Fair vs. Fies
10. April 2017

Nominierungen für den Höllepreis 2017

Verdient hätten ihn alle Nominierten. Wer unseren Höllepreis 2017 am Ende bekommt, wird am 29.4. bei der Preisverleihung in Frankfurt bekanntgegeben.

Nominiert für den Höllepreis 2017 sind:

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
Der Freitag
Süddeutsche Zeitung
Deutsche Presse-Agentur (dpa)
Travel House Media GmbH

Nachfolgend die Nominierungstexte:


Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. (BDZV)

Der BDZV hat sich mit seiner Kündigung der Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen (GVR) einen Platz in der publizistischen Hölle verdient.
Okay – das Instrument der GVR war nie so richtig FREISCHREIBERS Sache. Zu gering waren die nach sieben biblischen Jahren zwischen dem BDZV und den beiden Gewerkschaften DJV und DJU ausgehandelten Zeilensätze; zu vage bis undefiniert die Kriterien, nach denen diese gezahlt werden sollten.

Mehr aber noch war der Teil der Vereinbarung, dass jeder freie Journalist und jede freie Journalistin ihre Ansprüche allein für sich durchsetzen und notfalls vor Gericht bringen musste, nicht unsere Sache. Denn man kann sich leicht ausrechnen, was passiert, wenn ein Freier allein gegen ein Verlagshaus antritt und es gegebenenfalls verklagt, um seine Ansprüche so durchzusetzen. Tatsächlich haben nur wenige Kollegen und Kolleginnen diesen Schritt gewagt. Und wenn man sich als Einzelkämpfer so etwas traut, dann kann man davon ausgehen, dass man sich anschließend neue Auftraggeber suchen muss.

Das hätte sich jetzt ändern können. Denn mit dem neuen Urheberrecht wurde ab dem 1. März 2017 das Verbandsklagerecht eingeführt. Nicht der Einzelne, sondern ein beauftragter Verband hätte nun die Ansprüche auf Einhaltung der Vergütungsregeln einfordern können.

Hätte!

Denn rechtzeitig bevor diese neue Rechtslage wirksam wurde, hat der Verlegerverband die Vereinbarung über die Vergütungsregeln von sich aus gekündigt. Damit macht der BDZV in geradezu prosaisch klarer Weise deutlich, welche Rechte er freien Journalisten und Journalistinnen, die hauptberuflich für Tageszeitungen arbeiten, zubilligt: gar keine.

Der Text zur Nominierung vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger als PDF

Der Freitag

Liebe freie Journalistinnen und Journalisten, wenn Sie vorhaben, in der nächsten Zeit einen Text für das Meinungsmagazin „der Freitag“ zu verfassen, so lesen Sie sich vorher bitte diese Anleitung durch. Erstens: Fassen Sie kein heißes Eisen an. Zweitens: Nennen Sie keine Namen. Drittens: Legen Sie ein Mehrfaches des Honorars als Rücklage für mögliche Rechtsstreitigkeiten mit Protagonisten zur Seite – „der Freitag“ verfügt entweder nicht über entsprechende Mittel oder möchte sie nicht zur Verfügung stellen. Viertens: Rechnen Sie nicht damit, dass die Redaktion den Text vorab auf rechtliche Unsicherheiten hin klärt. Fünftens: Seien Sie nicht traurig, wenn Ihre Ansprechpartner in der Redaktion im Falle von Ärger auf Tauchstation gehen.

Wenn Sie diese Punkte beachten, wird die Redaktion Ihren Text dankend drucken. Wenn Sie diese Punkte beachten, stellt sich allerdings die Frage, ob Sie das dann noch möchten.

Petra Reski hat diese Regeln nicht beachtet. Sie hat nach einem Artikel über die Mafia in „der Freitag“ einen Rechtsstreit mit einem Protagonisten verloren. Sie hatte ihn, als sie einen Prozess gegen ihn referierte, kenntlich gemacht – keineswegs als Erste, denn sein Name war bereits aus anderen Berichten bekannt. Reski wurde auf Unterlassung verurteilt, „Der Freitag“ löschte den Text. Reski blieb auf den Prozesskosten sitzen.

Selber schuld, finden manche, zum Beispiel Jakob Augstein: „Redaktionen sind keine Rechtsschutzversicherung für mangelhafte Recherchen.“ Wir hingegen schließen uns der FAZ an: „Dass eine Zeitung, die mit der Entscheidung, den Artikel zu drucken, hinter dem Autor steht, sich im Falle einer juristischen Auseinandersetzung vor diesen stellt, sich mit ihm berät und dagegen wehrt, ist übliche Praxis … Der ‚Freitag‘ aber hat gar nicht erst versucht, seiner Autorin beizuspringen, sondern den Artikel ohne Rücksprache mit ihr gleich von der Internetseite gelöscht.“ Außerdem: Warum wurde nicht sorgfältiger redigiert? Warum wurde keine Rechtsmeinung eingeholt?

Was sich Autoren wünschen, ist dies: eine Redaktion und einen Verleger, die sich nicht verdünnisieren, wenn mal was schiefgeht.
Allerdings muss man dem „Freitag“ zugute halten, dass er sich in keineswegs falscher Bescheidenheit bloß ein „Meinungsmagazin“ nennt. Was wiederum daran liegen könnte, dass Meinungen billiger zu haben sind als Recherchen.

Der Text zur Nominierung von „der Freitag“ als PDF

Süddeutsche Zeitung

Die Süddeutsche Zeitung hat sich große Verdienste erworben, wenn es darum geht, aufzudecken, in welche Steueroasen die Reichen ihre Milliarden retten. Als klassisch liberale Zeitung ergreift sie in der Flüchtlingsfrage und bei Justizskandalen Partei für die Schwachen.

Wenn es aber darum geht, die Arbeitsbedingungen mit zum Teil langjährigen freien Journalistinnen und Journalisten zu gestalten, schreckt die Süddeutsche Zeitung seit Neuestem nicht vor kalter Enteignung zurück. Anfang des Jahres wunderten sich freie Kolleginnen und Kollegen, die Texte wie gewohnt nach dem Abdruck bei der Süddeutschen auch beim Schweizer Tagesanzeiger anbieten wollten, dass die Redakteure ihnen beschieden, den Text würden sie kostenlos zum Abdruck von der Süddeutschen Zeitung erhalten.

Tatsächlich: Die Süddeutsche Zeitung und der Schweizer Verlag Tamedia haben einen Artikelaustausch vereinbart. Die Beteiligung der Autoren an diesem Deal? NULL. Wochen nach dieser Hiobsbotschaft für die Autoren begann der Süddeutsche Verlag damit, diese Unverschämtheit auch als Autorenvertrag zu verschicken. Alle, die ihn nicht unterschreiben würden, seien bis auf Weiteres für die Mitarbeit gesperrt, so die telefonische Auskunft gegenüber freien Mitarbeitern, die mit der Unterschrift zögerten. Wenn es Freischreiber nicht schon getan hätte, dieser Skandal wäre es wert, vom Recherche-Team der ehrwürdigen Süddeutschen Zeitung aufgedeckt zu werden.

Der Text zur Nominierung der SZ als PDF

Deutsche Presse-Agentur (dpa)

„Es ist allseits bekannt, dass die dpa Hungerlöhne zahlt“, sagt ein freier Journalist über die Deutsche Presse-Agentur. Der Kollege weiß das aus eigener Erfahrung, regelmäßig arbeitet er in Redaktionsschichten für die Nachrichtenagentur. 120 Euro für acht Stunden – das ist der übliche Satz für Freie, egal ob in einem der dpa-Landesdienste oder zum Beispiel bei den Kindernachrichten. Aufträge für einzelne Artikel sind noch schlechter honoriert.

So erhalten freie Journalisten, die etwa für die Agentur Termine wahrnehmen und darüber berichten, keinen Stundensatz, sondern sie werden nach geschriebener Zeile bezahlt. In der Regel gibt es bei der dpa 1 Euro pro Zeile. Das sieht dann so aus: Der Journalist verbringt zum Beispiel vier Stunden bei einer Gerichtsverhandlung, schreibt darüber einen Bericht von 30 Zeilen und erhält 30 Euro – für sechs Stunden Arbeit.

Dabei haben die Zeilen bei der Agentur 69 Anschläge, sind also deutlich länger als bei Tageszeitungen. Ein Artikel für einen dpa-Landesdienst wird nicht noch einmal honoriert, wenn er auch im bundesweiten Basisdienst läuft. Hinzu kommt: Texte der dpa werden von Dutzenden Zeitungen gedruckt, das macht Zweitverwertungen quasi unmöglich. Erwünscht sind sie ohnehin nicht: So bekamen freie Autoren des dpa-Themendienstes Anfang 2016 Verträge zugeschickt, durch die sie sämtliche Rechte an ihren Texten abtreten.

Die dpa ist ein Hölle-Kandidat, da sie trotz enormer Reichweite Honorare auf dem Niveau regionaler Tageszeitungen zahlt. Warum? „Die Honorare im Agenturbereich sind traditionell niedrig“, sagt ein dpa-Ressortleiter dazu. War schon immer so? Kann man nix machen? Die dpa ist Marktführer in Deutschland, sie beschäftigt 1300 Journalisten. Aber für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sie nichts weiter übrig als Almosen.

Der Text zur Nominierung der dpa als PDF

Travel House Media GmbH

Mit seinen Bettelbriefen reiht sich die Travel House Media GmbH in die Riege jener Verlage ein, die Journalistinnen und Journalisten besonders kaltschnäuzig darum ersuchen, ihnen Tantiemen aus Kopiervergütungen und Geräteabgaben freiwillig abzutreten – sowohl rückwirkend als auch zukünftig.

Diese Beteiligung der Verleger war in den Verwertungsgesellschaften jahrzehntelang üblich – doch in der praktizierten Form nicht rechtmäßig. Was die Verlage also gar nicht hätten bekommen dürfen, sollen sie dennoch nicht zurückzahlen müssen – sofern die Autorinnen und Autoren durch sogenannte Abtretungserklärungen darauf verzichten. Für uns bemerkenswert ist, wie die Travel-House-Media-Verantwortlichen ihr Begehr begründen:

Zum einen seien die Rückzahlungsforderungen für das Verlagshaus „von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ – wobei sie jedoch keine konkreten Beträge oder Anteile an Umsatz oder Gewinn nennen, um diese „Bedeutung“ zu veranschaulichen. Zudem verschweigt das Verlagshaus, dass VG Wort und VG Bild-Kunst die anteiligen Tantiemen in den vergangenen Jahren explizit vorbehaltlich auszahlten. Andere Verlage nahmen das ernst und parkten das Geld.

Nicht so der Travel House Media Verlag, in dessen Bittbrief es zum anderen heißt, die Abtretungserklärung sei nötig, „damit wir die uns ursprünglich zugedachten (…) Ausschüttungen zumindest teilweise erhalten“. Auch acht Monate nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs hält der Verlag offenbar daran fest, ihm stünde die Beteiligung quasi zu und die Abtretung der Autoren sei daher geboten. Außerdem, so heißt es, seien die erhaltenen Vergütungen direkt in die Kalkulation der Honorare eingeflossen.

Das ist dreist. Statt den Autorinnen und Autoren konkret zu erläutern, welche vorbehaltlich erhaltenen Beträge es wissentlich ausgegeben hat, oder sich genau dafür zu entschuldigen, schiebt das Verlagshaus ihnen indirekt die Schuld in die Schuhe, dass die Honorare zukünftig womöglich schmaler ausfallen.

Mit dieser trotzigen Argumentationslinie offenbart der Travel House Media Verlag – Schwesterverlag des Jahreszeitenverlags in der Ganske-Gruppe –, wie wenig er davon hält, mit uns Journalistinnen und Journalisten fair und einvernehmlich zusammenzuarbeiten.

Der Text zur Nominierung von Travel House Media als PDF

 

Die Preisverleihung findet am 29. April in Frankfurt statt. Weitere Informationen zur Preisverleihung hier.


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