Faire Honorare
16. September 2013

Warum wir uns nicht an der Wir sind die Urheber-Aktion beteiligt haben

Immer wieder sind wir in der vergangenen Woche gefragt, worden, warum sich die Vorstandsmitglieder von Freischreiber nicht an der Aktion “ Wir sind die Urheber “ beteiligt haben, von der die „Zeit“ vergangenen Donnerstag groß berichtete. Ursprünglich 100 Schriftsteller und Autoren hatten einen Aufruf unterzeichnet, in dem sie die Stärkung des Urheberrechts fordern und gegen den „Diebstahl“ geistigen Eigentums protestieren. Wir vom Freischreiber-Vorstand könnten vieles von dem unterschreiben, was in diesem Aufruf steht. Auch wir halten ein starkes Urheberrecht für wichtig, auch wir sind gegen die „Entrechtung von Künstlern und Autoren“, wie es dort heißt. Sehr verwundert hat uns aber ein Satz in dem Appell, der dazu im Widerspruch steht. „Der […] behauptete Interessensgegensatz zwischen Urhebern und Verwerten entwirft ein abwegiges Bild unserer Arbeitsrealität“ steht in der Mitte des Textes. Wirklich? Nun mag das für diejenigen stimmen, die den Aufruf initiiert und zuerst unterschrieben haben – es sind Literaturagenten und Buchautoren, und soweit wir wissen, herrschen in der Buchbranche zumindest zum Teil tatsächlich noch andere Sitten als in den Medien. Doch die Arbeitsrealität freier Journalisten sieht anders aus. Wir hören jeden Tag von neuen Buyout-Verträgen, die Freie von Verlagen vorgelegt bekommen und mit denen sie gezwungen werden, sämtliche Rechte an ihren Stücken abzutreten. Sogar an Dritte werden die Artikel weiterverkauft, ohne dass Freie noch einmal Geld sehen oder auch nur informiert werden. Und die Honorare stagnieren oder sinken bei alledem seit Jahren. (Hier gibt es einen aktuellen Bericht über die Umsonst-Mentalität deutscher Fachzeitschriften-Verlage.) Nach unserer Wahrnehmung haben freie Autoren (für Fotografen mag das anders aussehen) gerade ziemlich selten das Problem, von gierigen Nutzern „entrechtet“ zu werden. Für ihre wiederholte „Entrechtung“ dagegen sorgen die Verlage. Es gibt also unserer Ansicht nach sehr wohl einen Interessengegensatz zwischen Verlagen und freien Journalisten, und wir halten es für gefährlich, den in der aufgeheizten Debatte um das Urheberrecht zu überdecken. Denn in den vergangenen Jahren ist es den Verwertern (= Verlage, Plattenfirmen etc.) immer wieder gelungen, das Urheberrecht in ihrem Sinne zu verändern, während die eigentlichen Urheber, die Freien, in die Röhre schauten. Wenn wir also so tun, als gebe es keinen Interessensgegensatz zwischen Autoren und Verwertern, schwächen wir die ohnehin schon schwache Position der eigentlichen Urheber. Deshalb haben wir nicht unterschrieben. Wir sind übrigens nicht die einzigen Urheber, die den Aufruf kritisch sehen. Die Schriftstellerin und Sachbuchautorin Petra van Cronenburg meint in einem lesenswerten Blogeintrag: „Es geht mir nicht schlecht, weil ich meinen Buchtrailer bei youtube verschenke oder 1000 Menschen meinen Roman kostenlos herunterladen. Es geht mir schlecht, weil die Vorschüsse kontinuierlich sinken, sich die Tantiemen an keine Inflation anpassen, Buchhandlungen Lesehonorare verweigern, ich am Ende der Nahrungskette Buch stehe, obwohl ich mein Buch überhaupt erst ermögliche.“ Und die Autorin Cora Stephan schreibt in der Welt, dass erstens Urheber und Verlage mitnichten immer gut miteinander klar kommen und dass zweitens zwischen Urhebern und Lesern eigentlich eine ziemlich enge Verbindung besteht (oder bestehen sollte), die in Zeiten von Internet und Ebooks eher noch stärker werden kann. Dann nämlich, wenn man seine Texte und Bücher direkt ohne Umweg über einen Verlag an Leser verkaufen kann. Die Bloggerin Opalkatze macht darauf aufmerksam, dass die Forderung nach starkem Urheberschutz im Internet auch Nebenwirkungen hat, die uns dann vielleicht doch gar nicht so recht sind. Und der Rechtsanwald Thomas Stadler fragt sich, wer eigentlich die Strippenzieher hinter den Forderungen nach mehr Urheberschutz sind. Seine Vermutung: Dahinter steht eine gelungene PR-Offensive der Verlage: „Fest steht für mich jedenfalls […] dass es den Verlagen gelungen ist, die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken. Hierzu passt auch der Umstand, dass der Aufruf „Wir sind die Urheber“ auf den Interessengegensatz zwischen Urhebern und Verwertern eingeht und diesen in Abrede stellt. Das kann man angesichts dessen, dass es gerade die Verlage waren, die vor 10 Jahren ein vernünftiges und faires Urhebervertragsrecht verhindert haben und es deshalb immer noch genügend Verlage gibt, die ihren Autoren Knebelverträge aufzwingen, nur als gelungene Lobbyarbeit bezeichnen.“ Auch bei E-Book-News findet sich ein kritischer Artikel über mögliche Interessen hinter der ganzen Aktion. Immerhin: Die Appelle und Aufrufe der vergangenen Wochen haben dafür gesorgt, dass das Thema Urheberrecht nun wirklich DAS Thema des Jahres ist, wie wir ja schon im Januar vorhergesagt haben (vielleicht verdienen wir in Zukunft unser Geld mit Zukunftsvorhersagen?). Allerdings führt die Kommunikation mittels Unterschriftenlisten nur zu einer immer weiteren Aufrüstung der Debatte, die der Sache nicht dienlich ist. Schlau fanden wir deshalb Artikel, die ein bisschen Luft aus der ganzen Debatte lassen. Klug hat zum Beispiel Spiegel Online die „fünf größten Irrtümer“ im Urheberrechtsstreit herausgearbeitet: Doch, es gibt auch jetzt schon Möglichkeiten, gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vorzugehen. Und nein, das Geschäftsmodell der allermeisten bislang erfolgreichen Urheber ist vom Internet nicht bedroht, meint Christian Stöcker. Sein wichtigstes Argument: Die Abschaffung des Urheberrechts ist akut bestimmt nicht zu befürchten. Es gibt dafür keinen gesellschaftlichen Konsens und schon gar keinen im Parlament. Statt sich von diffusen Ängsten in Grabenkämpfe verwickeln zu lassen, sollten gerade wir freien Journalisten versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen und zu verstehen, worum es eigentlich geht und wer was warum will – wozu haben wir schließlich unseren Job gelernt. Auch Frank Schirrmacher schlägt in der FAS vor, dass alle Beteiligten doch mal das tun sollten, was am Anfang eines Verständigungsprozesses steht: Versuchen, die Position der Gegenseite überhaupt zu verstehen: „Wenn wir fordern, die Produktionsbedingungen von Kunst zu respektieren, dann müssen wir auch ihre heutigen Rezeptionsbedingungen kennen und respektieren.“ In der FAZ signalisiert der innen- und kulturpolitische Sprecher der Berliner Piratenpartei, Christopher Lauer, Bereitschaft zu eben so einem Dialog: „Ich habe keine Lust, jede Woche einen weiteren Aufruf für oder gegen das Urheberrecht zu lesen. Lasst uns endlich vernünftig miteinander reden.“ Freischreiber steht bereit. Nachtrag 20.5.2012: Einen Dialog zwischen Urhebern und Nutzern hat übrigens irights.info in der vorvergangenen Woche angestoßen. Ein erstes Treffen gab es bereits, weitere werden folgen.


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