4. September 2013

Von Schwaben und anderen Dieben

Wir müssen doch noch einmal auf die Resolution zurück kommen, die sechs große deutsche Verlagshäuser gegen den geistigen Diebstahl im Internet verabschiedet haben. Darin heißt es: „Zahlreiche Anbieter verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem Journalismus.“ Folgender Dialog entwickelte sich neulich zwischen der Vertreterin des online-Angebots einer Hamburger Wochenzeitung, deren Verlag zu den Unterzeichnern der Resolution gehört, und einem freien Journalisten. Der Dialog zeigt, was die Verlagshäuser nicht meinen. Die Redakteurin aus Hamburg schrieb: Lieber (…), von den Kollegen vom XY habe ich erfahren, dass Sie für selbigen den (…) begleiten – wir haben eine Kooperation mit dem XY und würden Ihre Texte gerne übernehmen. Einverstanden? Freundliche Grüße, (…) Der Kollege antwortete: Liebe Frau (…), vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an meiner Berichterstattung über den (…). Ich nehme an, die Zweitverwertung wird entsprechend honoriert, richtig? In dem Fall freue ich mich, wenn die Texte bei (…) Anklang finden und übernommen werden. Vorab schon mal meine Bankverbindung: (…) Beste Grüße, (…) Darauf wieder die Redakteurin: Lieber Herr (…), wir tauschen Content mit dem XY – da sie Freier sind, kann ich natürlich ihre Texte nicht einfach übernehmen. Daher muss ich Sie fragen, ob wir diese Texte ohne Zweitverwertungshonorar haben können. Beste Grüße, (…) Und der Kollege: Liebe Frau (…), bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber unter diesen Umständen bin ich mit einer Übernahme der Texte nicht einverstanden. Der XY zahlt leider keine Honorare in einer Höhe, die eine kostenlose Zweitverwertung zulassen würden. Im Einzelfall hätte ich damit vielleicht kein Problem. Im Kern geht es aber doch um sehr grundsätzliche Fragen der Urheberrechts. Und da bestärken mich Beiträge wie der von Susanne Gaschke in der Zeit 18/2009 in meiner Haltung. Mit der Bitte um Verständnis und besten Grüßen, (…) Während die Redakteurin wenigstens noch nett fragte, ob sie die Texte des Journalisten kostenlos haben darf, legte der Vertreter der Schwäbischen Zeitung, deren Verlag nicht zu den Unterzeichnern der Resolution gehört, gleich eine schärfere Gangart ein. Hintergrund für die harsche Mail des Verlagsmitarbeiters ist ein Vertrag, den die SchwäZ seit einiger Zeit ihren freien Autoren zuschickt, um sämtliche Rechte an ihren Werken zu erwerben – zum Pauschalpreis, versteht sich, der nicht so hoch ist, wie es die exklusive Weiterverwertung eigentlich erwarten lassen müsste. Nun die Mail im Wortlaut: Sehr geehrter Herr (…), wie Sie wissen, will die „Schwäbische Zeitung“ die Zusammenarbeit mit ihren freien Mitarbeitern vertraglich regeln. Deshalb haben wir Ihnen vor einiger Zeit einen entsprechenden Vertrag zugeschickt. Leider haben wir bis heute von Ihnen keine Antwort bekommen, bzw. der unterschriebene Vertrag ist nicht bei uns eingegangen. Deshalb noch einmal die Bitte, eine Version des beiliegenden Vertrags unterschrieben an uns zurückzusenden. Die Honorarabteilung ist angewiesen, kein Honorar mehr an Mitarbeiter ohne Vertrag zu überweisen. Mit freundlichen Grüßen SCHWÄBISCHE ZEITUNG (…) Die Schwäbische Zeitung nennt sich übrigens selbst „unabhängige Zeitung für christliche Kultur und Politik“. Aber das nur am Rande. Ein Mitarbeiter der Verlagsgruppe Handelsblatt (VHB), die die Resolution ebenfalls nicht unterschrieben hat, sich aber sicherlich auch über den Schutz ihrer journalistischen Inhalte freuen dürfte, wiederum zeigt eine geradezu noble Haltung. Weil Journalisten für gewöhnlich einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort haben, werden sie ja an den Zweitnutzungen ihrer Texte – zum Beispiel in Pressespiegeln, durch Kopien etc. – beteiligt. Die VG Wort kassiert das Geld und schüttet es alljährlich an die bei ihr gemeldeten Autoren aus. Ein freier Journalist hatte durch Streichungen im Vertrag der VHB deutlich gemacht, dass er nicht mit allen Passagen einverstanden ist – dass er also noch Verhandlungsbedarf sieht. Der VHBler schrieb zurück, der freie Autor erziele doch über die Ausschüttungen der VG Wort Einnahmen an dem Text, weil der Verlag diesen Text ja auch in Pressespiegeln verbreiten wolle. Nobel, nobel. Das ist wirklich nobel. Ein Artikel in einem Pressespiegel dürfte dem Urheber vielleicht ein paar Cent einbringen. Diese paar Kröten von der VG Wort also darf der Autor als Quasihonorar dafür nehmen, dass der Verlag einen Text, den der freie Journalist für genau ein Produkt dieses Verlages geschrieben hat, weitervertickt – die VHB etwa über die Genios-Datenbank, an der die FAZ und die VHB beteiligt sind. Da kann dann jeder den Text erwerben – der Autor sieht nichts davon. Mit der Weiterverwertung der Texte am Autor vorbei sparen Verlage übrigens auch eine Menge Arbeit und Geld: Der Text des Freien ist der kostenlose Content, mit dem sie ihre diversen Online-Seiten füllen können. Kein Klau? Wir schlagen vor, dass die Verlage ihre Resolution wie folgt ändern: „Zahlreiche Anbieter – auch wir – verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem Journalismus.“


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