4. September 2013

Was geht freie Journalisten der Streik der Redakteure an? Sehr viel!

Seit September 2010 verhandeln DJV, dju in ver.di und BDZV, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, über den neuen Gehalts- und Manteltarifvertrag für etwa 14.000 Zeitungsredakteure. Nach Warnstreiks im Frühjahr finden jetzt die Urabstimmungen über weitere Arbeitskampfmaßnahmen statt. Alles deutet darauf hin, dass es zum Streik kommen wird. Und was geht das uns Freie an? Sehr viel. Die Grenzen sind sowieso fließend: Freie waren oder gehen in Festanstellung, Feste werden frei – wir sind Kollegen, keine Gegner, wie die „Teile-und-herrsche“-Anhänger suggerieren möchten. Es ist auch nicht so, dass uns Freien die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen fremd wären. Wir wissen, wie und wie viel dort gearbeitet wird, und auch, welcher Druck auf manchen Redakteuren lastet – bis hin zu schierer Angst, beim nächsten Streichkonzert selber wegrationalisiert zu werden. Es ist nicht einfach eine Frage von Mitgefühl und Solidarität, dass Freischreiber die festangestellten Kollegen im Tarifstreit unterstützt. Es ist eine Frage der Vernunft. Wenn auf Honorar-Dumping nun Lohn-Dumping folgt, dann ist das ein weiterer Schritt auf dem Weg in einen journalistischen Niedriglohnsektor, in dem zunehmend Textdiscounter mit Massenware die Preise bestimmen werden, in dem Autoren zu Contentproduzenten und Redakteure zu Produktionsknechten werden. Entwertet wird in diesem Prozess nicht nur ein ganzer Berufsstand, sondern auch das Produkt der Arbeit. Was ist eine gute Geschichte noch wert? Und wer wird noch gute Geschichten recherchieren, wenn die klügsten Köpfe lieber für PR-Agenturen statt für Verlage arbeiten, weil die Arbeit als Journalist unzumutbar geworden ist? Heute verdient ein Jungredakteur knapp 3500 Euro brutto. Setzen sich die Zeitungsverleger durch, wird es in Zukunft bis zu einem Drittel weniger sein, also etwa 2400 Euro im Monat. Auch die Gehälter der älteren Zeitungsredakteure kann man ordentlich, aber nicht gigantisch nennen: 4.401 Euro sind es ab dem 11. Berufsjahr. Dass ein freier Journalist im Durchschnitt nur die Hälfte verdient, bedeutet lediglich: Die Honorare müssen steigen. Und nicht: Die Gehälter müssen sinken. Den Freien wird es nicht besser gehen, wenn es den Festen schlechter geht. Vier Prozent mehr Gehalt für die Festen und vier Prozent mehr Honorar für die Freien – maßlose Forderungen sehen anders aus. 30 Prozent wären maßlos. 30 Prozent fordert der BDZV – 30 Prozent weniger für den Nachwuchs: Als kämen die Regionalzeitungen durch weitere Einsparungen in den Redaktionen aus ihrer Krise. Hätten sie Recht, müsste es all jenen Blättern, die Cent-Beträge pro Zeile zahlen, blendend gehen – ist aber nicht so. Vielleicht bräuchten gerade die Verleger den Nachwuchs, den sie verprellen, um herauszufinden, für welchen Lokaljournalismus die Leser überhaupt noch bereit sind, Geld auszugeben. Natürlich unterstützen wir die Forderungen der angestellten Kollegen. Wenn die betroffenen Redaktionen uns anheuern, werden wir hinschauen, ob wir als Streikbrecher eingekauft werden sollen. Genauso selbstverständlich finden wir es, dass wir einander auf Augenhöhe begegnen. Und dass Redakteure ihre Spielräume, auch wenn sie klein sind, zugunsten der freien Autoren nutzen.


Verwandte Artikel