Faire Honorare
4. Juli 2016

Linke Tasche, rechte Tasche

Angestellte Redakteure bekommen mehr Geld. Das freut uns für die Kollegen. Aber wir fragen uns: Wo bleibt der Einsatz der Gewerkschaften für die Freien?

Es gibt sie ja noch, die guten Nachrichten in unserer krisengeschüttelten Branche. So haben sich Verleger und Gewerkschaften vergangene Woche auf neue Tariflöhne für Tageszeitungsredakteure geeinigt. Rückwirkend zum ersten Juni dieses Jahres gibt es 1,5 Prozent mehr Lohn ab August sogar 1,6 Prozent.

Es ist nicht unsere Aufgabe zu beurteilen, ob dieses Ergebnis für die Gewerkschaften tatsächlich ein Erfolg ist. Wir gönnen den festangestellten Kollegen die Lohnerhöhung allemal.

Wir erlauben uns jedoch die Frage, wie und ob sich die Gewerkschaften dafür einsetzen werden, dass nach diesem Abschluss auch die Honorare für die Freien bei Tageszeitungen entsprechend steigen?

Sie glauben, da gibt es keinen Zusammenhang? Irrtum. Zum einen gilt es zu vermeiden, dass Freie die Löhne der Festen noch mehr unterbieten, als das ohnehin schon der Fall ist. Aber es gibt noch einen ganz direkten Zusammenhang:

Tatsächlich hört man von Chefredakteuren auf öffentlichen Podien, dass Verleger Tariferhöhungen gerne auf Kosten des Honorartopfs für Freie finanzieren. 1,6 Prozent mehr Lohn für Feste hieße dann in vielen Verlagen mindestens 1,6 Prozent weniger Geld im Honorartopf. Für Verleger also eine sehr kostengünstige Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Transaktion.

Wenn das Chefredakteure davon so freimütig berichten, sollte dieser Zusammenhang auch den großen Gewerkschaften bekannt sein, die ja für sich in Anspruch nehmen, gleichberechtigt auch die Freien Journalisten zu vertreten.

Wir fragen daher:

– Was tun DJV und Verdi, um diesen Effekt zu verhindern?

– Wann werden die 2010 beschlossenen Vergütungsregeln, die aus unserer Sicht ohnehin viel zu gering veranschlagt sind, an die Tariferhöhungen angepasst?

– Wann wird die Passage aus dem Manteltarifvertrag gestrichen, dass Arbeitsjahre von Freien beim Wechsel in eine Festanstellung für die Lohneingruppierung nur hab zählen? Haben sich die Gewerkschaften jemals dafür eingesetzt?

Nur wenn solche Fragen beantwortet werden, kann man glaubwürdig beide Gruppen – die Angestellten und die freien Autoren – vertreten.

Freischreiber, 4. Juli 2016


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