, arbeitet aber auch als freie Textchefin.