Faire Honorare
6. Januar 2010

Stellungnahme von Freischreiber e.V. zu den gemeinsamen Vergütungsregeln für Tageszeitungen

Freischreiber e.V., der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, lehnt die „Gemeinsamen Vergütungsregeln“ ab, welche die Journalistengewerkschaften und der Verlegerverband für freie Tageszeitungsjournalisten ausgehandelt haben.

Nach sechs Jahren Verhandlung haben sich DJV und dju mit dem BDZV auf Honorarreglungen verständigt. Am 5. Januar 2010 wurde das Ergebnis veröffentlicht – stimmen die Gremien der Verbände zu, treten die Regelungen ab dem 1. Februar in Kraft. Freischreiber e.V. hält die Vereinbarungen jedoch für unzureichend. „Es wäre für freie Journalisten fatal, solche Vergütungsregeln zu akzeptieren“, so Lars Reppesgaard, Vorstandsmitglied von Freischreiber. „Die nun ausgehandelten Vereinbarungen stellen keine angemessene Vergütung dar.“ Denn die vereinbarten Regelungen zementieren Bedingungen, unter denen professioneller, unabhängiger, sauber recherchierter Journalismus durch freie Journalisten nicht möglich ist. So sollen Honorare weiterhin nach Anzahl der gedruckten Zeilen und nach Darstellungsform berechnet werden, nicht aber nach Arbeits- und Rechercheaufwand oder tatsächlicher wirtschaftlicher Nutzung des Textes durch den Verlag. Bezahlt wird nach gedrucktem, nicht nach bestelltem und gelieferten Umfang.

Die von den Verlagen in den letzen Jahren schleichend zum Standard erhobenen sogenannten „Buyout“-Regelungen werden von den Gewerkschaften faktisch akzeptiert: Mit einmaliger Zahlung sollen umfangreiche Nutzungsrechte und die Weiterverwertung in anderen Publikationen abgegolten sein. Und nicht zuletzt soll die für die Zukunft besonders bedeutsame digitale Nutzung zum Beispiel im Internet in einem einmaligen Honorar inbegriffen sein – zeitlich unbegrenzt und übertragbar. Dies ist für freie Journalisten nicht akzeptabel. Selbst wenn sich manche zunächst freuen mögen, dass ihnen nach den Regelungen nun immerhin das Doppelte dessen zusteht, was Zeitungen bisher zu zahlen bereit waren: Honorare wie die nun vereinbarten lassen eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit als freier Journalist für Tageszeitungen auf Dauer nicht zu. Das Niveau der nun vereinbarten Honorare liegt bis zu 30 Prozent unter dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Freie („Tarifvertrag 12a“), also für Freie, die über ein regelmäßiges Einkommen verfügen. Faktoren wie ein Inflationsausgleich oder eine adäquate Regelung zu Tariferhöhungen sind in den Vereinbarungen nicht vorgesehen: Die ausgehandelten Honorare gelten nun für mindestens zwei Jahre, und „können“ dann laut dem Text der Vereinbarung neu verhandelt werden. Verpflichtend ist das nicht.

Die 2002 verabschiedete Urheberrechtsnovelle, die mit §32 das klare Ziel hatte, die wirtschaftliche Situation freier Journalisten und anderer Urheber nachhaltig zu verbessern, wird mit dieser Vergütungsregel ad absurdum geführt. Damit aber werden nicht nur die Freien betrogen, sondern auch die Leser: Verlage, die Redaktionen bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit verschlanken, sind zunehmend angewiesen auf flexibel zur Verfügung stehende gut ausgebildete freie Mitarbeiter. Doch mit Honorarsätzen, die nicht entscheidend über das derzeitige Niveau steigen, ist eine professionelle freiberufliche Tätigkeit als Journalist unmöglich. Dies ist auch den Redaktionen bekannt. So sagte Lorenz Maroldt, Chefredakteur des „Tagesspiegel“, im Oktober vergangenen Jahres, der Tageszeitungsjournalismus sei nicht geeignet, Freien einen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Weil professionelle freie Journalisten den Großteil ihres Einkommens somit anders verdienen müssen, wird dies dazu führen, dass Zeitungen noch mehr als jetzt bereits auf Freizeitjournalisten und andere für Ruhm und Ehre schreibende Hobbyautoren zurückgreifen. Welche fatalen Auswirkungen diese Entwicklung auf Recherchetiefe, Meinungsvielfalt und redaktionelle Unabhängigkeit hat, also auf jene von Verlegern in Sonntagsreden so gepriesene Qualität, zeichnet sich in der derzeitigen Krise bereits deutlich ab.

Freischreiber fordert daher:

1. Freie Journalisten brauchen höhere Honorare als arbeitnehmerähnliche Freie. Freie Journalisten tragen das volle unternehmerische Risiko, sämtliche laufenden Betriebskosten sowie die Kosten für Altersversorgung und Versicherungen selbst. Honorare für hauptberuflich und professionell arbeitende Freie müssen daher deutlich über denen der sogenannten „arbeitnehmerähnlichen Freien“ liegen, die über ein regelmäßiges Einkommen verfügen.

2. Was bestellt wird, muss bezahlt werden. Im Tageszeitungsalltag werden Texte freier Autoren häufig gekürzt, erst Wochen später abgedruckt oder „aus aktuellem Grund“ gar nicht veröffentlicht. Bezahlt wird nicht, was bestellt wurde, sondern was tatsächlich gedruckt wird. Und zwar nach Erscheinen. Damit bürden die Verlage dem Urheber einseitig das Risiko auf, machen ein wirtschaftliches Planen unmöglich. Der Verdienst des freien Journalisten liegt weitgehend im Ermessen der Redaktion. Diese Praxis fixieren die Vergütungsregeln. Sie räumen sogar entgegen den Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch bis zu zwei Monate Zahlungsfrist nach Veröffentlichung ein. Zwar werden Ausfallhonorare vereinbart (Zahlungsfrist: drei Monate), doch deren Höhe bestimmt wieder die Redaktion, da nicht der gelieferte Text bezahlt werden muss, sondern das, was „bei Veröffentlichung fällig gewesen wäre“.

3. Honoriert werden muss nach Arbeitsaufwand, nicht nach Darstellungsform. Honorare, die lediglich die Anzahl der gedruckten Zeilen und die Darstellungsform berücksichtigen, haben zur Folge, dass nicht Klasse, sondern Masse sich auszahlt. Sorgfältige Recherche führt nicht notwendigerweise zu längeren Artikeln und wird somit überhaupt nicht honoriert. Gerade Texten der niedrigsten Vergütungsklasse wie Berichten und exklusiven Nachrichten geht oft ein erheblicher Rechercheaufwand voraus. Dem aber tragen die Vereinbarungen nirgends Rechnung. Wer Qualitätsjournalismus auch in Tageszeitungen und auch von freien Journalisten will, muss das Honorar am Arbeits- und Rechercheaufwand berechnen.

4. Jede Nutzung eines Textes muss honoriert werden. Mit einem Zeilenhonorar darf immer nur ein einfaches Nutzungsrecht abgegolten sein, also beispielsweise der erste Abdruck eines Textes in einer Zeitung. Jede weitere Nutzung, egal ob in weiteren Zeitungen, im Internet, in Datenbanken oder mittels zukünftiger Verbreitungskanäle, muss zusätzlich honoriert werden. Buyouts, also die Abtretung umfangreicher Nutzungsrechte, gegen allenfalls symbolische Zuschläge, insbesondere auch der Einschluss digitaler Nutzungen in die einmalige Honorierung, können angesichts der steigenden Bedeutung dieser Verwertungen nicht angemessen sein. Dies aber lassen die Vergütungsregeln weiterhin zu: So wird für die Weiternutzung von Texten durch Dritte (Redaktionsgemeinschaften) kein zusätzliches Honorar fällig, ebenso wenig für die in Zukunft besonders entscheidende digitale Nutzung. Erlösbeteiligungen, wie bei der Nutzung in Datenbanken vorgesehen, sind ungeeignet, weil sie den Freien das Risiko aufbürden, leer auszugehen, wenn die Verwerter sich trickreich arm rechnen oder nicht tragfähige Geschäftsmodelle wie das Verschenken von Inhalten im Netz entwerfen.

Wir verweisen in dem Zusammenhang auf folgende Artikel, die sich ebenfalls mit den Vergütungsregeln auseinandersetzen: Ilja Braun nennt im Perlentaucher die Einigung zwischen Gewerkschaften und Zeitungsverlegern “ Zementierung der Misere „, Wolfgang Michal, Mitglied des Freischreiber-Vorstandes, schreibt auf carta über “ Die neue Angemessenheit „. Passend und lesenswert zur Diskussion über die Bezahlung von freien Tageszeitungsjournalisten ist auch der Beitrag von Annette Leßmöllmann, Journalismus-Professorin an der Hochschule Darmstadt, der heute im Rahmen unserer Freiflächen-Kampagne erschienen ist: “ Eine Predigt in der Wüste „.

6. Januar 2010


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