4. September 2013

„Ja, wenn wir Bombenrenditen hätten …“

Gestern haben wir gezeigt wie leer „Geo Saison“ ohne Freie aussähe. Im Interview spricht Chefredakteur Lars Nielsen über Honorarverhandlungen, die „Geo“-Verträge und seine eigenen Erfahrungen als Freier. Freischreiber: Wäre „Geo Saison“ ohne Freie so gut, wie es ist? Nielsen: Nein, natürlich nicht. Es wäre weder so gut noch könnten wir unser Blatt ohne Freie füllen. Bei allen Blättern, die unter der „Geo“-Marke erscheinen, ist es Prinzip, auch mit freien Mitarbeitern zu arbeiten – obwohl bei uns auch die Redakteure Autoren sind. Wir beauftragen Freie, weil sie Spezialisten auf ihrem Gebiet sind, sich beispielsweise im Bereich Wandern/Outdoor auskennen oder seit Ewigkeiten in Italien leben. Und wir beauftragen Leute, die einen besonderen Blick auf die Dinge haben und deren Schreibe wir gezielt einsetzen. Freischreiber: Welches Bild haben Sie von Freien – sind das für Sie Journalisten, die keine Festanstellung bekommen haben? Nielsen: Nein, ich nehme nicht einen einzigen unserer freien Mitarbeiter als jemanden wahr, der es nicht auf den Redakteursjob geschafft hat. Dabei war ich selbst zwei Jahre lang ein freier Journalist, der gerne einen festen Job gehabt hätte, aber keinen bekommen hat. Doch die meisten, mit denen wir arbeiten, sind aus Überzeugung frei. Für mich sind das selbständig denkende freie Unternehmer und bestimmt keine Autoren zweiter Klasse. Freischreiber: Was sind Ihnen die Freien wert – was zahlen Sie und warum? Nielsen: Das ist immer eine Sache der Einzelverhandlungen. Wir zahlen aber ganz entscheidend mehr als Tageszeitungen, anständige Magazinhonorare. Die Bezahlung richtet sich nach zwei Richtgrößen: Wie lange ist der Autor mit Vorbereitung, Reise, Schreiben beschäftigt – und wie groß wird die Geschichte im Heft. Auf dieser Grundlage vereinbaren wir eine Pauschale mit dem Autor. Die steht auch im Autorenvertrag, den es für jedes Stück gibt. Kommt der Text hier an, schauen der zuständige Redakteur, die Textchefin und ich ihn an und entscheiden, ob er gut ist oder noch einmal an den Autor zurückgeht. Sobald der Text von uns abgenommen wurde, gibt es Geld. Das ist auch wichtig so, denn bei uns dauert es manchmal über ein Jahr, bis wir etwas abdrucken. So produzieren wir gerade die Wintersportgeschichten für den Winter 2010/11. Und natürlich müssen die Leute vorher ihr Geld bekommen. Freischreiber: Hat der Autor noch einmal die Möglichkeit für einen letzten Blick auf den Text, bevor er in Druck geht? Nielsen: Dass der Autor den Text im Layout nochmal sieht, glaube ich nicht – ehrlich gesagt bin ich da gar nicht involviert, das ist eine Sache der Textchefs. Aber Textänderungen werden natürlich mit den Autoren besprochen. Und da wir die Texte verifizieren, ist ein doppelter Boden eingezogen, normalerweise kommen deshalb keine Fehler vor. Freischreiber: Wie gehen Sie mit Themenvorschlägen um? Nielsen: Wir haben alle zwei Wochen eine Themenkonferenz, auf der wir sowohl interne als auch externe Ideen besprechen. Wir behandeln Vorschläge von Freien genauso wie die von Redakteuren, es gibt keine Bevorzugung. Einzige Ausnahme: Wenn jemand in der Redaktion eine Idee hatte, die genau so auch von außen angeboten wird. Wenn der Redakteur die Geschichte dann selbst machen möchte, stimme ich dem in der Regel zu. Denn unsere Redakteure produzieren zu 80 Prozent und kommen nur selten raus – was aber wichtig ist, allein schon, damit sie ihre Kompetenz wahren. Freischreiber: Wie schnell geben Sie Feedback, ob Sie ein Thema wollen oder nicht? Nielsen: Idealerweise sollten die Autoren gleich nach der Konferenz ein Feedback bekommen. Es passiert aber gelegentlich, dass Themenvorschläge, die per Mail direkt an mich kommen, in meiner Maillawine einfach untergehen. Das ist kein böser Wille, ich war ja selbst zwei Jahre lang frei und weiß, wie blöd das ist, wenn man etwas rausschickt und kein Feedback bekommt. Freischreiber: Werden die Autoren bei „Geo“ für Mehrfachverwertung extra honoriert? Nielsen: Wenn wir einen Text für PR-Zwecke nutzen, ihn zum Beispiel als Teaser an eine Zeitung oder an „Stern-Online“ geben, dann zahlen wir das nicht extra, auch bei Fotos nicht. Das ist ja eine PR-Maßnahme, die den Heftverkauf ankurbeln soll – und am Ende mit dafür sorgt, dass die Autoren bei uns Geld verdienen können. Ich weiß auch, dass Texte von uns in den „Geo“-Auslandsausgaben sind – aber ich weiß nicht, ob die Autoren dafür noch einmal honoriert werden. Freischreiber: Würden Sie es grundsätzlich für wünschenswert halten, dass Autoren mehrfach bezahlt werden, wenn Texte mehrfach genutzt werden? Nielsen: Ja, wenn wir Bombenrenditen hätten, dann würde ich das Geld gerne verteilen, aber so viel Kohle kommt bei uns am Ende nicht raus. Das ist die schlichte Wahrheit. Und für uns ist das ja auch eine kuriose Situation: Wir schicken Leute auf unsere Kosten in die Welt hinaus, zahlen dafür ein Honorar und alle Kosten, die dort anfallen – und an dem Produkt, das dabei entsteht, haben wir laut Urheberrecht einmaliges Abdruckrecht. Ich finde das überholt, gerade in Zeiten, in denen ein Medium ganz verschiedene Kanäle wählen kann, um zu veröffentlichen. Freischreiber: Aber dann müssten die Honorare für die Autoren doch entsprechend steigen – schließlich haben die keine Möglichkeit, ihr Material noch einmal zu verwerten. Nielsen: Theoretisch ist das wünschenswert. Aber Tatsache ist auch, dass unsere Renditen nicht mehr so hoch sind wie vor 15 Jahren. Das ist nicht so einfach. Wir müssen die Dinge mehrfach verwerten, um am Ende überhaupt das zahlen zu können, was wir den Freien zahlen. Auch wir in der Redaktion müssen ja heute mehr arbeiten als früher, um das Gleiche einzuspielen. Unsere Redakteure könnten auch sagen, wir haben früher zehn Hefte im Jahr gemacht, jetzt machen wir zwölf Hefte plus Kalender plus Supplements plus Extrahefte, und kurioserweise haben wir keine Gehaltserhöhung bekommen. Für die gilt das ja genau so. Freischreiber: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Behandlung von Autoren und der Qualität der Texte, die diese liefern? Nielsen: Grundsätzlich versuchen wir, unsere Autoren gut zu behandeln, fair mit ihnen umzugehen: Dazu gehört es, ordentliche Absprachen zu treffen, ein vernünftiges Briefing zu machen, sie gut zu betreuen und ein anständige Honorar zu zahlen. Und wir bekommen dafür auch gute Texte. Aber es ist bei uns wie wohl in jedem kreativen Prozess: Manchmal liefern Leute schlechte Texte ab, obwohl wir sie hervorragend behandelt haben. Und ich habe auch schon erlebt, dass Redakteure, die freie Mitarbeiter das Fürchten gelehrt haben, bessere Ergebnisse bekommen haben als Leute, die die Freien gut behandelt haben. Aber das ist bei uns ganz bestimmt keine Heftlinie.


Verwandte Artikel