Der Newsletter: eins 2021
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2. Februar 2021

Von funkelnden Palästen und freischreiberigen Podcasts

Hallo, da sind wir wieder. Auf ein gesundes, neues Jahr 2021. 

Liebe Freischreiber*innen, liebe Kolleg*innen, liebe Freund*nnen von Freischreiber,
 
weiß irgendwer spontan, wie lange es am Jahresanfang schicklich ist, noch gute Wünsche mit auf den Weg zu geben? Nein? Ach, was soll’s, es ist 2021. Wenn wir alle etwas dringend brauchen, sind es Glück und Gesundheit.
 
Also: Wir wünschen Euch ein gesundes neues Jahr! Das ist das Minimalziel. Alles, was uns sonst noch glücken sollte, nehmen wir als erfreulichen Bonus mit.
 
Dabei haben wir Freischreiber das Jahr 2020 so glücklich und optimistisch verlassen, wie es nur möglich war. Anfang Dezember ging das Crowdfunding für unsere Freienbibel 2 zu Ende – mit einem Ergebnis, das unsere größten Hoffnungen noch übertraf. Mehr als 17.000 Euro haben fast 300 Unterstützer*innen zur Verfügung gestellt, damit unser Bibelteam – das ist jedenfalls der Anspruch – nichts Geringeres als das neue Standardwerk des freien Journalismus schreiben kann. Da sind wir immer noch zutiefst bewegt und dankbar. Wahnsinn, ganz ehrlich!

Ein paar Tage später waren wir auch aus anderen Gründen im Himmel, zumindest eine Video-Konferenz lang. Da es uns auch in monatelanger Suche nicht gelingen wollte, einen felsenfest bestätigten Kandidaten für unseren jährlichen Höllepreis zu finden (obwohl es an gefühlten Kandidaten echt nicht mangelte …), verliehen wir am 9. Dezember zweimal den Himmelpreis. Einmal an die taz, die ihren regelmäßigen Freien 2020 Corona-Boni gezahlt hatte. Und einmal an den „Welt“-Redakteur Klaus Geiger, der einigen unserer Mitglieder aufgefallen war, weil er seine Freien, tja, sehr fair behandelt. Das mag banal klingen, ist aber aus Sicht vieler freier Journalist*innen schon bemerkenswert.

Nach langer Planung und einem gestalterischen und personellen Kraftakt ging kurz vor Weihnachten auch unsere neue Webseite an den Start. Damit sind wir optisch wie inhaltlich in der Gegenwart angekommen – und natürlich happy wie die Kinder beim Auspacken unterm Weihnachtsbaum. 
 

Aber klar, die Glückseligkeit hielt auch bei uns nicht lange an. 2021 droht genauso schwierig zu werden wie das unselige 2020. Freie Journalist*innen sind nicht gerade verwöhnt, was ihre wirtschaftliche Situation angeht, aber das vergangene Jahr hat viele von uns einmal mehr an ihre Grenzen gebracht – und manche Grenze sicherlich auch überdehnt. Wegbrechende Aufträge, „gestraffte“ Honorare und dazu die Unsicherheiten zwischen Kinderbetreuung und drohender Infektion.

Das alles wird zumindest in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch nicht spürbar einfacher. Dass unbürokratische Hilfen für Soloselbstständige auftauchen, dass es eine Welle der Solidarität für freie Journalist*innen geben wird – das mögen wir uns erträumen, aber wie realistisch ist das schon?

Werden wir den Kopf in den Sand (oder vielerorts in den Schnee) stecken? Auf gar keinen Fall!


 Mitmachen und Ärmel hochkrempeln: Jetzt :Freischreiber*in (oder :Fördermitglied) werden! 


Freischreiber*innen sind sturmerprobt, deshalb sind wir im Freischreiber-Vorstand auch so stolz auf unsere Mitglieder. Wenn man – wie Ihr gleich, liebe Leser*innen – nachlesen kann, mit wie viel Energie, Mut und Zuversicht freie Journalist*innen an spannenden, an aufregenden neuen Projekten arbeiten, kann man dies ruhig auch als beispielgebend für die ganze Branche sehen. 

Freischreiberiges

Bis zur Veröffentlichung am 1. April dauert es zwar noch ein bisschen, aber Freischreiberin Carolin Wilms hat zusammen mit Ilka Wild das Buch „Sind wir uns wirklich einig?“ geschrieben, das im Mitteldeutschen Verlag erscheinen wird. 30 Jahre nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung untersuchen die Autorinnen, wie sehr die beiden Teile des Landes tatsächlich zusammengewachsen sind.

Etwas regionaler ausgerichtet ist das neue Online-Portal Nord West Reportagen, das Ulf Buschmann mit vier Kolleg*innen im Dezember gegründet hat. Neben eher klassischen Ressorts wie Wirtschaft, Politik, Kultur und Sport ist das im deutschen Nordwesten angesiedelte Team auch in der glücklichen Lage, „Maritimes“ anbieten zu können. Wer sich da an den wunderbaren Film „Schiffsmeldungen“ erinnert fühlt, sei versichert, dass die Kolleg*innen ihr Handwerk deutlich fundierter und unabhängiger beherrschen als die Redaktion im Film.

Apropos maritim: Freischreiber Friedemann Karig betreibt zusammen mit seiner Kollegin Samira El Ouassil seit 2020 den Podcast „Piratensender Powerplay“, der in bislang 35 Folgen erschienen ist. Die jüngste trägt den vielsagenden Titel „Karneval der Rassisten“. 

Auf derselben Plattform, aber mit ganz anderem Schwerpunkt sind Freischreiber Philipp Eins und Rechtsmediziner Michael Tsokos unterwegs. Ihr Podcast beleuchtet „Die Zeichen des Todes“ und verspricht, „Der einzig wahre True-Crime-Podcast“ zu sein. Zuletzt im Dezember veröffentlicht: Ein rätselhafter Fall, der sich in Hamburg ereignet hat.

Weniger gruselig, dafür „sexy & bodenständig“, sind die Freischreiber*innen Alena Schröder und Till Raether in ihrem Podcast zugange, den sie als „Entlastungs-Podcast“ für Autor*innen anlegen. Sie dröseln auf, was am Schreiben so schwierig ist und wie man sich das schreiberische Leben leichter machen kann. 

Freischreiberin und Afrika-Expertin Ramona Seitz hat in ihrer RiffReporter-Koralle ein langes Stück über das koloniale Erbe von Tansania und Deutschland veröffentlicht, das auch durch die außergewöhnliche grafische Umsetzung besticht, für die der tansanische Comiczeichner Marco Tibasima verantwortlich ist. 

Ein Stück weit vom Journalismus wegbewegt hat sich Freischreiberin Lisa Rüffer, die für die Neuauflage von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ das Drehbuch mitgeschrieben hat. Zu sehen ist die achtteilige Serie ab dem 19. Februar beim Streamingdienst Prime Video.

Noch etwas zum Thema Streaming: Die Berliner Freischreiber*innen treffen sich am 21. Januar um 19 Uhr zum Zoom-Stammtisch. Das Thema: Protagonistin und Interviewpartner gesucht. Beim Stammtisch geht es um Erfahrungswerte, um Tricks und Kniffe für die Suche nach den interessantesten Gesprächspartner*innen. Alle Infos zum Stammtisch gibt es hier.

Richten wir unseren Blick noch auf ein Projekt, das so stark funkelt und glitzert, dass wir eine große und sehr mondäne Sonnenbrille brauchen um es zu betrachten. Freischreiberin Silke Burmester hat einen Palast geschaffen für Frauen, die irgendwann jenseits der 47 von der Bühne der Aufmerksamkeit geschubst wurden. Zu Recht? Ganz und gar nicht. „Wenn die Gesellschaft den Scheinwerfer nicht mehr auf uns richtet, tun wir es eben selbst“, schreibt Silke. Und was es zu entdecken gibt, in diesem wunderbaren funkelnden Palais F*luxx  das dürft ihr jetzt selbst entdecken. Großer Tusch. Licht aus. Spot an. 

Und am Ende dieser Rubrik gratulieren wir noch zum Geburtstag: Am 13. Januar vor fünf Jahren wurde Übermedien gegründet. Damals wie heute federführend am Start: Boris Rosenkranz und Freischreiber-Mitglied Stefan Niggemeier. Mit fünf Jahren poltern die meisten ja noch durch den Kindergarten, Übermedien ist dagegen schon ziemlich stattlich: 5.000 der sogenannten Übonnentinnen und Übonnenten unterstützen das Medienmagazin, mehr als 1.600 Beiträge sind bislang erschienen. Happy Birthday!

Dies & das

Bei aller Begeisterung für neue Projekte sollte niemand – zumindest keine Wahrnehmungsberechtigten – den 31. Januar aus den Augen verlieren. Dann nämlich ist der Meldeschluss für alle alten Projekte, respektive (Online-)Veröffentlichungen für die VG-Wort-Ausschüttungen im Sommer und im Herbst. Gemeldet werden können bis zu diesem Stichtag Veröffentlichungen aus den Bereichen Hörfunk, Fernsehen, Sprachtonträger, Presse und Wissenschaft sowie Online-Texte für die METIS-Sonderausschüttung. Wichtig: In der Sonderausschüttung sind keine Nachmeldungen für 2020 möglich, wenn diese Frist verpasst wird.

Bedrückend fällt die Bilanz von „Reporter ohne Grenzen“ für 2020 aus. Laut ihrer „Jahresbilanz der Pressefreiheit“ sind weltweit derzeit mindestens 387 Journalist*innen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Mehr als 50 gelten als entführt, drei Journalisten und eine Journalistin seien im vergangenen Jahr unter ungeklärten Umständen verschwunden. Die Hälfte aller inhaftierten Journalist*innen wird laut „Reporter ohne Grenzen“ in nur fünf Ländern festgehalten: China, Saudi-Arabien, Ägypten, Vietnam und Syrien. In Belarus wurden im Zuge der Präsidentenwahl 370 Medienschaffende vorübergehend verhaftet. 

Zugegeben, das folgende Thema ist bei weitem nicht so existenziell, aber es erlaubt einen Einblick in eine Branchennische mit großen Problemen. Das Europäische Journalismus-Observatorium (EJO) hat für eine Studie die Arbeitsbedingungen freier Mitarbeiter*innen lokaler Tageszeitungen untersucht. Die zahlenmäßig größte Gruppe unter den 456 befragten Journalist*innen bildeten die sogenannten Senior-Quereinsteiger*innen mit 192 Personen. Diese waren im Schnitt 64 Jahre alt, hatten in der Regel kein Volontariat absolviert und übten ihre Tätigkeit nicht hauptberuflich aus. Mehr als die Hälfte von ihnen waren Rentner und Pensionäre. Nun verbietet es sich eigentlich, Gruppen journalistischer Mitarbeiter*innen gegeneinander aufzuwiegen. Aber wer frei im Lokalen arbeitet, kennt wahrscheinlich die Herausforderung, denn diese nebenberuflichen Kolleg*innen sind für ihre Redaktionen meist nicht nur sehr bequem verfügbar, sie sind oft auch nicht in der wirtschaftlichen Not, bessere Honorare verhandeln zu müssen – wo dies doch gerade im Lokalen oft so bitter nötig wäre. Das stellt freie Profis vor ein Argumentationsproblem: Sie müssen mehr Geld verlangen, wohl wissend, dass andere klaglos billiger arbeiten. Wozu das führt, müssen wir hier nicht ausführen, oder?

Eine Umfrage der Universität Hamburg zur Zusammenarbeit in Redaktionen und zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Zusammenarbeit läuft noch bis zum 15. Februar. Ziel ist, die gewonnenen Daten zu nutzen, um Lösungsvorschläge für bestehende Probleme zu erarbeiten. Die Online-Befragung beansprucht laut Uni Hamburg etwa 15 Minuten und ist natürlich anonym.

Um Geld, genauer: um das Geld der Zukunft, geht es beim Wettbewerb „Magic Future Money“, den der freie Journalist Friedemann Brenneis ins Leben gerufen hat. Brenneis, der schwerpunktmäßig zu Themen wie Bitcoin und Blockchain arbeitet, ruft dazu auf, Kurzgeschichten einzusenden, die sich in irgendeiner Weise mit den Stichwörtern Geld und Zukunft verbinden lassen. Zu gewinnen gibt es auch etwas, nämlich eine Million Satoshi pro veröffentlichter Geschichte. Wer darunter etwas versteht, sollte womöglich hier weiterlesen.

Im Wind machen sind gewisse Kreise in Deutschland ja ganz groß, und so war es kein Wunder, dass dieser Tage ein Vorstoß der Neuen deutschen Medienmacher*innen einen kleinen Sturm von Rechts erzeugte. Ihr so einleuchtender wie gewitzter Vorstoß: Obwohl Deutschland seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist, tragen Wetterhochs und -tiefs in aller Regel deutsche Namen. Das wollten die Neuen deutschen Medienmacher*innen gemeinsam mit ihren Schweizer Kolleg*innen und dem österreichischen Team goandtry.com sowie der #Wetterberichtigung ändern. Sie kauften daher die Patenschaften für gut ein Dutzend Hoch- und Tiefdruckgebiete; den Anfang machte vergangene Woche das Tief „Ahmet“. Ganz Rechts reagierte man sehr zuverlässig mit ordentlich Hyperventilation. 

Ihr seht, freie Journalist*innen und Medienschaffende ganz allgemein haben auch am Beginn des zweiten Corona-Jahres nicht aufgegeben. Es gibt nämlich auch noch viele andere Themen neben Corona. Das ermutigt auch uns Freischreiber, weiter mit viel Wumms dafür einzustehen, dass freie Journalist*innen nicht nur gebraucht, sondern auch wahrgenommen, fair behandelt und auskömmlich bezahlt werden. 

Bleibt gesund!
Eure Freischreiber*innen


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