Fair auf Augenhöhe
14. September 2013

Klein meist fein, groß häufig die Hölle

Freischreiber nominiert sieben Redaktionen für den 2. Himmel- und Hölle-Preis. Den Hölle-Preis machen Großverlage unter sich aus. Das Magazin Enorm ist zum zweiten Mal für den Himmelpreis nominiert. Preisverleihung am 24. 11. in München. Der Himmel so nah, die Hölle aber auch. Am 24. November küren wir zum zweiten Mal die Preisträger des Himmel- und Hölle-Preises. Nominiert sind diesmal insgesamt sieben Redaktionen, vier für den Himmel und drei für die Hölle, darunter mare, das Handelsblatt und zum zweiten Mal das Magazin enorm. Benno Stieber, Vorsitzender von Freischreiber: „Die Nominierungsliste dieses und des letzten Jahres macht einen Trend deutlich. Gute Arbeitgeber für freie Autoren sind fast immer kleine Redaktionen, die wissen, wie stark sie auf ihre Schreiber da draußen angewiesen sind. Und das Höllenfeuer lodert häufig in großen Verlagshäusern, in denen eher unter industriellen Bedingungen Journalismus betrieben wird.“ Grundlage für den Preis ist der Code of Fairness, mit dem Freischreiber Kriterien für eine gute Zusammenarbeit zwischen Redaktionen und freien Journalisten definiert hat. Aber auch die Nominierten für den Himmelpreis erfüllen nicht immer alle Punkte des Code of Fairness. Gerade kleine Redaktionen haben oft Schwierigkeiten mit pünktlicher Bezahlung. Entscheidend war am Ende eine Gesamtschau der Arbeitsbedingungen und die Einschätzung von Vor- und Hauptjury. Die Nominierungen wurden in diesem Jahr von einer Vorjury ausgewählt. Zu ihr gehörten: Brigitte Baetz, Jan Freitag, Kathrin Hartmann, Midia Nuri, Bernd Oswald. Kai Schächtele und Simone Schellhammer. Sie nominierten in diesem Jahr die folgenden Redaktionen bzw. Verlage: Für den HIMMEL-PREIS: Enorm Enorm, das Magazin für nachhaltiges Wirtschaften, wurde 2010 von Thomas Friemel (heute Chefredakteur) und Alexander Dorn (heute Verlagschef) gegründet. Das Magazin wurde von Freischreiber-Mitgliedern nun zum zweiten Mal für den Himmel-Preis vorgeschlagen. Freie Autoren berichten von einer angenehmen, fairen und verbindlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit der Redaktion. Man werde „sehr ernsthaft in den redaktionellen Prozess eingebunden.“ Das gelte auch für die visuelle Umsetzung. Es werden angemessene Honorare bezahlt. mare Das Magazin des Schweizer Meeresbiologen Nikolaus Gelpke ist seit 1997 auf dem Markt. Die befragten Autorinnen und Autoren, die für mare arbeiten oder gearbeitet haben, können nur Positives berichten. Dies betrifft sowohl die Honorare als auch die Zusammenarbeit.Die Zeitschrift zahlt pünktlich und das sogar noch vor dem Druck des Heftes. Auch Spesen werden beglichen, um eine vernünftige Recherche zu garantieren. Mehrfach wurde erklärt: „Es ist vor allem so gut, weil es eine wirkliche Zusammenarbeit ist.“ Reportagen Das junge Schweizer Magazin Reportagen widmet sich nach eigener Auskunft als einziges explizit der Gattung Reportage. Da Reportagen neben dem Gründer, Mitbesitzer, Herausgeber und Chefredakteur Daniel Puntas Bernet keine fest angestellten Redakteure in Vollzeit hat, werden sämtliche Texte von freien Autor(inn)en aus der Schweiz, Österreich und Deutschland verfasst. Nach Verlagsauskunft fließt derzeit der überwiegende Teil der Mittel in die Honorare. Die Honorare sind angemessen und erfolgen in der Regel zeitnah zur Veröffentlichung, also pünktlich. Ausfälle werden bei Nichtgefallen des Textes in angemessener Höhe geleistet. Solarthemen Die Zeitschrift Solarthemen, ein Infodienst zu erneuerbaren Energien, wurde 1996 von den Diplomjournalisten Andreas Witt und Guido Bröer gegründet, die die Zeitschrift bis heute im Eigenverlag herausgeben. Das Magazin erscheint 24-mal im Jahr mit einer Druckauflage von knapp 2000 Stück und wendet sich an Entscheider im Energiesektor. Die befragten freien Mitarbeiter loben unisono die große Fairness zwischen Redaktion und freien Mitarbeitern. Honorare werden stets entsprechend im von der Redaktion bestellten Umfang bezahlt – auch dann in voller Höhe, wenn die Artikel gekürzt werden müssen oder gar nicht erscheinen. Als besonders lobenswert bezeichnen mehrere Kollegen den sauberen Umgang mit den Nutzungsrechten. Für den HÖLLE-PREIS: Madsack-Verlag Die Mediengruppe Madsack-Verlag ist das sechstgrößte Verlagshaus Deutschlands. Madsack verkauft von seinen 17 Regionalzeitungen (u.a. Hannoversche Allgemeine, Göttinger Tageblatt, Leipziger Volkszeitung, Ostsee-Zeitung) insgesamt 836 000 Exemplare. Seit einiger Zeit veröffentlicht Madsack die Texte seiner freien Mitarbeiter der Regionalausgaben der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung auch im Internet. Für den Abruf muss der User Geld bezahlen, doch die freien Autoren sehen davon keinen Cent. Den Freien, die an den Mehreinnahmen beteiligt werden wollten, schrieb die Chefredaktion: „Eine zusätzliche Bezahlung kann es nicht geben. Freie Mitarbeiter, die darauf bestehen, werden leider keine relevanten Geschichten mehr bekommen können, von einigen werden wir uns unter Umständen auch trennen müssen.“ Freischreiber hatte nach einem Bericht im NDR-Magazin ZAPP mehrmals nachgefragt, ob der Verlag an diesem Umgang etwas zu ändern werde. Auch auf die zweite Nachfrage lautete die Antwort, der Verlag wolle dazu keinen Kommentar abgeben. Sonntag Aktuell Die Stuttgarter Nachrichten gehören zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH). Seit 2010 produziert der sogenannte Themenpool das Blatt Sonntag Aktuell, das seit drei Jahrzehnten im Süden der Republik den Abonnenten von drei Dutzend Zeitungen als siebte Ausgabe dient. Die verkaufte Auflage liegt insgesamt bei über 850.000 Exemplaren. Seit letztem Jahr liefert die Redaktion Texte und Fotos ihrer Autoren nun ohne eine weitere Vergütung nicht nur an ihr neues Reiseportal www.fernweh-aktuell.com, sondern auch an die Münchner Abendzeitung. AGBs oder einen (Buyout-)Vertrag gibt es nicht, sondern nur eine Mail, in der die Autoren darüber in Kenntnis gesetzt wurden. Ein offener Brief von 31 Reisejournalisten an die Chefredaktion, diese Praxis zu ändern, wurde nicht einmal beantwortet. Handelsblatt Das in der Verlagsgruppe Handelsblatt erscheinende Handelsblatt hatte im dritten Quartal 2012 eine Auflage von mehr als 143 000 Exemplaren. Wie doppelzüngig das Blatt mit dem Thema Urheberrecht umgeht, erfuhr der freie Autor und Urheberspezialist Matthias Spielkamp, der im Handelsblatt einen Text über den Umgang mit den Rechten freier veröffentlichet. Danach erhielt Spielkamp Post. Darin versuchte die Verlagsgruppe Handelsblatt selbst, Spielkamp per Total-Buyout alle Rechte an seinem Text zu nehmen. Spielkamp hat auf dieses Schreiben mit einem Offenen Brief reagiert und wartet bis heute auf eine Antwort. Nun hat die Hauptjury das Wort. Sie setzt sich aus erfahrenen Journalisten und Branchenkennern zusammen. Dies sind in diesem Jahr Gabriele Bärtels (freie Autorin und Fotografin), Julia Friedrichs (freie Autorin), Prof. Dr. Michael Haller (Medienwissenschaftler), Prof. Dr. Volker Lilienthal (Medienwissenschaftler, Uni Hamburg), Wolfgang Michal (freier Journalist und Blogger), Stefan Niggemeier (freier Journalist und Blogger), Tom Schimmeck (freier Radio- und Printjournalist) und Dr. Wolfgang Storz (Dozent). Die Preisträger werden am 24. November um 20 Uhr in München bekanntgegeben.


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