Faire Rechte
16. September 2013

RediGEOtur vor Gericht: Soll freier Autor sich vergleichen?

Am vergangenen Mittwoch fand in Saal 114 des Hanseatischen Oberlandesgerichts die mit Spannung erwartete Berufungsverhandlung im Fall Christian Jungblut gegen Gruner + Jahr statt (Wer sich über die Vorgeschichte des Falls informieren möchte, kann dies hier, hier, hier und hier tun). Das Hanseatische Oberlandesgericht führte aus, dass aufgrund seiner Vorberatungen beide Parteien mit einer Niederlage rechnen müssten. Es handle sich um einen äußerst diffizilen Grenzfall. Der freie Autor Christian Jungblut könne den Prozess verlieren, weil er der GEO-Redaktion vertraglich ein weitgehendes Bearbeitungsrecht zugestanden habe. Der Verlag Gruner + Jahr könne den Prozess aber genauso verlieren, weil das extreme Ausmaß der redaktionellen Bearbeitung des fraglichen Artikels durchaus als „Entstellung“ im Sinne von §14 Urhebergesetz gewertet werden könne. Das Gericht schlug den Parteien deshalb vor, sich lieber zu vergleichen. Dieser Vergleich soll so aussehen, dass Gruner + Jahr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt mit der Maßgabe, den Artikel nicht weiter zu verbreiten. Außerdem muss der Verlag 60 Prozent der Prozesskosten übernehmen. Im Gegenzug verzichtet der Autor auf eine Fortführung der Klage und trägt 40 Prozent der Kosten. Beide Parteien können nun bis zum 22. Mai 2013 überlegen, ob sie den Vergleichsvorschlag annehmen wollen. Schlägt eine Seite das Angebot aus, wird am 13. Juni 2013 weiterverhandelt. Was bedeutet der Vergleich nun für die freien Autoren? Nach dem Sieg Jungbluts in der ersten Instanz könnte der Autor den Gerichtssaal erhobenen Hauptes verlassen – der Verlag hat sich nicht durchgesetzt. Mit einem vorzeitigen Vergleich entfällt aber auch die seltene Chance, die Grenzen der redaktionellen Bearbeitung für alle freien Autoren rechtsverbindlich näher bestimmen zu lassen – wie das im erstinstanzlichen Urteil bereits in vorbildlicher Weise geschehen ist. Obwohl das Oberlandesgericht am Mittwoch mehrfach betonte, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt, müsste es in seiner Urteilsbegründung nämlich ein paar klare Aussagen zur Tragweite des Urheberpersönlichkeitsrechts treffen – vor allem im Hinblick auf das Verhältnis zur gewohnheitsmäßig behaupteten „redaktionellen Autonomie“. Möglicherweise möchte das Oberlandesgericht aber gerade eine solche Präzisierung vermeiden. Deshalb die Frage an Euch und an alle freien Autoren: Soll Christian Jungblut den Prozess durchfechten oder soll er dem Vergleich zustimmen?


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